76. Ränke in der Stadt des Herrschers

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Düstere Wolken hingen über dem Lager der Varden. Die Nachrichten von dem Angriff auf das Heer der Elfen, die vor kurzem eingetroffen waren, hatten sie alle überrascht. Nach den leichten Siegen, die das schöne Volk in den Tagen jenseits ihres Waldes, errungen hatte waren die meisten von ihnen der Annahme gewesen, dass ihre Armee nahezu unaufhaltsam wäre. Eragon stieß ein Seufzen aus, während er zusammen mit Saphira über dem Heerzug der Varden, Zwerge, Urgals und Surdaner kreiste. 
So konnte man sich irren. Selbst er hatte angenommen, dass nur Galbatorix oder Murtagh ausgestattet mit einer riesigen Anzahl an Eldunari etwas gegen sie hätte ausrichten können. Doch Ecros hatte das Gegenteil bewiesen. Noch gut konnte er sich an das Bild erinnern, das die Worte der Elfenkönigin in ihnen hinterlassen hatten, als sie ihre Verbündeten kontaktiert hatte. „200 Tote. Gefallen im Kampf gegen 100 dieser Kreaturen.“ Den Reiter der blauen Drachendame schauderte es. Wenn diese Ungetüme bereits dem so starken Heer der Elfen eine solche Wunde zu schlagen vermochten, wollte er sich gar nicht vorstellen, was diese Ungeheuer bei ihnen anrichten würden. 
Er bezweifelte stark, dass die Magier und Krieger unter ihm einem solchen Angriff lange würden standhalten können. Das bedeutete in einem solchen Fall würde die Hauptlast des Angriffs an ihm und seinem großen Bruder hängen bleiben. „Ich mache mir Sorgen!“,übermittelte er in Gedanken besagtem Reiter, der in einigen Flügelschlägen Entfernung auf dem Rücken seines Seelengefährten saß und ebenso wie er nach Patrouillen und Spionen Ausschau hielt. 
Der Ältere von Selenas Söhnen war zwar immer noch etwas zurückhaltend was den geistigen Kontakt mit anderen als seinem Seelengefährten anging, doch durch seine Ausbildung durch den weißen Schatten und die wiedererstarkte Freundschaft zu seinem kleinen Bruder war er inzwischen immerhin soweit, dass Eragon ein geistiges Gespräch mit ihm führen konnte, ohne angegriffen zu werden.  
„Wieso?“, wollte sein Bruder wissen. „Wegen dem Angriff auf die Elfen.“, antwortete Saphiras Reiter.„Wenn diese Kreaturen bereits bei den Elfen eine solche Schneise der Verwüstung hinterlassen konnten, mag ich mir gar nicht vorstellen, was sie bei uns anrichten würden.“ „Vermutlich nicht so viel.“,erwiderte Murtagh unbeeindruckt. Eragon hielt überrascht die Luft an. „Wieso nicht? Zwar schätze ich die Schlagkraft unserer Armee keineswegs gering ein, aber das Heer der Elfen ist doch wesentlich stärker als unseres. Außerdem ist ein jedes Mitglied ihres Volkesin der Lage Magie zu wirken, dennoch haben sie trotz zahlenmäßiger Überlegenheit deutlich mehr Verluste erlitten, als ihre Gegner.“, versuchte er seinem Bruder seinen Standpunkt deutlich zu machen, doch dieser war noch immer unbeeindruckt.Stattdessen glitt Dorn flügelschlagend etwas näher. „Das lag nur daran, dass die Elfen nicht auf so einen rücksichtslosen und trickreichen Gegner vorbereitet waren. In der ersten Schlacht gegen die schmerzunempfindlichen Soldaten von Galbatorix waren die Varden auch gewaltig im Nachteil, aber jetzt wo sie auf solche Feinde vorbereitet sind, bringen Galbatorix seine veränderten Soldaten nicht mehr so viel.“
Saphira brummte zustimmend. „Dein Bruder hat Recht. Sie hatten in ihrer ersten Schlacht das Überraschungsmoment, aber jetzt wo Ecros seine Karten offengelegt hat, haben die Elfen Gelegenheitsich auf einen solchen Feind vorzubereiten.“ Noch bevor seine Seelengefährtin ausgesprochen hatte, spürte ihr Reiter die Zustimmung, die aus dem Geist seines Bruders floss. „Sie hat Recht. Die Elfen mussten ein schmerzhaftes Lehrgeld zahlen, aber im Ende wird ihnen das die Möglichkeit geben stärker daraus hervorzugehen.“Inzwischen hatten die beiden geflügelten Riesen ein ganzes Stück Weges zwischen sich und die Varden gebracht. 
Am Horizont konnten Ihre Reiter inzwischen bereits die Silhouette der nächsten Stadt ausmachen. Sie lag am Ufer eines riesigen Sees und dahinter erhob sich bedrohlich der Schatten einiger Berge. Stumm verständigten sich die beiden Kolosse. Noch näher heranzufliegen wäre töricht. Die saphirblaue Drachendame stellte ihre Flügel etwas mehr seitlich und änderte ihre Flugbahn, sodass sie wendete. Auch Dorn änderte den Rhythmus seiner Flügelschläge und passte ihn an ihre an. 
Seite an Seite flogen die beiden Drachen zurück zu ihren Verbündeten. „Aber sollten wir unsere Krieger dann nicht auch auf den Kampf gegen Ecros Chimären vorbereiten?“, wollte Eragon auf einmal wissen. Der Anblick der von ihm am meisten verhassten Stadt im Imperium hatte ihn kurz abgelenkt, aber jetzt wandte er sich wieder dem vorigen Thema zu. Der schwarzhaarige Reiter auf dem roten Drachen lächelte verschmitzt. „Diese Idee hast du etwas spät.“ Verwirrt blickte der jüngere von Selenas Söhnen zu seinem Bruder. „Weshalb?“ „Weil Karis bereits alles dafür erforderliche vor seiner Abreise zu den Elfen geregelt hat.“ 
Überrascht blickte Saphiras Reiter zu dem ehemaligen Sklaven des Königs. „Wie genau hat er das denangestellt?“, fragte er neugierig. „Er hat sich mit mir, der Werkatze Flammwyn und Nar Garzhvog zusammengesetzt da wir, durch die Schlacht umBelatona, die meiste Erfahrung im Kampf gegen dieChimären haben und hat uns gebeten jedem Mitglied unserer Allianz den Kampf gegen Ecros Schöpfungen näher zu bringen.“ „Ach das macht ihr also andauernd.“, kommentierte die blaue Drachendame überrascht. Auf den nachfragenden Gedanken ihres Reiter hin, erläuterte sie: „Ich habe schon öfters beobachtet, wie die Urgals mit den Citharki verschiedene Bewegungsabläufe und Kampftechniken geübt haben. Ich wusste nur nie genau, was das sollte.“ „Stimmt.“, antwortete Dorn. „Die geflügelten Kreaturen kommen unseren Feinden am nächsten. Daher können wir mit ihnen den Kampf gegen Ecros Kreaturen am besten üben.“  
Anerkennend lehnte Eragon sich etwas in seinem Sattel zurück, während das Land unter ihnen verschwand und von dem Heerzug der Varden abgelöst wurde. Er kam nicht umhin den Schattenläufer für seine Vorsorgemaßnahmen zu bewundern. Trotz der kurzen Zeit, die ihm zwischen seiner Gefangenschaft in Belatona und seiner Abreise zu den Elfen zur Verfügung gestanden hatte, war es ihm möglich gewesen eine fundierte Strategie aufzubauen um den Varden den Kampf gegen die Schöpfungen seines ehemaligen Meisters zu erleichtern. 
„Hast du das auch schon geübt?“, erkundigte seine Seelengefährtin sich währenddessen aufgeregt bei ihrem Artgenossen, der daraufhin ein betätigendes Knurren ausstieß. „Selbstverständlich. Nachdem ich bei dem Kampf über Belatona gesehen habe, wie sehr selbst wir Drachen gegen einen zahlenmäßig überlegenen und wendigeren Feind in der Luft im Nachteil sind, habe ich mich an dem Training beteiligt.“ 
Seinen Worten folgten Bilder von seinen Luftkämpfen mit Karis Untergebenen. Dabei hatte er meistens entweder seinen Reiter auf dem Rücken, oder eine Ersatzpuppe, die festgeschnallt in dem Sattel saß. Auf den nachfragenden Gedanken seiner Artgenossin erläuterte er, dass die Puppe seinen Reiter darstellen sollte, denn wie er bei Sereth gesehen hatte, war eine beliebte Strategie von Ecros Kreaturen den Reiter anzugreifen. 
Außerdem erläuterte er verschiedene Strategien und Flugmanöver, die er noch mit Sereth entwickelt hatte, um eben diesem Plan entgegenzuwirken und die er jetzt mit Ecros ehemaligen Sklaven übte. Saphira war mehr als angetan von den einzelnen Manövern, die ihr Artgenosse ihr darlegte. Auch wenn sie eine gewisse Verletztheit nicht verhehlen konnte. „Wieso habt ihr mich nicht an dem Training teilhaben lassen? Ich hätte mit diesen Flugmanövern nicht mehr Schwierigkeiten gehabt, als ihr.“ 
Es erschien ihr unfair, dass die anderen Drachen sie von einem Plan, den sie zusammen entwickelt hatten, ausgeschlossen hatten. „Selbstverständlich nicht. Vermutlich sogar eher weniger.“, stimmte der rote Drache ihr sofort zu, bevor er mit steil gefalteten Flügeln zur Landung ansetzte. Inzwischen hatten sie ihren Landeplatz erreicht und gingen langsam beide in den Sinkflug. „Wir, beziehungsweise Sereth hatteeinen anderen Grund um dich vorerst außen vor zu lassen.“ „Und der wäre?“, verlangte die Drachendame schnippisch zu erfahren. Doch ihre Frage wurde von selbst beantwortet, als sie den Boden berührten. 
Über ihnen erfüllte ein Rauschen die Luft und ein Drachenmädchen mit blauen, weißumrandeten Schuppen senkte sich langsam zu ihnen herab. Aus dem in Belatona geschlüpften Küken war inzwischen ein elegantes und recht willensstarkes junges Drachenmädchen geworden, das eine nicht zu übersehende Zuneigung zu Dorn entwickelt hatte. Mit einer Anmut, die der ihrer Mutter in nichts nachstand sank sie neben ihnen zu Boden. Ihre hellblauen Augen glitzerten voller Schabernack und ihre Schuppen wirkten als ob jeden Moment ein weißes Licht zwischen ihnen hervorbrechen würde. Sie legte kokett ihre Flügel an und warf Dorn ein Zwinkern zu, was dieser jedoch nur mit einem irritierten Schnauben quittierte. 
Schlagartig verstand Saphira, weshalb die anderen Drachen sie außen vor gelassen hatten. Während Sereth bei den Elfen war, hatte sie sich verstärkt um ihre Tochter gekümmert. Sie hatte sie erzogen, sie gelehrt, was ein Drache wissen musste und sie vor allem im Auge behalten.
Die Angst ihre Tochter erneut zu verlieren war zu jedem Zeitpunkt unterschwellig präsent gewesen und erst nachdem das junge Drachenmädchen eine Größe angenommen hatte, die selbst einem Höhlenbären Respekt abverlangte, war sie etwas gemildert worden.
Ihre Artgenossen hatten schlichtweg Rücksicht auf ihre beschützerischen Mutterinstinkte genommen um sie nicht in eine Situation zu bringen, in der sie eine Entscheidung würde treffen müssen. 
Und wenn sie jetzt sah, zu was für einer anmutigen Drachendame ihre Tochter geworden war, konnte sie ihnen für ihre Rücksichtnahme nur danken. Doch mit der zunehmenden Größe ihrer Tochter war auch eine Sorge in ihrem Kopf entstanden. 
Eine Angst, von der bis jetzt nur ihr Reiter wusste und die jetzt wo die nächste Schlacht allmählich ihre Schatten ausbreitete, nur noch stärker wurde. In ihrem jetzigen Alter würde sich Illeani nicht mehr vom Schlachtfeld fernhalten lassen. 
Während sie zusah, wie ihre Tochter versuchte ihren roten Artgenossen erfolglos zu umschmeicheln, stiegen in ihr erneut die Befürchtungen auf, die sie seit dem letzten Wachstumsschub ihrer Tochter verfolgten.
Eragon, der ihre plötzliche Anspannung spürte glitt von ihrem Rücken und trat neben ihren Kopf. Voller Zuneigung strich er ihr über die Wange. „Keine Sorge meine Schöne. Wir werden sie mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln beschützen.“ Seine Drachendame antwortete nicht. Sie nickte nur stumm und gemeinsam beobachteten sie wie Dorn zunehmend genervt die Avancen des jungen Drachenmädchens zu ignorieren versuchte. Doch sein Bruder hatte sie gehört und stellte sich neben ihn. Gemeinsam beobachteten sie den letzten Moment der Heiterkeit, den sie erleben sollten, nachdem die Schlacht um Dras Leona erst einmal beginnen würde.Doch keiner von ihnen ahnte, was in den Gipfeln der Sklavenstadt vor ihnen auf sie wartete. 

Der Weiße SchattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt