Gelangweilt lag Karis in seinem Zelt und blickte an die nachtblaue Decke. Es waren jetzt zwei Tage, nachdem Eragon Schattentöter in Begleitung des Anführers der Urgals, Nar Garzhvog zu den Zwergen abgereist war und der ältere Reiter hatte nichts zu tun. Zurzeit befanden sich die Varden in gewisser Hinsicht in der Schwebe. Galbatorix Reiter war gerade eben erst besiegt worden und ohne ihn, wäre es töricht vom König, wenn er einen direkten Angriff auf die Varden starten würde, vor allem nach den Verlusten die sein Heer auf den brennenden Steppen erlitten hatte. Deshalb hatte er seine Armee aufgeteilt und in die einzelnen Städte geschickt um die dortige Verteidigung zu stärken und es den Varden so schwer wie möglich zu machen nach Uru baen zu gelangen. Aber das bedeutete auch, dass die Varden bis sie zu einer der Städte gelangten nicht viel zu tun hatten. Zwar gab es für die einfachen Mitglieder des Heeres genug Arbeit, doch Karis hatte bis jetzt einfach noch nicht die richtige Aufgabe für sich gefunden.
Darum lag der Schattenläufer jetzt frustriert in seinem Zelt und dachte nach. Er war sich nur zu genau darüber im Klaren, dass sie nur über ein begrenztes Zeitfenster verfügten. Sobald die Varden in der Lage wären, mit den Chimären auch ohne ihn fertig zu werden, wollten er und Sereth sich auf den Weg nach Gil ead machen um dort den von Galbatorix versklavten Reiter gefangen zu nehmen. Doch dafür müssten sie wissen, wann der Reiter des roten Drachen in der Stadt erscheinen würde.
Genervt schlug Karis sich gegen die Stirn. So kam er nicht weiter. Seine Überlegungen drehten sich immer im Kreis. Um Murtagh und Dorn eine Falle zu stellen, war präzise Planung nötig. Dazu benötigten sie aber den Zeitpunkt, wann die beiden sich auf den Weg nach Gil ead machten, damit sie dort abfangen könnten, bevor sie auf die Elfen trafen. Aber wie sollten sie diesen erfahren. Sie hatten keine Möglichkeit herauszufinden, wann Galbatorix mächtigster Diener Uru baen verließ.
Und Nasuada nach Erkenntnissen ihrer Spione zu fragen, wäre unklug. Die Anführerin der Varden war nicht auf den Kopf gefallen und würde bestimmt nachfragen, warum sich Karis so für den Aufenthaltsort des versklavten Reiters interessierte. Und mit seinem Plan die Varden zu verlassen, während Eragon ebenfalls nicht anwesend war, wäre sie bestimmt nicht einverstanden. Karis war zwar nicht auf ihre Erlaubnis angewiesen, aber auf eine Auseinandersetzung mit einer Verbündeten wollte er es zum jetzigen Zeitpunkt auch nicht anlegen.
Mit einem Ruck richtete Karis sich auf und schüttelte ein paar Mal den Kopf, um seine Gedanken zu klären. Es reichte. Er hatte genug von den unfertigen Ideen, die ihm wie wütende Hornissen im Kopf herumsirrten. Und sein Seelengefährte war auch nicht anwesend, um ihm wie sonst üblich aus seinen frustrierenden Überlegungen zu reißen. Seit der Schattentöter vor zwei Tagen die Varden verlassen hatte, verbrachte der weiße Drache jede freie Minute mit seiner blau schillernden Artgenossin. Angeblich um sie von der Abwesenheit ihres Reiters abzulenken, aber sein Reiter wusste es besser. Auch jetzt wieder spürte er flüchtig wie die Gefühle in seinem Freund aufwallten, als er neben Saphira durch die Luft flog.
Schmunzelnd betrachtete er das Gefühlsleben seines Drachen für kurze Zeit, ehe er seine Aufmerksamkeit wieder auf seine Umgebung richtete. Wenn Sereth jetzt die Freiheit außerhalb des Lagers genoss, hatte er auch keine Lust mehr nur in seinem Zelt herumzusitzen. Mit einer geschmeidigen Bewegung erhob er sich und blickte kurz an sich herunter. Sein Oberkörper war frei, da er seinen Mantel sowie sein Wams ausgezogen hatte, nachdem er sich in sein Zelt begeben hatte, sodass nur sein Drachenamulett auf seiner muskulösen, mit zahlreichen Narben übersäten Brust lag. Einen Moment lang verlor er sich in den Erinnerungen, die der Anblick der verschiedenen Spuren brutaler Gewalteinwirkung, immer in ihm hervorrief, ehe er sich ein schwarzes Wams überstreifte und die Spuren seiner Vergangenheit darunter verbarg. Einer plötzlichen Eingebung folgend, verbarg er seine elfischen Merkmale mit einem flüchtigen Zauber, ehe er mit einer einfachen Weste über seinem Hemd das Zelt verließ.
Außerhalb seiner Behausung holte er erst einmal tief Luft und sah sich um. Die Elfengarde, die nach Eragons Abreise hauptsächlich für den Schutz von Saphira zuständig war, stand in einiger Entfernung am Rand des Lagerplatzes der Drachen und übte sich im Schwertkampf. Karis verfolgte eine Weile ihre raubtierhafte Anmut beim Training und wie ihre Schwerter in der Sonne funkelten wie zerstoßenes Eis, ehe er den Platz verließ. Dabei verhielt er sich mit Absicht betont unauffällig. Zwar hatte er das Angebot der Elfengarde, nachdem sich der Schattentöter nach Farthen Dur aufgemacht hatte, ihm ebenfalls als Leibgarde zu dienen, abgelehnt, doch war er sich nur zu bewusst, dass manche der Elfen es aufgrund ihrer Verehrung der Drachen, dennoch möglicherweise als ihre Pflicht ansehen könnten, ihn zu begleiten. Und auf dem Interesse, das eine solche Begleitung mit sich bringen würde, hatte er derzeit keine Lust. Er wollte sich einmal unter das Volk der Varden mischen um zu erfahren, was die einfachen Soldaten von ihm und seinem Seelengefährten hielten.
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Der Weiße Schatten
FanfictionEin weißer Drache und sein Reiter retten Eragon am Helgrind das Leben und helfen ihm zurück zu den Varden zu gelangen. Doch über ihre Vergangenheit hüllen sich die beiden in Schweigen und auch ihre Fähigkeiten geben den Varden und ihren Verbündeten...