Zufrieden beobachtete Karis die Schwertübungen seines Schülers. Geschmeidig blockte er eines der drei silbernen Schwerter, die um ihn herumschwirrten ab, während er gleichzeitig mit einer beiläufigen Bewegung, einer anderen Klinge auswich, die versucht hatte, ihn an der Hüfte zu erwischen. Stolz erfüllte den Schattenläufer, während er die ruhigen und sicheren Bewegungen seines Schülers beobachtete. Zwei Monate waren seit der Geisterbeschwörung vergangen und Murtagh hatte gelernt die Windvision, wie Karis sein erweitertes Gespür für seine Umgebung nannte, perfekt zu nutzen. Diese Fähigkeit unterschied sich insoweit von Karis Astralauge, als das Dorns Reiter nicht in der Lage war, magische Energien wahrzunehmen. Stattdessen nahm er mit allen seinen Sinnen, die körperliche Welt um sich herum in einem Ausmaß war, welches nicht in Worte zu fassen war. Er konnte perfekt beschreiben, was jedes noch so kleine Objekt in einem Umkreis von mehreren Metern um ihn herum gerade tat.
Diese Form der Wahrnehmung, übertraf selbst die feinen Sinne der Elfen. Zur Überraschung des Schattenläufers, war es seinem Schüler dadurch sogar möglich gewesen. eine Kampftechnik zu entwickeln, durch die er einem Wesen mit Magie in den Adern ebenbürtig war. Er nutzte seine Windvision, um jeden noch so kleinen Muskel seines Gegners zu studieren. Dadurch wusste er schon einige Sekunden im Voraus, wie sein Gegner sich bewegen würde. Das verschaffte ihm einen kleinen Vorsprung, der es ihm ermöglichte, mit einem deutlich schnelleren Gegner Schritt zu halten und mit der richtigen Schwerttechnik war es ihm auch möglich die größere Kraft seines Gegners zu parieren. Allerdings war die Entwicklung dieser Technik sehr beschwerlich gewesen.
Immer wieder war es vorgekommen, dass Murtagh ein Muskelzucken des Schattenläufers falsch interpretiert hatte, sodass er sich zwar rechtzeitig, aber in die völlig falsche Richtung bewegt hatte. Diesen Fehler seinen Schülers hatte Karis behoben, indem er Murtagh detaillierten Unterricht über den Aufbau und die Struktur von organischem Gewebe gegeben hatte. Er selbst verfügte, aufgrund der vielen Experimente seines ehemaligen Lehrmeisters, denen er gegen seinen Willen hatte beiwohnen müssen, über fundiertes Wissen in diesem Fachbereich.
Der Schattenelf, hatte detaillierte Informationen über jeden noch so kleinen Muskelstrang gesammelt, um die maximale Leistungsmöglichkeiten seiner Chimären auszuschöpfen und dieses Wissen auch seinem unfreiwilligen Schüler übermittelt.
Dieser Teil des Unterrichts war zum Glück für die beiden Drachenreiter recht schnell vonstattengegangen, da es für den jüngeren Drachenreiter, durch seine neue Fähigkeit relativ einfach gewesen war, den anatomischen Aufbau verschiedener Lebewesen zu studieren. Beim Studium dieses Wissens waren Dorns Reiter auch verschiedene anatomische Merkmale aufgefallen, die ihn sehr überrascht hatten. Verwundert hatte er festgestellt, dass es bei nahezu jedem Lebewesen bestimmte Schwachpunkte in der organischen Struktur gab, die man mit einem einfachen Befehl in der alten Sprache attackieren konnte und dadurch eine beträchtlichen Einfluss auf den Körper nehmen konnte.
Selbst am Leib seines geschuppten Seelengefährten, gab es diese Angriffspunkte, mit denen man ihn mittels minimaler Krafteinwirkung hilflos machen konnte. Der rote Drache hatte dieser Erkenntniss seines Reiters erst sehr skeptisch gegenüber gestanden, bis Murtagh ihm mittels eines simplen Befehls in der alten Sprache die Flügel gelähmt hatte. Auch wenn Dorn von dieser Erfahrung nicht gerade begeistert gewesen war, so hatte sein Stolz auf seines Seelengefährten diese Verletzung seines Egos doch mehr als überwogen. Und als die beiden diese Erfahrung ihrem Lehrmeister mitgeteilt hatten, hatte Karis genickt.
Er verfügte ebenfalls über dieses Wissen. Das war teil, des Grundwissens gewesen, dass Ecros ihm vermittelt hatte, für den Fall, dass er einmal einen Drachen und seinen Reiter möglichst unbeschadet gefangen nehmen sollte. Doch einige der Angriffspunkte, die sein Schüler durch seine neue Fähigkeit entdeckt hatte, waren selbst für den älteren Drachenreiter eine Überraschung gewesen. Zusammen hatten die beiden Reiter eine Reihe von Zaubern entwickelt, die in der Lage waren, einen Gegner mit wenig Schmerzen außer Gefecht zu setzen. Ähnlich wie die zwölf Todesworte, erforderten auch diese Zauber nur einen sehr geringen Kraftaufwand.
Eine Entdeckung, auf die die beiden Reiter sehr stolz waren.Nachdem es Murtagh gelungen war, die Muskeln und Adern seines Gegners richtig zu lesen und seine Angriffe dadurch, bis zu einem gewissen Grad, vorherzusehen, war das nächste Problem die richtige Einschätzung der Stärke seines Gegners gewesen. Oftmals hatte er die Schläge seines Gegners falsch beurteilt, wodurch der Schattenläufer ihn bei dem Versuch seine Angriffe zu blocken einfach zu Boden gedrückt hatte. Doch auch dieses Problem hatte intensives Training rasch bereinigt. Inzwischen hatte Karis Schüler eine geschmeidige und tödliche Kampftechnik entwickelt, die der seines Lehrmeisters kaum noch nach stand. Zwar war Karis immer noch deutlich stärker und schneller, doch sein Schüler hatte inzwischen gelernt, diese Nachteile durch raffinierte Technik und Präzision auszugleichen, sodass die beiden Reiter sich oft stundenlange Übungskämpfe lieferten, aus denen sie inzwischen beiden blaue Flecke davontrugen.
Auch die alte Sprache war in der Ausbildung nicht zu kurz gekommen. Wie Karis bei der ersten Befragung seines Schülers festgestellt hatte, hatte der Drachenmörder sich nicht lange mit der Grammatik und den einzelnen Vokabeln aufgehalten und seinem unfreiwilligen Schüler stattdessen von Anfang an, lediglich einzelne Worte und Zauber beigebracht, die ihm während Kampfhandlungen dienlich sein sollten. Aber für die feineren Anwendungen der Magie hatte er anscheinend keine Verwendung gehabt.
Diesen Mangel hatte Karis sich bemüht auszugleichen. Inzwischen sprach Murtagh die alte Sprache fließend. Zwar war sein Akzent noch immer deutlich herauszuhören, doch es war ihm möglich, sich zu unterhalten, ohne bei jedem dritten Wort ins Stocken zu kommen.
Auch Dorns Ausbildung hatte rasante Fortschritte gemacht. Ebenso wie sein älterer Artgenosse, war der rote Drache keine geborener Flieger, wie Saphira. Seine Stärke lag eindeutig in seiner Kraft und Ausdauer. Sereth hatte ihn gelehrt, wie er diese Fähigkeiten nutzen konnte um seinen, im Vergleich zu Schimmerschuppe, etwas unbeholfenen Flug, auszugleichen. Zunächst hatte er ihm beigebracht, sein Feuer nicht nur als Mittel zur Zerstörung anzusehen. Die meisten Gegner, denen er in nächster Zeit gegenüberstehen würde, besaßen vermutlich einen Schutzzauber gegen seine Flammen. Doch sie konnten auch einem anderen Zweck dienen.
Wenn er zum Beispiel gegen einen fliegenden Gegner antreten müsste, der von einem solchen Schutzzauber umgeben war, konnte er mit seinen Flammen auf dessen Kopf zielen um ihn zu blenden. Dadurch würde sein Gegner für eine gewisse Zeit die Orientierung verlieren und er konnte ihn hart treffen, ohne dass dieser die Möglichkeit besaß, sich zu verteidigen.
Zudem lehrte er ihn verschiedene Flugmanöver, die es ihm ermöglichten, im Kampf auch mit einem wendigeren und beweglicheren Gegner fertig zu werden.
Dabei fiel dem Schattenläufer und seinem schuppigen Gefährten auf, dass der rote Drache ebenso wie sein Reiter in einer atemberaubenden Geschwindigkeit lernte. Es kam Karis so vor, als ob die Bewusstseinserweiterung, der die Geister sie unterzogen hatten, auch einen positiven Effekt auf ihr Gedächtnis zu haben schien. Die beiden Schüler saugten Wissen auf, wie Schwämme. Bei nahezu keinem Teil des Lehrstoffs mussten die beiden bei Karis und Sereth nachfragen, weil sie es instinktiv verstanden.
Dadurch hatte sich auch die Lücke, die der Verlust der Eldunari im Selbstvertrauen seiner Schülers hinterlassen hatte, schnell geschlossen. Eine Entwicklung, die den Schattenläufer sehr erleichtert hatte. Er hatte schon befürchtet, dass der ehemalige Sklave, dem Verlust der einstigen Quelle seiner Kraft hinterher trauern würde. Doch diese Sorgen waren zum Glück unbegründet geblieben.
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Der Weiße Schatten
FanfictionEin weißer Drache und sein Reiter retten Eragon am Helgrind das Leben und helfen ihm zurück zu den Varden zu gelangen. Doch über ihre Vergangenheit hüllen sich die beiden in Schweigen und auch ihre Fähigkeiten geben den Varden und ihren Verbündeten...