26. Kämpfe zu Land und zu Luft

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Nachdem Karis das Zelt mit dem verletzten Schneekind verlassen hatte, machte er sich zusammen mit den drei Elfen, die geduldig auf ihn gewartet hatten, auf den Weg zurück zum Lagerplatz der Drachenreiter. Erneut traf ihn das Elend, das ihm beim Rückweg umgab mit voller Wucht, als er den Blick über seine Umgebung wandern ließ und jetzt nahm er auch den allgegenwärtigen Geruch nach Schmutz und Unrat war, der in der Luft hing. Auf dem Hinweg, war er zu sehr mit der Frage beschäftigt gewesen, wobei Jonata seine Hilfe benötigte, als dass ihm der Geruch aufgefallen wäre, dafür kroch er ihm jetzt umso penetranter in die Nase.
Dennoch ließ er sich nichts anmerken, als er sich durch die Menschenmenge drängte und auch die drei Elfen zeigten keine Regung ob ihres Umfelds, obwohl es ihnen vermutlich ebenso zuwider war, wie dem Schattenläufer.
Nachdem sie ihren Lagerplatz erreicht hatten, begab sich Karis zuerst ohne einen genaueren Blick auf seinen Seelengefährten zu werfen, in sein nachtschwarzes Zelt um seine Rüstung abzulegen. Vorsichtig befestigte er den Brustpanzer an einem hölzernen Gestell, das er vorsorglich schon am vorigen Tag angefertigt hatte, bevor er sich zu seinem Drachen begab, der wie meistens in den letzten Tagen neben Saphira lag. Doch als er das Bild sah, dass sich ihm bot als er die beiden Drachen erblickte, hielt er inne.
Die blauschimmernde Drachendame hatte ihren Kopf auf seine Klauen gebettet und Sereth strich ihr immer wieder sanft mit seinem Unterkiefer über ihren Hals. Flüchtig berührte er den Geist seines langjährigen Gefährten und unwillkürlich lief ihm ein Schauer über den Rücken, als ihn die Wärme und die Zufriedenheit durchströmten, die den weißen Riesen erfüllten. Schnell löste er den Kontakt um die Drachen nicht zu stören und begab sich an den Rand des Lagerplatzes. Auch die Mitglieder der Elfengarde, schienen ähnlich zu denken, denn sie hatten sich ebenfalls soweit zurückgezogen, dass sie die beiden Giganten nicht stören würden, aber im Notfall immer noch nahe genug waren um schnell bei ihnen zu sein. Lediglich eine der Elfen, Yaela, befand sich nicht mit den anderen am Rand des Lagerplatzes.
Zu seiner Überraschung entdeckte der Drachenreiter die silberhaarige Elfe, nachdem er sich einen kurzen Moment lang umgesehen hatte in der Nähe der Pferde, die der vor kurzem zurückgekehrte Kampftrupp der Varden mitgebracht hatte.
Ein ungutes Gefühl beschlich ihn beim Anblick der knapp dreißig wohlgenährten Tiere, die friedlich grasten, während die Elfe sich ihnen näherte. „Wisst ihr was Yaela bei den Pferden möchte, die die Varden vor kurzem erbeutet haben?" Fragend blickte er einen der Elfen an, die ihn nicht am Vormittag begleitet hatten. „Als die Pferde vor kurzem hier ankamen, hat Yaela bemerkt, dass eines der Tiere humpelt. Da sie schon immer über eine selbst für Elfen starke Bindung zu anderen Lebewesen hatte, wollte sie ihnen helfen." Verstehend nickte Karis. Das ergab natürlich Sinn.
Er hätte vermutlich dasselbe getan, wenn er in ihrer Situation gewesen wäre, trotzdem konnte er das nagende Unwohlsein nicht abschütteln, das immer stärker zu werden schien, je näher das Mitglied der Elfengarde den Vierbeinern kam. „Was beunruhigt dich, kleiner Schatten?", ertönte auf einmal eine sanfte und doch dunkle Stimme in seinem Kopf. Ertappt wandte sich der Drachenreiter zu seinem Seelengefährten herum, der aufgehört hatte mit dem weißen Maul über die Schuppen seiner Herzensdame zu streichen und ihn stattdessen aus violetten Augen ansah.
„Es ist vermutlich nichts.", versuchte der Drachenreiter seinen Gefährten zu beruhigen, da auch Saphira inzwischen ihren Kopf angehoben hatte und ihn fragend ansah. „Ich wollte euch nicht stören." Sereth schnaubte verächtlich. „Ich weiß es zu schätzen, dass du meine Privatsphäre respektierst, aber es ist meine Aufgabe zu bemerken, wenn dir unbehaglich zumute ist. Also versuch erst gar nicht es zu leugnen." Sein Tonfall wurde bohrend als er fortfuhr. „Was ist los." Karis zog resigniert die Arme hoch. „Naja", erwiderte der Schattenläufer, „diese Pferde, die der letzte Trupp der Varden mitgebracht hat. Irgendwie behagt mir ihr Anblick nicht." Noch während er die Worte aussprach, merkte er wie dünn sie klangen.
Aber zu seiner Überraschung, verengten sich die Augen seines Seelengefährten argwöhnisch als er geendet hatte und er maß die in der Nähe grasende Herde mit einem misstrauischen Blick. „Ich weiß, was du meinst. Irgendwie riechen sie nach Unheil." Überrascht hob Karis den Kopf. Schon die ganze Zeit, ist es als würden ihre Aufmerksamkeit wie Spinnweben über uns streichen.", fügte Saphira hinzu, die ihren Blick ebenfalls über die Pferde gleiten ließ. Auch Karis folgte jetzt den Augen der beiden Drachen und beobachtete wie sich die silberhaarige Elfe Yaela den Tieren näherte.
Seinen eigenen Instinkt konnte er noch als Paranoia abtun, aber wenn selbst eine so junge Drachendame wie Saphira, die Gefahr spürte, die von diesen Tieren auszugehen schien, dann war Vorsicht geboten. Je näher die Elfe den Vierbeinern kam, desto lauter schrillten die Alarmglocken in seinem Kopf und alle seine Muskeln waren bis aufs äußerste gespannt, als sie schließlich vor dem ersten Pferd, das sie komplett ignorierte, stehen blieb und die Hand hob um es an der Mähne zu berühren.
Langsam ließ sie ihre Handfläche auf den Kopf des Pferdes niedersinken, bis er direkt auf der schlammbraunen Mähne lag und begann dann vorsichtig darüber zu streichen. Im ersten Moment reagierte das vierbeinige Geschöpf überhaupt nicht auf die Berührung und Karis atmete bereits erleichtert aus, als das Pferd den Kopf hob. Augen wie glühende Kohlen bohrten sich in seine schwarzen.
Und noch während der Schattenläufer einen Warnschrei ausstieß, erhob sich die Chimäre auf die Hinterhufe. Yaela wich erschrocken zurück, als ein unheimliches rotes Glühen unter der Haut der Kreatur zu leuchten begann. Innerhalb von Sekunden bildeten sich aus den in die Höhe schnellenden Vorderhufen zwei lange sichelförmige Klauen und dichte Hornplatten säumten Hals und Oberkörper der Kreaturen. Völlig überrumpelt mussten die Mitglieder der Elfengarde und Karis mitansehen, wie die Kreatur auf die Magierin des schönen Volkes einschlug. Nur ihren elfischen Reflexen, verdankte Yaela es, dass die Krallen ihr keine schweren Wunden rissen, dennoch traf sie eine der Klauen an der Schulter und warf sie zu Boden. Schnaubend stürzte die Chimäre auf die verletzte Elfe zu, doch bevor sie mehr als ein paar Schritte machen konnte, rief Yaela ein Wort in der alten Sprache.
Zitternd saß sie am Boden und richtete ihre ausgestreckte rechte Hand auf die Kreatur, während sie ihre linke Hand auf die blutende Wunde in ihrer Schulter presste. Erbost fauchte das Wesen, als grün leuchtende Entladungen über seinen Körper liefen und es an Ort und Stelle banden, doch auch die anderen Chimären hatten inzwischen ihre harmlose Erscheinungsform abgelegt und kamen zornig wiehernd auf die Elfe zu.
Mit wirbelnden Krallen wollten sie sich auf die immer noch am Boden sitzende Magierin stürzen, die immer noch darum bemüht war, den Zauber, der die erste Chimäre daran hinderte sie anzugreifen, aufrechtzuerhalten.
Als plötzlich ein nebelgrauer Streif zwischen ihr und der gefangenen Chimäre aufblitzte. Mit unheimlicher Präzision trieb Karis Zwielicht in das Auge der bewegungslosen Chimäre. Überrascht zuckte Yaela zusammen. Sie war so auf die Bindung der Kreatur konzentriert gewesen, dass sie den Drachenreiter und die anderen Mitglieder der Elfengarde, die sich inzwischen im Kampf mit den restlichen Ungeheuern befanden, gar nicht bemerkt hatte. Mit einem erleichterten Seufzer löste sie den Zauber der ihren Angreifer gefesselt hatte und der sie jetzt unnütz Kraft kostete und warf dem Schattenläufer einen dankbaren Blick zu.
Doch Karis beachtete die gerettete Elfe schon gar nicht mehr, da er sich bereits auf die nächste Chimäre gestürzt hatte.
Während er sich innerlich dafür verfluchte, dass er seine neue Rüstung abgelegt hatte, trieb er seinen Gegner mit wilden Hieben zurück. Die Schläge mit seinem Schwert hatten jedoch nicht annähernd die Wirkung, die er erhofft hatte. Zwar waren die pferdeähnlichen Ungeheuer nicht schnell genug um seinen Angriffen zu entgehen, aber die dicken Hornplatten, die Hals und Schulterbereich der Chimären säumten, bildeten einen effektiven Schutz, der verhinderte, dass die Klinge mehr als einige Fingerbreit in das Fleisch eindrang. Eine Fähigkeit die einem gewöhnlichen Gegner kaum einen Vorteil bringen würde, aber da man Ecros Schöpfungen nur vernichten konnte, wenn man die Verbindung vom Gehirn zum Rest des Körpers vollständig trennte oder das Zentrum, das der Geist besetzte irreparabel beschädigte, erwies sich das als schwerer Nachteil für den Reiter und seine Kampfgefährten. Da die dicken Hornpanzer den Hals vor Schlägen mit dem Schwert schützten, hatten ihre zweibeinigen Gegner keine andere Wahl, als auf die Köpfe zu zielen, was sich aufgrund der wirbelnden Sichelklauen der Chimären jedoch als schwierig erwies. Und als einer der Elfen schließlich versuchte ihre Gegner mit einem Zauber zu attackieren, glitt die Magie nahezu wirkungslos an den Schutzzaubern ab, mit denen Karis ehemaliger Lehrmeister seine Schöpfungen belegt zu haben schien.
So wogte der Kampf hin und her, als Saphira und Sereth sich schließlich auf die Kreaturen stürzten. Aufgrund der Zelte die im Weg gestanden hatten, hatten sich die beiden Drachen erst in die Luft erheben müssen, um zu den Chimären zu gelangen. Sonst hätten sie riskiert, einen der durch den plötzlichen Angriff aufgeschreckten Varden aus Versehen zu zermalmen. Doch dadurch hatten sie wertvolle Zeit eingebüßt.
Der Kampf zwischen dem Reiter des weißen Drachen, der Elfengarde und den vierbeinigen Chimären war bereits im vollen Gange, als die beiden Giganten über den Ungeheuern in den Sturzflug gingen. Doch die Kreaturen reagierten völlig anders, als die beiden Drachen erwartet hatten. Während die eine Hälfte der Angreifer sich unverdrossen auf die Elfen und den Drachenreiter stürzte, wandten sich etwa 15 von ihnen der angreifenden Bedrohung zu und stießen ein so lautes Wiehern aus, dass ihre Flanken vibrierten. Mit einem gleitenden Rascheln entblätterten sich ihre runden Bäuche und enthüllten einen dünnen, nahezu skelettierten Brustkorb. Überrascht bemerkten die beiden angreifenden Drachen, dass die Rundungen, die sie für dicke Bäuche gehalten hatten, in Wirklichkeit um den Körper gewundene mit bräunlichem Fell bedeckte Schwingen waren. Und noch ehe Sereth und Saphira reagieren konnten, hatten die geflügelten Pferdechimären Anlauf genommen und sich in den Himmel erhoben.
Mit kräftigen gleichmäßigen Flügelschlägen nahmen sie Kurs auf ihre sich nähernden Gegner. Fauchend stieß der weiße Drache einen vor Kälte klirrenden Feuerstrahl aus, als ihre fliegenden Gegner direkt auf sie zukamen und auch Saphira ließ eine Flammenzunge aus ihrem Maul hervorschnellen. Doch auch dieser Angriff glitt ähnlich der Magie der Elfen, wirkungslos an den Kreaturen ab. Im nächsten Moment hatten die Chimären die Drachen erreicht. Wie zornige Hornissen umschwirrten sie ihre deutlich größeren Gegner und nahmen ihnen mit ihren Körpern die Sicht, während immer wieder einzelne von ihnen blitzartig zuschlugen und sich ebenso schnell zurückzogen. Trotz des Größenunterschieds waren die Chimären gefährliche Gegner. Immer wieder hinterließen ihre Sichelkrallen schmerzhafte Wunden auf den Drachenkörpern. Und auch wenn sie nicht so stark wie ihre größeren Gegner waren, so waren sie doch beträchtlich wendiger, was es ihnen ermöglichte schnelle Angriffe durchzuführen, wodurch die Drachen kaum eine Möglichkeit hatten zurückzuschlagen, ohne sich selbst eine Blöße zu geben.

Zornig schnappte Sereth nach einer Kreatur die ihre Krallen in seine Seite gegraben hatte, doch sie hatte sich schon wieder in die Wolke ihrer Artgenossen zurückgezogen und seine Zähne schlugen ins Leere. In selben Moment schoss ein brennender Schmerz über seinen Rücken. Als der weiße Drache seinem Angreifer mit seinen Blicken gefolgt war, hatte ihn eine andere Chimäre aus seinem toten Winkel angegriffen.
Frustriert fauchend schlug er nach seinem neuen Gegner, doch erneut wurde er aus unerwarteter Richtung angegriffen. In einiger Entfernung konnte er durch die stinkenden Körper, die ihn wie eine Wolke umschlossen, erkennen, dass Saphira die gleichen Schwierigkeiten hatte, wie er. Gerade schnappte sie nach einer Chimäre, die ihrem Biss nur knapp entkam, doch im selben Moment schlug ein anderer Gegner seine Klauen in ihre Rückenschuppen. Die saphirblaue Drachendame stieß ein zorniges Brüllen aus. Doch auch der Schmerz in ihrem Schrei klar zu erkennen und ließ das Blut in Sereths Körper aufkochen. So oft hatte er einen Drachen in Schmerz aufbrüllen hören, manche hatte er selbst im Kampf verletzt, manchmal hatte er auch nur zugesehen, wie sie sich gegenseitig Wunden zugefügt hatten, doch jetzt als er seine Nistpartnerin sah wie sie von denselben Kreaturen angegriffen wurde, die auch ihn peinigten, da spürte er zum ersten Mal, wie etwas in ihm aufriss.
Mit zornerfülltem Gebrüll, brach er durch die Mauer aus Chimären, die ihn von seiner Artgenossin trennten und ignorierte die Schläge, die dabei seinen Körper trafen. Alles was er noch wahrnahm, war das Blau der Schuppen seiner Brutpartnerin. Mit wütendem Knurren schnappte er eine der Chimären, die die Drachendame umschwirrt hatten, direkt aus der Luft. Mit Übelkeit erregendem Knacken biss er der Kreatur den Kopf ab. Kurz lag ihm der ekelerregende Geschmack von verfaultem Fleisch auf der Zunge ehe er die Einzelteile ausspie. Gleichzeitig holte er mit seiner gewaltigen Klaue aus und wischte eine der Kreaturen einfach vom Rücken der blauen Drachendame. Überrascht von der Wildheit des weißen Drachen wichen die Chimären zurück, wohingegen Saphira die kurzfristige Überraschung ihrer Gegner nutzte um sich aus der tödlichen Umklammerung in der sie sich befunden hatte zu befreien.
Mit wildem Brüllen riss sie einem ihrer Gegner einen Flügel ab und schoss aus der Kugel, die ihre Gegner um sie gebildet hatten. Für einen flüchtigen Moment erlaubte sich Sereth ein Gefühl der Erleichterung, als er keine schweren Verletzungen an seiner Nistpartnerin entdeckte und stieß kurz ihre Schnauze mit seiner an. Doch das warme Gefühl hielt nicht lange. Beim Klang eines lauten Fauchens wirbelt der weiße Drache herum. Die Chimären, die ihn vor kurzem umzingelt hatten, hatten sich inzwischen mit denen die Saphira angegriffen hatten zu einem großen Wirbel vereint, der über den Drachen seine Kreise zog. Und genau in dem Moment in dem die beiden Drachen sich der Gefahr bewusst wurden, ertönte ein lautes Wiehern.
Das Rauschen der Schwingen ihrer Feinde wurde lauter als die Chimären ihren Flug beschleunigten und ihre Kreise enger zogen. Für einen Moment meinte Sereth sich von außen zu sehen, wie er an der Seite seiner Nistpartnerin schwebte, während über ihnen ein Schwarm Ungeheuer mit messerscharfen Krallen kreiste. Ihm war völlig klar, dass die Chimären bei der Wucht, die sie durch den Höhenunterschied hatten lediglich einen einzigen guten Treffer benötigten, um einen von ihnen zu Fall zu bringen. Und für einen kurzen Moment schlich sich der Hauch eines Zweifels beim Anblick seiner Feinde in sein Herz. Aber als er einen flüchtigen Blick zu der blauschillernden Drachendame, die neben ihm flog warf schwand er wieder. Denn heute kämpfte er für mehr als sein Leben und das seines kleinen Schattens. Mit rauschenden Schwingen und blitzenden Klauen wandte er sich dem Wirbel aus flatternden Leibern zu, der immer noch drohend über ihnen kreiste und stieß ein herausforderndes Brüllen aus. Heute kämpfte er für die Zukunft seines Volkes und er würde nicht zulassen, dass diese fliegenden Ratten sich dieser Zukunft in den Weg stellen würden.

Der Weiße SchattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt