5. Der Schattenläufer

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Einen Moment war der Schatten wie erstarrt als die Schwertklinge durch seine Brust brach, doch schon einen Moment später stieß er einen hohlen Schrei aus. Mit verzweifelten, ruckartigen Bewegungen versuchte er sich von dem Schwert zu schieben, aber Karis hatte nicht vor das zuzulassen. Er festigte seinen Griff um das Genick des ehemaligen Metzgers und bohrte das Schwert noch tiefer hinein bis die Parierstange von Zwielicht direkt am Rücken des Schattens auflag. Während die Gegenwehr seines Gegners immer mehr erlahmte nahm der geisterhafte Schrei den der Schatten ausstieß immer mehr an Lautstärke zu. Schließlich wurde er so durchdringend, dass Karis gezwungen war Zwielicht aus der Wunde des Schattens zu ziehen und ein paar Schritte zurückzutreten um seine Ohren zu schonen. Auch Eragon, der sich auf einmal wieder bewegen konnte hatte seine Ohren mit seinen Händen bedeckt um sein Gehör vor Schaden zu bewahren. Nachdem Karis sein Schwert aus dem Schatten gezogen hatte, glitt der Körper des Metzgers jedoch nicht zu Boden, stattdessen schwebte er an der Stelle an der Karis ihn durchbohrt hatte. Geisterhafte gelbe Blitze züngelten über die schwebende Gestalt und schienen sie in der Luft zu halten. Während der Klang den er von sich gab immer durchdringender wurde, begannen die Konturen des Schattens langsam zu verblassen. Auf den ersten Blick sah es so aus als würde der Umriss seines Kopfes verschwimmen, doch als Karis genauer hinsah, bemerkte er, dass sich lediglich die dämonische rote Farbe wie Rauch von seinen Haaren löste und eine natürliche dunkle Haarfarbe zurückließ. Gleichzeitig begann seine kränkliche totenbleiche Haut golden zu leuchten. Das sanfte Licht das aus dem Inneren des Metzgers kam schien die ursprüngliche Hautfarbe des Mannes zu stärken den nach und nach begann die ursprüngliche rosafarbene Färbung die Blässe zu vertreiben. Und als das Leuchten verschwunden war wiesen lediglich noch die dämonischen Augen auf den Geist hin der immer noch in dem Körper weilte. Gerade als Karis sich fragte ob er das Herz des Schattens möglicherweise verfehlt hatte, weil die gelben Augen nicht zu verschwinden schienen, flammte plötzlich ein goldenes Licht in ihnen auf. Das Leuchten das aus jeder Öffnung von Sloans Gesicht zu kommen schien war so grell, dass die beiden Drachenreiter für einen kurzen Moment die Augen schließen mussten. Als das Licht etwas blasser wurde, öffneten sie ihre Augen wieder und das erste was sowohl Eragon als auch Karis erblickten war Sloan wie er nachdem die Präsenz des Geistes ihn verlassen hatte auf die Knie sank und zu einer kleinen blassgoldenen Kugel aufblickte die über seinem Kopf schwebte. Einen Moment schien er etwas sagen zu wollen und auch der Geist der über seinem Gesicht in der Luft schwebte, leuchtete noch einmal auf. Doch dann schloss Sloan die Augen und bevor ein Laut über seine Lippen kommen konnte, glitt auf einmal ein Ausdruck des Friedens und der Erleichterung über seine Züge und er sank zu Boden. Wie ein sanftes Tuch legte sich der Glanz des Geistes über sein Antlitz als die goldene Lichtkugel noch einmal näher kam, fast als wollte er sich den Menschen den er für einen kurzen Zeitraum bewohnt hatte und der jetzt tot auf dem Boden der Höhle lag ansehen als er plötzlich ein weiteres Mal aufleuchtete und mit einem singendem Geräusch in der Wand verschwand. Für einen kurzen Moment beobachteten Karis und Eragon, der immer noch an der Stelle saß wo Ecros ihn gelähmt hatte, den flirrenden Glanz den der Geist bei der Durchquerung an der Wand hinterlassen hatte ehe sie gleichzeitig den Kopf drehten und einander musterten. Im selben Moment schoss ein Gedanke durch Karis Kopf. Es war zu ruhig. Seit dem Moment in dem er Sloan mit seinem Schwert aufgespießt hatte, hatte er nichts mehr von Ecros bemerkt. Mit geschärften Sinnen drehte er sich einmal um die eigene Achse und begutachtete die Schatten außerhalb des Lichtkreises der Fackeln. Doch er sah nichts. Auch Ecros erdrückende Aura, die er seit er auf diesem Berg angekommen war gespürt hatte war verschwunden. Karis fluchte. Das hätte er eigentlich kommen sehen müssen. In dem Moment indem Ecros klar geworden war, dass er alleine gegen zwei Reiter würde kämpfen müssen, hatte sich diese feige Madenbrut aus dem Staub gemacht. Er stieß einen enttäuschten Seufzer aus und wandte sich dem verletzten Reiter zu, der immer noch an der Stelle saß an der Sloan ihn verwundet war, und ihn misstrauisch beobachtete. Trotz des Misstrauens des jüngeren Reiters bemerkte Karis sofort, dass Eragon sehr erschöpft war. Das war nur zu verständlich. Nicht nur, dass er zusammen mit seinem Cousin gegen die Razac gekämpft hatte, die vermutlich von zahlreichen von Galbatorix Zaubern geschützt waren, Karis war sich auch sicher, dass der Schattentöter bevor er seine Drachendame zu den Varden zurückgeschickt hatte jede größere Verletzung die sie im Kampf gegen die Lethrblaka davongetragen hatte geheilt hatte. Dazu kam noch der Kampf gegen Ecros Bannzauber. Alles in allem war Karis durchaus beeindruckt als Saphiras Reiter sich auf die Füße stemmte um sich notfalls verteidigen zu können. Auch wenn diese Geste aufgrund des Messers, das immer noch in seinem Fuß steckte und ihm offensichtlich Höllenqualen bereitete, wenig Sinn machte. Doch als Karis einen Schritt auf ihn zutrat um ihm zu helfen hob er kampfbereit die Hände und Karis blieb abrupt stehen. Erst jetzt bemerkte er, dass er Zwielicht immer noch in seiner rechten Hand hielt. Aufgrund der Anspannung von Ecros plötzlichem Verschwinden war es ihm gar nicht aufgefallen, dass er sein Schwert noch gezogen hatte. Schnell schob er die Klinge zurück in die Scheide und hob seine Hände zum Zeichen, dass er unbewaffnet war. Da diese Geste aufgrund seiner spitzen Fingernägel an denen immer noch Sloans Blut klebte jedoch eher bedrohlich als beruhigend wirkte fügte er noch in der alten Sprache hinzu: „Ich will dir helfen. Ich bin kein Feind." Zweifelnd blickte Eragon ihn an. Er schien zu überlegen ob er seinen Worten trauen konnte, denn obwohl es nicht möglich war in der alten Sprache zu lügen, ließ die Formulierung die Karis gewählt hatte doch einen gewissen Interpretationsraum. Karis konnte sich denken warum der andere Reiter trotz der Tatsache, dass er ihm das Leben gerettet hatte so misstrauisch reagierte. Karis war nicht gerade eine vertrauenswürdige Erscheinung. Dessen war er sich nur zu bewusst. Aufgrund seines Äußeren, das zur Zeit des alten Ordens noch wesentlich unmenschlicher gewesen war, war er schon damals oft mit den alten Drachenreitern und den Elfen die ihn für einen Schatten, der den Geist eines Drachen unterworfen hatte, gehalten hatten, aneinandergeraten. Selbst jetzt noch, nachdem er seit 100 Jahren mit seinem Seelengefährten Sereth verbunden war und die dementsprechenden Veränderungen durchlaufen hatte, die eine solche Verbindung mit einem Drachen zur Folge hatte, war sein Äußeres seiner Meinung nach immer noch unheimlich. Seine schwarze Augen hatten einen stechenden Ausdruck, seine Klauen waren so scharf, dass er schon aufpassen musste, dass er jemandem beim Händeschütteln nicht aus Versehen die Haut aufschlitzte und seine Zähne liefen so spitz zu, dass er damit selbst die zähe Haut eines Urgals durchdringen konnte. Und das waren nur die körperlichen Veränderungen die man sehen konnte. Dazu kam noch seine Vorliebe für dunkle Kleidung, wie seinen schwarzen Mantel mit weiten Ärmeln, den er wie in fast jeder Schlacht auch jetzt wieder trug. In den dunklen Stoff des Kleidungsstücks waren Metallfäden eingesponnen und Zauber verwebt die die Reißfestigkeit des Mantels deutlich erhöhten. Dadurch schützte dieser Mantel seinen Träger ebenso gut wie eine Rüstung und war aufgrund seiner Leichtigkeit und der vielen Taschen in denen Karis Wurfgeschosse, versteckte Waffen und Artefakte aufbewahren konnte wesentlich praktischer. Während all dies Karis durch den Kopf ging schien der jüngere Reiter zu einer Entscheidung gekommen zu sein, denn er senkte die kampfbereiten Hände und fragte: „ Wer bist du?" Karis zog die weiße Kapuze, die bis eben noch seine grauen Haare und seine spitzen Ohren verdeckt hatte, vom Kopf und lächelte Eragon leicht an. „Ich bin Karis. Karis Schattenläufer!"

Der Weiße SchattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt