22. Kvrons Entscheidung

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„Also, ihr seid das neue Drachenreiter-Gespann, das hier für so viel Wirbel gesorgt hat." Argwöhnisch musterte der alte Zwerg Karis und Sereth, die immer noch vor seinem Zelt standen. „Das ist korrekt, Herr Kvron.", entgegnete Karis, der sich inzwischen seinen Drachendolch wieder umgeschnallt hatte und jetzt vor dem Zelteingang stand. Einen Moment fixierte der Schmied Karis noch mit seinem Blick, ehe er sich wieder seiner Arbeit widmete. Während er ein glühendes Stück Eisen, das die ganze Zeit im Feuer gelegen hatte, mit einer Zange aus den Flammen zog und mit routinierten Handgriffen in einen Eimer Wasser stieß, meinte er: „Euer überraschendes Auftreten hat in meinem Volk für einen ganz schönen Wirbel gesorgt." Obwohl er den Tod des letzten Herrschers der Zwerge mit keinem Wort erwähnte, schien der Name des alten Königs plötzlich zwischen ihnen in der Luft zu schweben. „Das kann ich mir vorstellen:", nickte Karis. „Das mit eurem König tut mir Leid." Bei diesen Worten drehte sich der alte Schmied wieder zu ihm. Die Flammen aus seinem Schmelzofen flackerten und warfen dunkle Schatten auf sein Gesicht, dennoch fuhr Karis fort. „Zu dem Zeitpunkt, als euer Herrscher fiel, hielt ich mich bedauerlicherweise in einem anderen Teil Alagaesias auf."
Bei diesen Worten schienen sich die Schatten auf dem Gesicht des alten Zwerges noch einmal zu verdüstern. „Viele Mitglieder meines Volkes sind der Meinung, dass ihr durch euer verspätetes Erscheinen eine gewisse Mitschuld am Tod von König Hrothgar tragt." Sereth der sich bis jetzt gelassen vor der Schmiede gelegen hatte, hob bei dieser Anschuldigung den Kopf und seine violetten Augen blitzten, als er verärgert knurrte. Doch Karis blieb völlig ruhig. Mit emotionsloser Stimme entgegnete er: „Dem ist wohl so." Der alte Schmied trat von dem Schmelzofen weg und kam auf den Zeltausgang zu, bis er direkt vor Karis stand. „Und weshalb, habt ihr so lange gewartet, ehe ihr euch gezeigt habt?"
Immer noch völlig gelassen, erwiderte der Reiter den bohrenden Blick des Zwergs. „Weil ich den Völkern Alagaesias noch mehr misstraue, als sie mir.", antwortete er schlicht. Einen Moment lang schien die von der Schmiede erhitzte Luft im Zelt zu Eis zu erstarren, ehe der Zwerg den Blick abwandte. Trotz des unbeteiligten Tons war deutlich, dass Karis weder über den Grund seines Misstrauens, noch über weitere Einzelheiten dieses Thema sprechen wollte. Daher ließ der alte Schmied seinen Blick noch einen Moment auf dem Reiter ruhen, dann wandte er sich um und begab sich wieder an die Arbeit.
„Und gibt es noch etwas, was ich für den neuesten Reiter in den Diensten der Varden tun kann, denn auch wenn sich die Sache mit diesem eingebildeten Affen Edric, dank dir erledigt hat, habe ich noch einiges zu tun." Bei den letzten Worten war die Stimme des Zwergs wieder mürrisch geworden, woraus der Schattenläufer schloss, dass er sich wieder seiner Arbeit widmen wollte. „Wenn ihr nicht vorhattet, für Edric eine neue Rüstung zu schmieden, weshalb arbeitet ihr dann an einem Ruhetag?" „Ganz einfach Junge", entgegnete Kvron, ohne zu beachten, dass die Anrede Junge für einen Reiter von Karis Alter und Erfahrung völlig ungeeignet war, „ich habe Freude an meinem Schaffen. Und wenn mir gefällt woran ich arbeite, dann bin ich nicht mehr zu bremsen. Dann lasse ich mir von niemandem sagen, dass ich mittendrin eine Pause machen oder mich ausruhen soll."
Die echte Leidenschaft, die in den letzten Worten mitschwang, brachte Karis zum Lächeln. Auch Sereth verzog die Lefzen zu einem Drachengrinsen, das für die, die nicht mit seinen Gefühlen verbunden waren jedoch eher wie Zähne blecken aussah. Von den ehrlichen Gefühlen beeindruckt, meinte Sereths Reiter: „Eigentlich gibt es da tatsächlich etwas, wobei ihr mir helfen könnt." „Und was wäre das?", fragte der alte Zwerg, der bei seiner Frage nicht einmal von dem Stück Metall aufsah, welches er inzwischen mit dem Hammer bearbeitete. „Nun ja", begann Karis, der jetzt um die Hammerschläge zu übertönen etwas lauter sprach. „Wie ich an Edrics Rüstung gesehen habe, die ihr gefertigt habt, versteht ihr offensichtlich etwas von eurem Handwerk, daher habe ich mich gefragt, ob ihr einen Auftrag für mich ausführen würdet."
Als der Reiter geendet hatte, verstummten die Hammerschläge und der Zwerg trat wieder an den Zelteingang. Auch wenn seine Miene unbewegt blieb, meinte Sereths Reiter doch eine gewisse Neugierde in seinen Augen ausmachen zu können. „Wie ich schon zu diesem eingebildeten Affen sagte, verfüge ich im Moment nicht über die finanziellen Mittel, um neue Materialien, die ich für das Schmieden von Waffen oder Rüstungen benötigen würde, auf eigene Faust kaufen zu können. Und die nächste Materiallieferung, die wir in regelmäßigen Abständen erhalten, kommt erst in ein paar Tagen. Zudem ist es bei privaten Bestellungen, die uns Schmieden nicht direkt von Vertretern der Varden oder ihren Verbündeten gestellt werden, der Fall, dass der Kunde für die Materialien aufkommt. Daher müsstet ihr einen wesentlich höheren Preis zahlen. Weshalb wendet ihr euch nicht direkt an die Anführerin der Varden wenn ihr etwas Derartiges benötigt?" „Ganz einfach", entgegnete der Schattenläufer, „Wenn ich von irgendeinem Anführer der Varden oder einem ihrer Verbündeten ein derartiges Geschenk annehmen würden, würde ich in ihrer Schuld stehen und ich könnte gleich verkünden, dass Sereth und ich uns ganz diesem Machthaber unterwerfen würden. " Sereth schnaubte bestätigend. Da hatten sie gerade den König von Surda mit dem Schwur seines Reiters überlistet, da fehlte es gerade noch, dass sie auf andere Weise einem der Völker Alagaesias verpflichtet wären.
„Verstehe.", entgegnete der Zwerg und strich sich nachdenklich über seinen grauen Bart. „Ich kann zwar nachvollziehen, dass ihr eure Unabhängigkeit bewahren wollt und ich würde euch sogar dabei unterstützen, aber trotzdem bliebe da immer noch das Problem mit den Materialkosten." Karis löste einen kleinen Beutel von seinem Gürtel und hielt ihn so, dass der Schmied ihn sehen konnte. „Ich denke, für dieses Problem habe ich eine Lösung." Ohne ein weiteres Wort, entflocht er den Knoten mit dem das Säckchen verschlossen war, wobei er gleichzeitig einige der Schutzzauber, die er über den Inhalt gelegt hatte, löste. Der Zwerg riss vor Staunen die Augen auf, als ihm der Drachenreiter das Innere des Beutels präsentierte. Sieben kirschgroße Edelsteine, von reinster Qualität warfen ihr Licht auf das Gesicht des Schmieds. Zwei davon strahlten in einem tiefen lila Ton, der dritte war von einem hellen rot und die restlichen strahlten in gelb, orange und grün.
„Das kann ich nicht annehmen.", erschallte die Stimme des Schmieds in Karis Ohren, als der alte Zwerg sich an den Edelsteinen satt gesehen hatte.
„Ich weiß euer Angebot durchaus zu schätzen, aber egal was für eine Ware ihr von mir wollt, ich bezweifele, dass sie einen entsprechenden Gegenwert zu diesen Edelsteinen aufweisen wird. Und ich halte nichts von Almosen." Der Drachenreiter schmunzelte. „Ihr werdet nicht mehr der Meinung sein, dass ich euch Almosen gebe, wenn ihr meinen Vorschlag gehört habt." Misstrauisch blickte sein Gegenüber ihn an. „Na gut, was für ein Angebot wollt ihr mir machen?" „Nach der letzten Schlacht gegen Ecros Chimären ist mir klar geworden, dass es an der Zeit ist, dass sowohl ich als auch mein Seelengefährte uns eigene Rüstungen beschaffen. Da ich jedoch nicht über die nötigen Informationen über den Aufbau und die Verteilung der Ressourcen im Lager der Varden verfüge, benötige ich eure Hilfe, um mir die nötigen Materialien zu beschaffen. Zudem müsste ich eure Schmiede benutzen, da meine eigenen Werkstätten zu weit entfernt sind. Außerdem würde ich euch darum bitten, dass ihr den Rohaufbau meiner Rüstung ohne mich anfertigt, damit ich mich der Drachenrüstung widmen kann."
Das musste der alte Zwerg erstmal verdauen. Während er über Karis Vorschlag nachdachte, spürte der Schattenläufer wie ihn der Geist seines Gefährten anstieß. „Du möchtest mir eine Rüstung anfertigen?" „Natürlich, Großer. Wie du weißt, spiele ich schon seit längerem mit der Idee, aber bis jetzt hatte ich noch nicht die Gelegenheit dir etwas Passendes anzufertigen. Ich werde nicht zulassen, dass du ungeschützt in die kommenden Schlachten ziehst, wenn es etwas gibt, dass ich dagegen tun kann." Gleichzeitig mit diesen Worten sandte Karis seinem Seelengefährten Bilder aus ihrer Vergangenheit. Zeugnisse alter Wunden, die sowohl Sereth als auch sein Reiter davongetragen hatten, als sie gegen besser ausgerüstete Gegner angetreten waren. Das war einer der Gründe dafür, dass Karis nie ohne eine gewisse Anzahl an versteckten Waffen anzutreffen war. „Ich werde nie wieder zulassen, dass wir unseren Gegnern unterlegen sein werden.", bemerkte Karis und untermauerte seine Aussage mit dem Bild von Saphira, wie sie in der Rüstung die die Zwerge ihr geschenkt hatten, über dem Schlachtfeld in Farthen Dur gethront hatte.
Einen Moment versank Sereth in der Betrachtung der saphirblauen Drachendame und der Stärke und Macht, die sie in ihrer Rüstung ausstrahlte. Schließlich sandte er seinem Reiter seine Zustimmung. „Du hast Recht. Es ist besser wenn wir für die kommenden Schlachten gut gerüstet sind." Obwohl der Drache sich bemühte einen neutralen Klang beizubehalten, entging Karis nicht die leichte Begeisterung, die seinen Seelengefährten bei der Vorstellung einer eigenen Drachenrüstung durchströmt hatte.
Lächelnd wandte er sich wieder an den Schmied, der in inzwischen aus zusammengekniffenen Augen ansah. „Also, dass ich das richtig verstehe", fasste der alte Zwerg zusammen: „Du möchtest Zugang zu meiner Schmiede und meinen Werkzeugen, um eine Drachenrüstung anzufertigen, außerdem soll ich dir den Rohaufbau einer Rüstung schmieden und zudem soll ich alle dafür benötigten Materialien selbst beschaffen." Nachdenklich strich sich der alte Zwerg durch seinen Bart. Sein Blick verriet nichts darüber, was in diesem Augenblick in ihm vorging. „Stellt irgendetwas davon ein Problem dar?", fragte Karis, der durch das versteinerte Gesicht des Zwergs, doch etwas unsicher geworden war. Der alte Schmied richtete seinen Blick noch einmal auf die funkelnden Edelsteine, die immer noch auf seiner Arbeitsablage lagen und schüttelte mit einem Seufzen den Kopf. „Nein, aber ich wüsste gerne, warum du nur den Rohaufbau einer Rüstung möchtest. Wenn ich dir die ganze Rüstung anfertigen würde, hättest du mehr Zeit dich der Drachenrüstung zu widmen. Was angesichts des Zeitdrucks unter dem ihr zu stehen scheint sicher von Vorteil wäre, oder?"
Ertappt zuckte der Schattenläufer zusammen. Woher wusste der alte Zwerg, dass er es eilig hatte. Immerhin hatte er kein Wort darüber verloren, dass er vorhatte in naher Zukunft, nach Gil ead zu fliegen. „Was meint ihr damit?" „Schon als du hier aufgetaucht bist, hast du so gewirkt, wie wenn du dich lediglich für eine lange Reise mit Ausrüstung eindecken willst. Außerdem war da noch der da." Er wies mit ausgestreckter Hand auf den Drachendolch, der jetzt wieder von Karis Gürtel baumelte. „Ich gehe davon aus, dass du diesen Dolch selbst angefertigt hast?" Der Drachenreiter nickte. „Das dachte ich mir. Als, Edric ihn in der Hand hatte und du ihm erklärt hast, dass du ihn nicht hergeben würdest, da hattest du denselben Stolz und dieselbe Wertschätzung in den Augen, die ich auch jedes Mal verspüre, wenn ich eines meiner Meisterwerke betrachte. Und ein Schmied der eine solche Zuneigung seinen Werken gegenüber verspürt, lässt sich für gewöhnlich nicht dazu herab, einen anderen Schmied darum zu bitten, etwas für ihn anzufertigen, es sei denn er hat keine andere Wahl oder er hat es sehr eilig."
Karis war sprachlos. Alles was Kvron gesagt hatte, traf zu. Unter normalen Umständen hätte er niemals einen anderen Schmied seine Rüstung anzufertigen, aber aufgrund des Zeitaufwands, der nötig war, um allein die erforderlichen Panzerplatten für Brust und Rücken seines Drachen anzufertigen, hatte er keine andere Möglichkeit. „Ihr habt Recht.", antwortete er dem alten Zwerg. „ Normalerweise könnte mich nichts davon abhalten, sowohl die Rüstung meines Seelengefährten als auch meine eigenen selbst anzufertigen, aber wie ihr richtig bemerkt habt befinden wir uns im Krieg und stehen deshalb ein bisschen unter Zeitdruck. Daher frage ich euch jetzt noch einmal direkt. Nehmt ihr meinen Auftrag an und gestattet ihr mir Zugang zu eurer Schmiede?" Nachdenklich strich sich der alte Zwerg ein paar Mal über seinen grauschwarzen Bart. Obwohl man ihm aufgrund seiner beachtlichen Gesichtsbehaarung nicht ansehen konnte, was er dachte, konnte Karis doch beobachten wie es hinter der Stirn arbeitete.
„Na gut. Im Gegenzug für diese Edelsteine bin ich bereit dir bei der Herstellung zweier Rüstungen zu helfen und gewähre dir vorübergehend Zugang zu meiner Werkstätte." „Vier der Edelsteine könnt ihr behalten", erinnerte Karis ihn, „vergesst nicht, dass ihr die erforderlichen Rohmaterialien von den restlichen drei bezahlen müsst." Der Zwerg brummte unwirsch. Als ob er das vergessen hätte. „Und was eure Frage von vorhin angeht, ich bitte euch deshalb darum nur den Rohaufbau einer Rüstung anzufertigen, weil ich für den Abschluss des Fertigungsvorgangs Magie einzusetzen gedenke." „Du verwendest Magie beim Erschaffen deiner Werke?"
Für einen kurzen Moment schien der alte Schmied seine Entscheidung, ob er ihm helfen sollte, noch einmal zu überdenken, als sich eine leichte Spur von Verachtung in seine Stimme schlich. „Nein, nicht direkt.", beeilte sich Karis en aufgebrachten Zwerg zu beruhigen. „Ich verwende Magie beim Schmieden nicht um mir die Arbeit zu erleichtern, sondern lediglich um bestimmte Vorgänge, die wochenlange Einzelarbeit benötigen würde, zu beschleunigen." Misstrauisch musterte Kvron den jungen Reiter. „Und wozu willst du deine Magie bei dieser Rüstung einsetzen, wenn ich dir den Rohaufbau bereits angefertigt habe, dann sind die aufwendigsten Arbeiten doch schon getan." „Das ist richtig, aber ich gedenke bei den Arbeiten die danach noch notwendig sind meine Magie zu benutzen um die verschiedenen Einzelteile zu verbinden, die Härte des Materials zu erhöhen und dem Metall verschiedene Eigenschaften zu verleihen, über die es sonst nicht verfügen würde." Einen Moment lang löste der alte Zwerg seinen Blick von dem jungen Reiter der vor ihm stand und drehte jetzt in Gedanken versunken einen Hammer in seinen Händen, der noch vor kurzem auf dem Tisch der zwischen ihnen stand gelegen hatte.
Karis Nerven waren inzwischen aufs Äußerste gespannt. Er wollte, dass dieser Schmied ihm half. Nicht nur, dass er anhand der Rüstung die der unverschämte Hauptmann getragen hatte klar erkannt hatte, dass der alte Zwerg über ein außergewöhnliches Talent in der Metallverarbeitung verfügte, außerdem hatte er eine gut eingerichtete Schmiede, in der Karis mit Vergnügen arbeiten würde. „Na gut. Ich bin einverstanden." Mit einem resoluten Knall legte der alte Zwerg das Werkzeug wieder auf die Ablage. „Ich werde euch meine Dienste zur Verfügung stellen." „Und wieso jetzt doch auf einmal?", fragte der Schattenläufer, während er spürte, wie ihn Erleichterung durchströmte. Zu seiner Überraschung stieß der alte Zwerg ein heiseres Lachen aus, bevor er antwortete. „Ich würde lügen würde ich behaupten, dass ich noch nie mit dem Gedanken gespielt habe, die von dir erwähnten langwierigen Prozessen einfach mit Magie abzukürzen, aber wie du sicher gesehen hast bin ich kein Magier und die Preise die die Du Vrangr Gata dafür verlangen würde, wenn ich sie darum bitten würde, kann sich doch kein Schmied mit ehrlichem Einkommen leisten. Zudem stehe ich der Magie zwar recht skeptisch gegenüber, wenn sie bei der Schmiedekunst verwendet werden, aber die Qualität der Erzeugnisse, die die Elfen damit herstellen kann ich nicht leugnen. Es wird bestimmt interessant zu beobachten wie so etwas vonstattengeht." Mit einem leichten Lächeln nickte Karis. Da hatte der Zwerg nicht Unrecht. Interessant würde es auf jeden Fall werden, auch wenn die Werke die Karis zu erschaffen gedachte, doch etwas von der Vorstellung der Elfen von Rüstungen abweichen würden.

Gespannt wartete der Schattenläufer auf die Reaktion des alten Zwergs. Nachdem Kvron zugestimmt hatte, ihm bei der Herstellung der Rüstungen zu helfen, war Karis zurück zu seinem Zelt geeilt und hatte ein in tiefrotes Leder eingeschlagenes Buch geholt, auf dessen Vorderseite ein silberner Sichelmond prangte. An diesem Buch arbeitete er schon seit Jahren. Darin waren detaillierte Beschreibungen verschiedener Waffen und Artefakte, die der Drachenreiter entweder bereits hergestellt hatte, oder noch anzufertigen gedachte. Darin waren auch die Rüstungen aufgeführt, die Karis zu schmieden vorhatte.
Jetzt wartete er aufgeregt darauf, was der Schmied der die Abbildungen der Rüstungen aufmerksam studierte und dabei nachdenklich durch seinen Bart fuhr zu seiner Idee von einer Rüstung sagen würde.
Zu seiner eigenen Überraschung war ihm die Meinung des alten Zwergs wirklich wichtig. Nicht nur, dass Kvron mehr als 50 Jahre mehr Erfahrung als Schmied aufwies als Karis, auch hatte er bereits eine eigene Drachenrüstung angefertigt. Die eindrucksvolle Panzerung die Saphira Schimmerschuppe bei der Schlacht in Farthen Dur und auf den brennenden Steppen getragen hatte, war sein Werk gewesen.
Schließlich hielt der Drachenreiter es nicht mehr aus. „Und, was haltet ihr von meiner Idee für Sereths Drachenrüstung?" Ungeduldig blickte Karis den alten Zwerg an, der angesichts der offensichtlichen Ungeduld des Schattenläufers lächeln musste. „Nun ja", begann Kvron, der es sichtlich genoss seinen Gegenüber zappeln zu lassen, „eure Ideen sind ziemlich ungewöhnlich." Karis der nervös schluckte machte sich bereits auf das schlimmste gefasst, als der Zwerg fortfuhr. „Aber ich denke sie sind umsetzbar." „Wirklich?" Karis riss überrascht die Augen auf.
„Ja.", schmunzelte der Zwerg angesichts der Begeisterung seines jüngeren Gegenübers. „Ich denke sie weisen einiges an Potenzial auf. Es gibt zwar noch einige Ecken und Kanten an denen man arbeiten muss, aber ich denke im Großen und Ganzen sind sie durchführbar." Auch Sereth, der die Aufregung seines Reiters wohlwollend zur Kenntnis nahm, brummte amüsiert. Sein Reiter ignorierte das jedoch. Er war in Gedanken bereits bei den anstehenden Schmiedearbeiten.
„Und der ungewöhnliche Aufbau der Drachenrüstung wird kein Problem sein?" „Nein", entgegnete Kvron, „wenn wir die richtige Art Metall verwenden und sie exakt an deinen Drachen anpassen, sollte es keine Probleme geben." „Aber die Rüstung darf nicht zu schwer sein.", gab Karis zu bedenken. „Er muss in der Lage sein mit angezogener Rüstung mehrere Flugstunden am Stück zurückzulegen, ohne davon übermäßig zu ermüden." Nachdenklich strich sich der alte Zwerg über seinen Bart, während das Schmiedefeuer, welches hinter ihm heruntergebrannt war einen flackernden Schein in das Zelt warf. „Das ist eine recht schwierige Forderung.", meinte er schließlich. „Für gewöhnlich trägt man solche Rüstungen nicht wenn man auf lange Reisen geht. Sie werden für gewöhnlich für den Drachen aufbewahrt und auf langen Reisen verzichten die meisten Drachen für gewöhnlich auf diese Ausrüstung."
Bei diesen Worten zuckte Karis nur mit den Schultern. Er wusste, warum es nötig war, dass Sereth mit der Rüstung in der Lage sein sollte lange Strecken zurückzulegen, aber sah keine Notwendigkeit den Zwerg in seine Pläne einzuweihen. Daher schwieg er und sah den Schmied lediglich ausdruckslos an, bis dieser schließlich resigniert mit den Schultern zuckte. „Na gut. Mir kann es ja egal sein, was ihr damit vorhabt. Dann würde ich allerdings eher eine Leichtmetalllegierung vorschlagen, anstelle des soliden Stahls, den ich sonst verwende. Das sollte den gewünschten Gewichtsverlust zur Folge haben. Aber dabei besteht die Gefahr, dass die Ausrüstung nicht so belastbar sein wird, wie herkömmliche Rüstungen." Eine leichte Besorgnis schwang bei diesen Worten in seiner Stimme mit. „Macht euch keine Sorgen.", entgegnete Karis und seine spitzen Zähne blitzten, als er freundlich lächelte. „Ich werde dafür sorgen, dass diese Rüstung genauso widerstandsfähig sein wird wie die Rüstung, die ihr für Schimmerschuppe hergestellt habt."
Solchermaßen beruhigt wandte sich Kvron an die zweite Abbildung in dem Buch die der Schattenläufer ihm genannt hatte. Dieses Mal brauchte er nicht solange um die abgebildete Rüstung zu studieren. Dennoch strich er sich auch diesmal wieder nachdenklich durch seinen Bart. „Bei dieser Rüstung soll ich ja nur die Rohform anfertigen, richtig?" Karis nickte. Der alte Zwerg erwiderte die Geste des Schattenläufers und griff mit fachmännischer Miene nach den Diamanten, die immer noch auf dem Tisch funkelten und verstaute sie wieder in dem Beutel, der immer noch neben ihnen auf dem Tisch lag. Mit plötzlich geschäftiger Miene trat er einen Schritt aus dem Zelt und meinte: „Dann sollten wir uns langsam an die Arbeit machen, nicht wahr."

Der Weiße SchattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt