Vor knapp zwei Tagen, waren Karis und sein Seelengefährte im Umland von Gil ead angekommen. Zu ihrer Überraschung hatten sie festgestellt, dass der Kampf um die Stadt, die am Ufer des Isenstar lag, noch gar nicht begonnen hatte. Die Armee der Elfen, hatte wie der Reiter des weißen Drachen aus der Luft festgestellt hatte, in einem Abstand von mehreren tausend Schritten, hunderte Zelte aufgestellt. Die einfachen filigranen Unterkünfte schienen aus Gras gesponnen zu sein und soweit es der Schattenläufer aus der Luft feststellen konnte unterschieden sich die einzelnen Zelte in keinem Maß voneinander. Das Lager schien von keinem sichtbaren Schutz umgeben zu sein, doch sowohl dem Reiter, als auch seinem Drachen war bewusst, dass das nichts zu bedeuten hatte. Und tatsächlich entdeckte Karis, nachdem er den Lagerplatz der Elfen auf magischem Weg untersucht hatte, mächtige Schutzwälle.
Barrieren die das schöne Volk vor Eindringlingen warnen sollten, Zauber die sie vor feindlichen Magiern schützten und viele andere umgaben die Armee der Elfen.
Zuerst hatte der weiße Drache und sein Reiter, die zu diesem Zeitpunkt noch von einem Tarnzauber verborgen gewesen waren, zu den Elfen fliegen wollen, um ihnen von ihrem Plan zu berichten, den versklavten roten Drachen und seinen Reiter zu befreien, doch nach genauerem Überlegen, hatten sie sich dagegen entschieden. Ihr Erscheinen würde einfach zu viele Fragen aufwerfen. Es war ein Wunder, dass die zwölf Elfenmagier, die Islanzadi zu den Varden gesandt hatte, ihn nicht erkannt hatten, aber in den Reihen der elfischen Armee gab es bestimmt genug Persönlichkeiten, die ihn erkennen würden.
Das hätte langatmige Erklärungen zur Folge gehabt, gefolgt von einem gehörigen Verlust der Moral der Elfenkrieger. Ein großer Teil der elfischen Soldaten war der Auffassung, dass ihr Volk über eine natürliche Weisheit verfügen würde, die sie vor schweren Fehlern bewahren würde. Und so sehr es Karis auch genießen würde, dieser Einstellung einen derartigen Schlag zu versetzen, so würde sich dieser Schlag auch gegen den Kampfgeist der Elfen richten und das wäre in der gegenwärtigen Situation fatal.
Deshalb hielten sich die beiden jetzt auf der den Elfen abgewandten Seite von Gil ead auf. Sowohl ihr Lager, das auf der anderen Seite eines Ausläufers des Isenstars lag, als auch ihre geistige Gegenwart, waren von mehreren Tarn- und Schutzzaubern verborgen, damit sie weder Magier in Galbatorix Diensten, noch Mitglieder des Elfenvolkes bemerken würden. Doch auch wenn sie gut verborgen waren, mussten sie vorsichtig sein.
Zwar hielten sich die Diener des Königs in Erwartung des kommenden Angriffs nur innerhalb der Stadtmauern auf, so dass eine Entdeckung aus dieser Richtung sehr unwahrscheinlich war, doch die Königin der Elfen entsandte immer wieder Späher in das Umland, der in Kürze belagerten Stadt. Sie wollte anscheinend sicher gehen, dass dort keine unliebsamen Überraschungen lauerten. Eine Einstellung, die der Reiter des weißen Drachen durchaus nachvollziehen konnte.
Mit routinierten Bewegungen sortierte Karis seine Artefakte, während er im Schneidersitz an einem pechschwarz lodernden Lagerfeuer saß. Sereth, der hinter seinem Reiter Platz genommen hatte, schnaubte beim Anblick der dunklen Flammen. „Dieses Feuer zu erzeugen, war eine reine Kraftverschwendung." Überrascht blickte sein Reiter von dem etwa handflächengroßen rechteckigen Kästchen aus schwarzem Stahl auf, welches er in Händen hielt. Es war mit feinen goldenen Verzierungen versehen und in der Mitte des Deckels befand sich eine rote Perle.
„Wieso?" „Deine Flammen sind schwarz wie die Nacht. Wenn du Licht brauchst, hätte ich für dich ein Feuer erzeugen können." Lächelnd befestigte Karis die golden verzierte Schachtel an seinem Gürtel. „Seit wann brauche ich Licht, um mich im Dunkeln zurechtzufinden?" Nachdem er davon überzeugt war, dass das Artefakt unbeweglich an seinem Gürtel hing wandte er sich ganz zu seinem Drachen um. „Außerdem sind deine Flammen verflucht kalt." „Und seit wann bist du so kälteempfindlich?", erwiderte der weiße Drache daraufhin nur ungerührt.
Einen Moment funkelten sich Drache und Reiter an, ehe sie gleichzeitig grinsen mussten, was in Sereths Fall bedeutete, dass er funkelnde schneeweiße Zähne entblößte, von denen selbst der kleinste immer noch größer war als die Hand seines Reiters. Karis Zähne dagegen waren zwar kleiner, liefen aber ebenso spitz zu, was ihm ein für die meisten Zweibeiner unheimliches Äußeres verlieh. Sie liebten diese sinnlosen, ironischen Schlagabtausche, auch wenn sie diese in der Gesellschaft anderer meist unterließen.
„Hast du dir eigentlich schon Gedanken gemacht, wie wir es anstellen sollen, Murtagh und Dorn gefangen zu nehmen? Wenn ich bei unserem letzten Aufeinandertreffen richtig gezählt habe, verfügte Murtagh damals über etwa 7 Eldunari und nach seiner Niederlage gegen Eragon ist es gut möglich, dass ihm Galbatorix noch mehr zur Verfügung gestellt hat.", wechselte der weiße Drache das Thema, nachdem sich die beiden Seelengefährten ein paar Augenblicke angelächelt hatten.
Verlegen kratzte sich sein Reiter am Hinterkopf, während das Lächeln von seinem Gesicht tropfte. „Ich gebe zu, eine genaue Vorstellung davon habe ich noch nicht." Sereth schnaubte. Während die dunklen Flammen des Lagerfeuers durch den plötzlichen Windstoß tanzten, erwiderte er: „Aber eine ungefähre Vorstellung wirst du doch wohl haben. Wir sind doch hoffentlich nicht völlig unvorbereitet hier her geflogen."
Karis schüttelte den Kopf. Der Vorwurf seines Drachen schien ihn nicht sonderlich zu treffen.
„Natürlich nicht. Aber es wird kompliziert." In Gedanken versunken, fuhr sich Karis durch seine stachligen nebelgrauen Haare. Diese Geste kannte sein Seelengefährte schon von seinem Reiter. Immer wenn dieser über eine schwierige Aufgabe nachdachte, fuhr er sich unwillkürlich durch die kurzen Haare. „Das Wichtigste ist, meiner Meinung nach, dass wir sie zu einem Kampf auf dem Boden bekommen. In der Luft sind wir ihnen zwar klar überlegen, aber dort dürfte es deutlich schwerer werden, sie außer Gefecht zu setzen, ohne ihnen schwere Verletzungen zuzufügen."
Der weiße Drache stieß ein nachdenkliches Brummen aus. „Du hast nicht Unrecht. Und je mehr Verletzungen wir ihnen zufügen müssen, desto schwerer wird es außerdem werden, ihnen klar zu machen, dass wir ihnen helfen wollen."
„Und das würde unter anderem auch ihre Bereitschaft mit uns zusammenzuarbeiten, beeinflussen.", vollendete Karis den Gedanken. „Es dürfte sowieso schwer genug werden, sie davon zu überzeugen uns zu vertrauen. Immerhin kennen sie uns gar nicht." Die Schuppen seines weißen Seelengefährten raschelten als sich Sereth aufrechter hinsetzte. „Aber wir dürfen auch nicht zu zurückhaltend sein. Schimmerschuppe hat mir einige Erinnerungen an ihre Kämpfe gegen das rote Küken gezeigt. Er mag nicht so talentiert wie sie oder so erfahren und stark wie ich sein, aber sowohl er als auch sein Reiter wurden ausgebildet um gegen andere Drachen und ihre Reiter zu kämpfen. Wir dürfen nicht zu zurückhaltend sein, nur weil wir ihnen helfen wollen."
Grimmig gab der Schattenläufer dem weißen Riesen Recht. Auch wenn ihm der Gedanke nicht behagte einen anderen Reiter zu verletzen, nur weil dieser von einem Wahnsinnigen in den Kampf gezwungen worden war, war er doch bereit zu tun, was notwendig war. Sereth, der die Entschlossenheit seines Reiters spürte, stieß er ein versonnenes Brummen aus, als plötzlich ein raschelndes Geräusch, wie von ledrigen Schwingen durch die Luft schnitt. Ruckartig sprang Sereth auf die stämmigen Beine und auch sein Reiter sprang mit gezogenem Schwert auf die. Doch als sie sahen, was sich ihnen näherte, steckte der Schattenläufer seine Klinge wieder weg. Die dunkelgraue Gestalt des Citharki Asche glitt über ihnen aus der Dunkelheit. Die Kreatur, kreiste einmal über ihnen durch die Luft, bevor sie auf der anderen Seite des Lagerfeuers landete.
Der Schattenläufer beobachtete, wie der Citharki mit raschelnden Schwingen auf dem Boden aufsetzte, bevor er mit unter dem Bauch gefalteten Schwingen auf ihn zutrabte. Auch Sereth musterte ihren unerwarteten Gast. Zwar hatten sowohl der Drache als auch sein Reiter gewusst, dass sich Asche in der Nähe von Gil ead aufhielt, aber sie hatten nicht erwartet, ihm hier zu begegnen. Immerhin war ihr Lager mit diversen Schutz- und Tarnzaubern versehen, die es selbst einem Elfenmagier schwer machten es zu wahrzunehmen, solange er nicht gezielt danach suchte. Kurzentschlossen nahm Karis Kontakt zu der Kreatur auf. Im ersten Moment nahm er nur die Ehrerbietung war, der schon bei seiner ersten Begegnung mit dem Geist eines Citharki festgestellt hatte. Eine Folge der Tatsache, dass er derjenige gewesen war, der diesen an Fleisch gebundenen Geistern, zumindest einen Teil ihrer Freiheit zurückgegeben hatte. Doch so schnell wie er die Ehrerbietung der Kreatur wahrgenommen hatte, ebenso schnell schwand sie wieder und wurde von einem Gefühl der Dringlichkeit ersetzt, das Karis überraschte.
Anfangs konnte der Schattenläufer mit dieser Gefühlsschwankung nichts anfangen, bis plötzlich ein Bild vor seinem geistigen Auge auftauchte. Aus den leicht verschwommenen Umrissen, die sich in dieser Erinnerung, unter ihm ausbreitete, schloss der Schattenläufer, dass der Citharki ihm eine der Erinnerung eines seiner Artgenossen zeigte. Würde er ihm Bilder mitteilen, die er selbst erlebt hätte, wären die Eindrücke deutlich klarer, dennoch konnte Karis nach einigen Momenten erkennen, dass die Kreatur von der die Erinnerung stammte sich hauptsächlich über den Wolken aufhielt und etwas zu verfolgen schien. Wobei sie vorsorglich darauf achtete, dass ihr Opfer sie nicht bemerkte. Karis konnte den glühenden Instinkt eines Jägers in ihren Gedanken geradezu schmecken. Ein Gefühl, dass er von seinen oft tage- wenn nicht wochenlangen Katz und Maus-Spielen mit seinem ehemaligen Lehrmeister mehr als ausführlich kannte. Doch dann änderte sich die Szenerie auf einmal. Und der Citharki brach durch die Wolkendecke. Unter ihm erhob sich die Stadt Gil ead auf deren westlicher Seite sich der Drachenreiter jetzt befand.
In der Erinnerung, des Citharki wurden gerade auf den Stadtmauern Geschütze in Stellung gebracht und Truppen wurden hinter den Zinnen positioniert, während Wagen voller Proviant in die Stadt gekarrt wurden, um sie für eine Belagerung zu rüsten. Doch das alles nahm Karis nur nebensächlich wahr und auch die Aufmerksamkeit des Citharki, aus dessen Augen er das Ganze beobachtete, schien eher auf etwas anderem zu liegen.
Knapp 200 Flügelschläge unter ihm befand sich der rotgeschuppte Körper des, von Galbatorix, versklavten Drachen Dorn und auf seinem Rücken saß sein dunkelhaariger Reiter.
Fluchend tauchte Karis aus den Erinnerungen der Kreatur auf. Das konnte nur eines bedeuten. Murtagh und sein Seelengefährte waren bereits in der Stadt angekommen. Auch Sereth schnaubte verärgert.
„Diese Küken waren schneller als wir." Sein Reiter nickte. „Damit habe ich nicht gerechnet. Wir mussten zwar eine deutlich längere Strecke als sie zurücklegen, aber ich bin eigentlich davon ausgegangen, dass wir noch Gelegenheit hätten uns auf ihre Ankunft vorzubereiten." Nachdenklich hob der weißgeschuppte Drache den Kopf und musterte die Stadt, die sich am anderen Ufer des Ausläufers des Isenstars erhob. Die mächtigen Wehranlagen waren in der Dunkelheit der Nacht kaum zu erkennen, aber die Zinnen der Stadtmauern wurden in regelmäßigen Abständen von Fackeln erleuchtet.
„Im Grunde ändert das aber nichts an unserem Plan, oder? Immerhin macht es kaum einen Unterschied, solange sie noch nicht in die Schlacht eingegriffen und damit den Elfen einen Grund gegeben haben sie zu hassen."
Fragend wandte sich der Schattenläufer an den grauen Citharki, der immer noch auf der anderen Seite des Lagerfeuers stand. Anstatt jedoch auf die Frage des Reiters einzugehen, hob die Kreatur den Kopf und blickte in den Himmel. Überrascht hob Karis eine Augenbraue, beim Anblick des zweiten Geisterwesens, welches neben Asche landete. Anhand des dunkelroten Fells erkannte Karis Donner, den er mit der Beobachtung von Uru baen und Murtagh und Dorn betraut hatte.
Anscheinend hatte das Geschöpf entschieden dem versklavten Reiter des Imperiums nach Gil ead zu folgen. Die ersten Erinnerungen, die Asche Karis und seinem Seelengefährten gezeigt hatte mussten demzufolge von ihm stammen. Neugierig nahm Karis Kontakt zu dem Bewusstsein des Citharki auf. Ihn interessierte, warum Donner, Murtagh und Dorn gefolgt war. Sein eigentlicher Befehl hatte gelautet, über Uru baen zu bleiben und ihn lediglich zu benachrichtigen, wenn sich Galbatorix Sklaven nach Gil ead aufmachten. Zuerst, als er mit den Gedanken der Kreatur in Kontakt trat nahm er die Unsicherheit des Citharki wahr. Zwar war das Geschöpf der festen Überzeugung das Richtige getan zu haben, als es hier her geflogen war, aber jetzt wo es Karis gegenüberstand machte sich anscheinend ein mulmiges Gefühl in ihm breit. Immerhin war der Schattenläufer sein Alpha, wie die Kräuterhexe es ausgedrückt hatte, und er hatte mit seiner Verfolgung des roten Drachen einen direkten Befehl missachtet.
Ein Verhalten, welches ihm als er noch in Ecros Diensten gestanden hatte völlig unmöglich gewesen war. Und genau das war es, was eine gewisse Unsicherheit in ihm auslöste. Denn auch wenn diese Geschöpfe jetzt bereits eine gewisse Zeit von den Zwängen denen, sie als Sklaven des Schattens unterworfen waren befreit worden waren, so war ihnen dennoch noch nicht so richtig bewusst geworden, was wahre Freiheit bedeutet. Und dieses Gefühl war es gewesen, das Donner dazu bewogen hatte dem roten Drachen zu folgen. Ebenso wie der versklavte Drache war auch Donner, seit er in Fleisch und Blut existierte, gezwungen gewesen, einem Wahnsinnigen zu dienen. Erst durch die Hilfe des Schattenläufers, war es ihm möglich gewesen ein gewisses Maß an Freiheit zu erlangen. Beim Anblick des roten Drachen hatte ihn einfach das Verlangen erfüllt, nie wieder zuzulassen, dass ein Wesen, egal ob existentiell oder körperlos dasselbe Schicksal erleiden zu lassen, wie es ihm widerfahren war.
Neugierig begutachtete Karis das Gefühlsleben von seinem Untergebenen. Er war unsicher, wie er auf die Offenbarung, die er gerade gehört hatte, reagieren sollte. Donner hatte zugegeben, dass er trotz besseren Wissens gegen einen Befehl verstoßen hatte, aber auf der anderen Seite konnte der Schattenläufer die Entscheidung des Citharki sehr gut nachvollziehen. Immerhin hatten er und Sereth ähnliche Gründe, um den roten Drachen und seinen Reiter befreien zu wollen.
„Du hast nicht wirklich vor ihn für die Missachtung deiner Befehle zu bestrafen, oder?" „Nein, nicht wirklich.", entgegnete Karis an seinen Drachen gewandt. „Ich kann mich gut in seine Situation hineinversetzen, immerhin sind wir doch aus ähnlichen Gründen hier." Sereth schnaubte zustimmend, bevor er dem Citharki, dessen Gefühlen er zusammen mit seinem Reiter gelauscht hatte, wohlwollend einen Schwall kalter Luft entgegen blies.
Der Schattenläufer konnte förmlich sehen, wie die Anspannung aus den Gliedern von Ecros Schöpfung wich und Donner sich neben Asche niederließ. „Dann heißt es jetzt wohl warten." Der weiße Drache hatte seine Aufmerksamkeit wieder auf die Stadt am anderen Ufer gerichtet. „Wir werden kaum etwas unternehmen können, solange Murtagh und Dorn sich in der Stadt aufhalten." Auch Karis Blick ruhte auf Gil ead, während er antwortete. „Du hast Recht. Aber wenn die Elfen angreifen, wird er sich zeigen müssen und dann werden wir sie erwarten."
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Der Weiße Schatten
FanfictionEin weißer Drache und sein Reiter retten Eragon am Helgrind das Leben und helfen ihm zurück zu den Varden zu gelangen. Doch über ihre Vergangenheit hüllen sich die beiden in Schweigen und auch ihre Fähigkeiten geben den Varden und ihren Verbündeten...