Mit einem schmatzenden Geräusch zog Murtagh die blutrote Klinge seines Schwertes aus dem Schädel einer weiteren Chimäre. Er hatte den Überblick verloren, wie viele er inzwischen getötet hatte. Es war alles so weit gut verlaufen. Nachdem sie sich von den anderen Elfen getrennte hatten, war es ihm und Bloedhgarm möglich gewesen, relativ unbemerkt an einigen größeren Ansammlungen von Chimären vorbei zu schleichen und sich der Festung unbemerkt zu nähern. Doch gerade als der Schatten der Festungsmauer auf sie fiel, war ihre Glückssträhne vorbei.
Eine Wolfschimäre, so groß wie ein Pferd, die auf den Zinnen Wache gehalten hatte, hatte sie erspäht und sofort zu heulen angefangen.
Innerhalb von Sekunden waren die beiden von dutzenden Ungeheuern umringt gewesen, die besser in Albträume, als auf die Straßen Belatonas gepasst hätten.
Geschmeidig blockte Dorns Reiter den Schlag einer Chimäre ab, nur um gleich darauf herumzuwirbeln und knapp einem Angriff zu entgehen, der auf sein Knie gezielt hatte. Diese Kreaturen griffen aus allen Richtungen an. Der Wolfkatzenelf, der ihn begleitete hatte, hatte ähnliche Probleme. Zwar war er schneller und stärker, als Murtagh aber auch er kam langsam an die Grenzen seiner körperlichen Belastungsfähigkeit.
Außerdem verfügte er nicht über dessen Fähigkeit die Angriffe seiner Gegner vorherzusehen. Deshalb musste er deutlich mehr Mühe aufwenden um den hinterhältigen Angriffen der Ungetüme zu entgehen.
Inzwischen kämpften der Elf und der Drachenreiter Rücken an Rücken und versuchten sich der schieren Übermacht zu erwehren. Mehr als ein Dutzend erschlagene Kreaturen lagen inzwischen zu ihren Füßen, doch immer strömten Weitere aus den Gassen der Stadt hervor. Siedend heißer Schmerz durchfuhr Murtaghs Arm, als eine der Chimären ihn am Arm erwischte und er konnte Dorn über sich am Himmel brüllen hören, als dieser die Verletzung seines Reiters spürte. Beinahe hätte Murtagh seine Waffe fallen gelassen, doch im letzten Moment festigte er seinen Griff um das Schwert und trieb es der Chimäre, die ihn verwundet hatte durch den Schlund. Ein ersticktes Jaulen entkam noch ihrer Kehle, bevor sie tot zu Boden fiel. Mit einem Grummeln heilte er schnell seine Wunde, während Bloedhgarm ihm kurz Deckung gab. Doch auch der Elfenmagier war inzwischen erschöpft. Beide hatten inzwischen Wunden davongetragen, die zwar oberflächlich und leicht zu heilen waren, aber dennoch hatten ihren Tribut gefordert hatten.
Ihre Bewegungen wurden träger, ihre Koordination fehlerhafter, während es für sie immer mühseliger wurde sich Ecros Schöpfungen vom Hals zu halten. Und gerade als Murtagh eine der Kreaturen zurückschlug, sichelte ihm eine andere mit ihrem langen echsenartigen Schwanz die Beine weg, sodass er zu Boden stürzte. Hart schlug er auf dem Körper einer der Chimären auf, die er gerade erschlagen hatte, nur um gleich darauf zwischen dem toten Körper und dem einer lebenden Chimäre eingekeilt zu werden.
Lange gelbe Zähne zielten auf sein Gesicht ab und Murtagh, der bei dem Sturz sein Schwert verloren hatte, hatte beträchtliche Mühe sich die Kreatur vom Leib zu halten. Mit beiden Händen hielt er ihren Kiefer fest und hinderte sie so daran sich in sein Gesicht zu verbeißen. Sein Kampfgefährte versuchte zu ihm zu gelangen, doch auch er geriet immer mehr in Bedrängnis. Von allen Seiten stürzten die Kreaturen, auf sie zu. Welle um Welle schlug der Wolfkatzenelf zurück und zog die blanke Klinge seines Schwertes durch Körper und Schädel bei dem Versuch zu dem jungen Reiter zu gelangen, für dessen Schutz er verantwortlich war. Doch egal wie viele der missgebildeten Ungetüme er auch erschlug, sofort erschien ein weiteres um den Platz des getöteten Ungeheuers einzunehmen.
Er kam nicht von der Stelle. Es war als ob er versuchte mit bloßen Händen einen reißenden Strom aufzuhalten. Alles was er tun konnte, war zuzusehen, wie der junge Drachenreiter die Kreatur mit bloßen Händen fernhielt.
Gerade als er zu dem Schluss kam, das Risiko einzugehen einen Zauber zu wirken, trotz der Tatsache, dass er nicht wusste über welche Arten von Schutzzaubern diese Kreaturen verfügten und er keine Möglichkeit hatte, das auf die Schnelle herauszufinden, sauste plötzlich ein roter Streif an ihm vorbei.
Eine Katze, deutlich größer als gewöhnlich, mit einem Fell, das in der Farbe lodernder Flammen glühte, stürzte sich auf die Chimäre, die Dorns Reiter am Boden festhielt. Mit unnatürlicher Präzision, sprang sie ihr ins Genick und schlug ihre blitzenden Reißzähne in den dicken Nacken der Kreatur. Ecros Schöpfung ließ von ihrem Opfer ab und versuchte verzweifelt ihren Angreifer abzuschütteln, doch es gelang ihr nicht und ihre Bewegungen wurden zusehends matter, bis sie zusammenbrach.
Der Funke des Lebens erlosch in ihren Augen, als sie auf dem Boden aufschlug und die Katze von ihr heruntersprang.
Gleichzeitig ertönte aus den Reihen der Chimären, die den Reiter und den Wolfkatzenelf umringt hatten ein schmerzertöntes Jaulen. Nachdem sich Bloedhgarm davon überzeugt hatte, dass seinem Kampfgefährten nichts fehlte, richtete er seinen Blick auf die Reihen ihrer Feinde, die unter einem Angriff aus unerwarteter Richtung ächzten. Über hundert Katzen, alle so groß, wie die die Murtagh das Leben gerettet hatte, stürzten sich auf Ecros Schöpfungen. Trotz ihrer geringeren Größe griffen sie ihre Feinde mit einer Wildheit an, die ihresgleichen suchte.
Atemlos beobachteten der Wolfkatzenelf und der Drachenreiter, wie zwei der Katzen furchtlos auf den Rücken einer Nagra-Chimäre kletterten. Ohne zu zögern schlitzen sie ihrem Opfer die Kehle auf, bevor sie sich wieder flink davon machten.
Nach kürzester Zeit hatten ihre unerwarteten Retter, die Chimären getötet und bildeten jetzt einen losen Kreis um Murtagh, Bloedhgarm und die flammenfarbene Katze die zuerst erschienen war. „Ihr seid Werkatzen, nicht wahr?", unterbrach der Elfenmagier schließlich die Stille, als die Katzen sie nur stumm anstarrten, während ihre Augen im Licht der Sonne blitzten. Ein belustigtes Schnurren wogte durch die Reihen der pelzigen Körper, bis es von einem Fauchen unterbrochen wurde. Die Katze, die zusammen mit ihnen im Kreis stand senkte zustimmend den Kopf. „Ihr habt Recht, Elf." Der feuerfarbene Werkater funkelte ihn aus smaragdgrünen Augen an. „Ich bin Flammwyn. Einer der Stammesführer der Werkatzen."
Ehrerbietig senkte Bloedhgarm den Kopf. Auch Murtagh, der inzwischen wieder auf die Beine gekommen war, senkte ehrfürchtig den Kopf. Werkatzen bewegten sich in den Legenden Alagaesias immer am Rand der Geschichte. Sie waren Wegweiser, Berater und mystische Gestalten, die von den meisten Menschen unbemerkt, die Geschehnisse des Landes beeinflussten.
Schon allein das war ein Grund einen gewissen Respekt vor ihnen zu haben.
Außerdem hatte er gerade aus nächster Nähe gesehen, zu was die Krieger dieses Volkes imstande waren und er legte keinen Wert darauf zu erfahren, wie tief ihre Krallen wirklich schnitten. Auch Karis hatte ihm gegenüber mehrfach erwähnt, dass er lieber in einem unbewaffneten Zweikampf gegen einen Kull antrat, als gegen eine Werkatze kämpfen zu müssen. Sie besaßen die Wildheit einer Chimäre aber im Gegensatz zu Ecros stumpfen Geschöpfen, verfügten sie noch über eine messerscharfe Intelligenz, was eine todbringende Kombination war.
Einer von ihnen unbewaffnet und ohne seine Magie gegenübertreten zu müssen, war etwas das er nur ungern wiederholen würde. Auf Murtaghs neugierige Frage, nach dem ersten Mal, als er das gemacht hatte, hatte Sereth amüsiert gehüstelt, was von seinem Reiter mit einem bösen Blick quittiert worden war. Aber zur Enttäuschung ihres Schülers war keiner von beiden näher auf seine Frage eingegangen.
„Wir sind hier um den Varden in ihrem Kampf zur Seite zu stehen." Die Gedankenstimme der Werkatze riss Murtagh aus seinen Überlegungen. Noch immer beobachteten die pelzigen Krieger jede ihrer Bewegungen, doch jetzt bedeutete Flammwyn ihnen mit einem Schwanzzucken sich aufzulösen. So schnell, dass Dorns Reiter selbst mit seiner Windvision kaum mithalten konnte, sprangen sie über Trümmer und wuselten Hauswände hinauf, bis sie verschwunden waren. „Meine Krieger werden sich den Gehörnten und euren elfischen Verbündeten anschließen, die gerade am Haupttor auf heftigen Widerstand gestoßen sind. Ich werde bei euch bleiben." Die Stimme klang so entschieden, dass keiner von ihnen Einspruch erhob oder Fragen stellte. Dazu war im Moment ohnehin keine Zeit.
Noch immer ragte die Festungsmauer düster über ihnen auf und es war nur eine Frage der Zeit, bis eine weitere Chimäre sie erblickte und neue Verstärkung heranstürmte. Der einzige Grund, warum das bis jetzt noch nicht geschehen war, war vermutlich der Tatsache geschuldet, dass die Gehörnten inzwischen beinahe am Haupttor angelangt waren und der Schattenelf den Großteil seiner Streitkräfte dort gesammelt hatte.
Nun zu dritt, rannte die kleine Gruppe an der Festungsmauer entlang. Immer wieder entkamen sie nur knapp einem Überraschungsangriff. Und nicht nur einmal stürzte Flammwyn plötzlich vor um einer versteckten Chimäre an die Kehle zu springen. Dabei bewegte er sich trotz seines feuerroten Fells, flink wie ein Schatten. So schnell und unauffällig, dass seinen beiden Begleitern meist erst etwas auffiel, wenn er mit blutbefleckten Schnurrhaaren und Krallen wieder vor ihnen stand. Plötzlich blieb Murtagh stehen. Er hatte unbewusst, die ganze Zeit über seine Windvision genutzt um seine Umgebung im Auge zu behalten und gerade, als er dazu ansetzte seinen Verbündeten in eine kleine Gasse zu folgen, spürte er etwas.
Eine Präsenz, mit der er die letzten Wochen über sehr vertraut geworden war. Ruckartig hob er den Kopf und blickte zu den Zinnen der Mauer über ihnen hinauf. Obwohl er dort oben mit seinen Augen nichts erkennen konnte, verriet ihm sein zusätzlicher Sinn ganz deutlich, dass sich jemand dort oben befand. Jemand, dessen körperliche Charakteristika nicht zu verwechseln waren.
Seine beiden Begleiter waren inzwischen stehen geblieben und warfen ihm fragende Blicke zu. „Wir müssen weiter.", drängte Bloedhgarm, doch Murtagh beachtete ihn nicht. Stattdessen trat er einige Schritte auf die Mauer zu, bis er direkt davor stand und legte die rechte Hand auf die kalten Steine. Ohne seine beiden Gefährten zu beachten, die ihn verwundert ansahen, sandte er vorsichtig seinen Geist aus.
Anfangs spürte er nur die Stärke und die Stabilität des Steins, die sich beinahe nahtlos in die Mauer fügten, doch als seine Gedanken langsam weiter nach oben wanderten, bemerkte er Ritzen und Fugen, die bei ausreichendem Druck auf die richtige Stelle eine beträchtliche Schwachstelle darstellen konnten. Vermutlich hatte der Baumeister einfach an den falschen Stellen gespart, als er diesen Schutzwall errichtet hatte.
Noch vor wenigen Sekunden hätte ihn dieses Wissen in Aufregung versetzt, doch die Präsenz, die er über ihnen auf den Zinnen gespürt hatte, hatte seinem Verlangen hinter die Festungsmauern zu gelangen einen Dämpfer versetzt. Schließlich erreichte sein Geist die Person, die ihm aufgefallen war. Zur Vorsicht untersuchte er zunächst die körperlichen Merkmale seines Ziels bevor er in Gedanken, Kontakt zu ihm aufnahm. Nicht dass er aufgrund der Entfernung einen Fehler gemacht hatte und einem Feind seinen Geist offenbarte.
Doch die körperlichen Strukturen waren unverwechselbar. Muskeln, die trotz ihrer Größe selbst mit den Kraftpaketen eines Kulls mithalten konnten und zudem, anders als bei den Gehörnten so strukturiert waren, dass sie auch die Geschwindigkeit ihres Besitzers deutlich erhöhten. Knochen hart wie Stein, aber wesentlich belastbarer und am aller deutlichsten das schwarze Blut, das nahezu jedes Gift, dass in seinen Körper eindrang mühelos neutralisierte. „Karis!", rief der junge Drachenreiter gleichzeitig mit seinem Körper und seinem Geist. Überrascht folgten Bloedhgarm und Flammwyn seinem Blick und jetzt sahen auch sie die Gestalt, die sich dunkel auf den Zinnen abzeichnete. Obwohl sich der Wolfkatzenelf aufgrund der Disziplin des schönen Volkes nichts anmerken ließ, konnte Murtagh doch erkennen, dass das unerwartete Auftauchen des Schattenläufers ihn überrascht hatte.
Die Reaktion der Werkatze war deutlicher. Er stieß ein amüsiertes Schnurren aus. „Ich hätte mir denken können, dass er sich nicht für einen längeren Zeitraum gefangenhalten lässt."
Währenddessen hatte Murtagh sich in Gedanken mit Karis unterhalten und blickte jetzt kurz zu dem Elfenmagier, der die beiden Reiter nicht aus den Augen gelassen hatte. „Er will springen.", erklärte Dorns Reiter kurz angebunden, während ein schwaches Lächeln um seine Lippen spielte. „Er sagt, dass er Ecros Gastfreundschaft leid ist und wir ihn bitte mit Magie fangen sollen, da seine Fähigkeiten noch bis zu einem gewissen Grad durch magieunterdrückende Drogen blockiert werden." „Verstehe." Kurz zuckte der Wolfkatzenelf zusammen, als ein länglicher Gegenstand herabsauste und sich wenige Schritte von ihm entfernt in den Boden bohrte. Auf den zweiten Blick erkannte er Zwielicht, welches beinahe bis zum Griff im Erdboden steckte.
Kurz wechselten die Drei einen Blick, bevor sie sich dazu entschlossen das nicht weiter zu beachten. Anscheinend war es Karis gelungen sich sein Schwert zurückzuholen, aber er hatte wohl keine Hand frei um damit die Mauer hinab zu springen. Entschlossen gingen der Drachenreiter und der Elfenmagier in Position, bevor Murtagh dem Schattenläufer, der inzwischen auf den Zinnen stand, ein Signal gab. Während er sowohl mit der rechten, als auch mit der linken Hand etwas über seinen Schultern festhielt, was ihm das Aussehen eines merkwürdigen Vogels gab, tat er einen Schritt in die Luft und stürzte herab. So schnell, dass Murtagh und Bloedhgarm beinahe nicht mit dem Zauber hinterherkamen. Knapp über dem Boden bremsten sie gerade noch seinen Sturz ab und ließen ihn sanft auf den Füßen ankommen.
Doch gerade als er seine Füße den Boden berührten erblickte sein Schüler etwas, dass ihn beinahe die Kontrolle über seinen Zauber verlieren ließ. Auf Karis Schulter saß ein blauweiß schillerndes Drachenmädchen und blickte sich neugierig um. Der Blick ihrer dunklen Augen schwenkte über die kleine Gruppe und Sereths Reiter strich ihr sanft über den Rücken, als er ihre Aufregung spürte. „Wie es scheint, ist während eurer Gefangenschaft eine Menge geschehen, Schattenläufer.", bemerkte Bloedhgarm, der ebenso wie Murtagh das Drachenküken musterte. Sie stieß ein schwaches Fiepen aus, als Karis zustimmend nickte. „Ja, Ecros war so nett, die beiden Eier in demselben Raum zu lassen, wie mich." Bedeutungsvoll hob er die Schultern und wies damit auf das zweite Drachenei, welches er in einem kleinen Beutel bei sich trug. „In der Hoffnung, dass meine Anwesenheit beruhigend genug auf die beiden wirkt, dass sie schlüpfen würden."
Das Gesicht des Wolfkatzenelfen verfinsterte sich bei dem Gedanken was der Schattenelf damit hatte bezwecken wollen. Da er, wie die meisten Mitglieder seines Volkes, sehr drachenliebend war, ließ ihn der Gedanke was der Ecros mit den beiden Jungdrachen angestellt hatte, würgen. Alle Selbstkontrolle des schönen Volkes konnte nicht verhindern, dass sich ihm bei dem Gedanken, was dem kleinen Wesen beinahe widerfahren wäre, sämtliche Nackenhaare aufstellten. Und ihm war nur zu bewusst, dass der Schattenläufer, der aus erster Hand wusste, zu was sein alter Lehrmeister in der Lage war, ebenso fühlte. Daher war er mehr als nur ein wenig überrascht, als der Reiter des weißen Drachen ihm ohne viele Worte sowohl das Drachenmädchen, als auch den Beutel mit dem übrigen Ei reichte. Nur mit Mühe gelang es ihm die emotionslose Maske des schönen Volkes auf seine Züge zu zwingen. Glücklicherweise erleichterte sein mit Fell bedecktes Gesicht die Angelegenheit, jedoch etwas.
„Beschütz die beiden und bring sie so schnell du kannst aus der Stadt."
Überrumpelt blickte er zwischen dem Schattenläufer, der gerade mit etwas Mühe, sein Schwert aus dem Boden zog und dem Drachenmädchen in seinen Armen, das ihn neugierig musterte, hin und her. „Seid ihr euch sicher, dass ihr sie mir anvertrauen wollt?" Inzwischen war die Lebensgeschichte des Schattenläufers auch den Mitgliedern der Elfengarde bekannt. Zwar hatte die Elfenkönigin beschlossen ihrem Volk vorerst nichts davon zu berichten, aber da die von ihr zu den Varden gesandten Magier am meisten mit ihm zu tun haben würden, hatte sie es für notwendig erachtet ihnen davon zu berichten. Das Ergebnis war erschütternd gewesen. Mehrere von ihnen waren so schockiert gewesen, dass sie sich einige Zeit lang nicht gerührt hatten, während ihre Gedanken völlig von dieser Erkenntnis beansprucht waren, dass sie zwei Jahre ihres Lebens damit verbracht hatten, einen Unschuldigen zu jagen. Ihr Anführer konnte sich sogar daran erinnern, dass er ihm damals einmal gegenübergestanden hatte.
Eine der Narben, die er jetzt auf dem bloßen Oberkörper des Schattenläufers erkennen konnte, stammte von seinem Schwert. In Anbetracht seiner Vergangenheit, überraschte es den Wolfkatzenelf sehr, dass er ihm so ohne weiteres die Küken seines Drachen übergab. Karis schien zu ahnen, was in dem erfahrenen Krieger und Magier vorging, denn er legte ihm die Hand auf die Schulter und meinte: „Lasst euch nicht zu sehr von den Schatten der Vergangenheit beeinflussen Bloedhgarm-Elda. In den letzten Wochen habt ihr mehrfach bewiesen, dass ihr ein ehrenwerter und erfahrener Krieger seid. Zwar kann ich nicht garantieren, dass es mir jemals leicht fallen wird einem Mitglied eures Volkes gegenüberzustehen, aber ihr habt mein Vertrauen." Ernst blickte er dem älteren Elfen in die Augen, der von dieser Aussage sichtlich berührt war. „Ich habe keine Zweifel daran, dass ihr alles in eurer Macht stehende tun werdet um die Küken meines Seelengefährten zu schützen."
Kurz ging ein Schimmer durch die gelben Augen des Wolfkatzenelfs und beinahe schien es so, als ob er noch etwas sagen wollte, aber dann nickte er nur stumm. Mit eleganten Bewegungen, setzte er über die Trümmer hinweg und rannte auf den Rand der Stadt zu. Dabei bewegte er sich so schnell, dass ihn sowohl Murtagh und Karis, als auch die Werkatze, die das Ganze bis jetzt nur stumm beobachtet hatte, schon nach kürzester Zeit aus den Augen verloren. Danach wandte sich der Schattenläufer zu der Werkatze um, die immer noch mit blitzenden Augen hinter Murtagh saß.
Ein leichtes Lächeln flackerte über Karis Gesicht. „Ich hatte nicht erwartet, dass ihr euch auch in den Krieg einmischen würdet, Flammwyn."
Seine Schnurrhaare zuckten amüsiert. „Die Dinge haben sich geändert. Galbatorix ist inzwischen angreifbar geworden. Es stehen drei Reiter und ihre Drachen gegen ihn. Zum ersten Mal seit Jahrhunderten haben wir vielleicht eine Chance auf den Sieg." Ein Feuer schien in den grünen Augen des rotbepelzten Kriegers zu leuchten. „Darum hat König Halbtatze entschieden, dass es der richtige Zeitpunkt ist, dass unser Volk in den Kampf eingreift." „Ich verstehe." Karis ließ seinen Blick weiter zu Murtagh wandern. „Wie ich sehe, hast du eine recht schlagkräftige Rettungsmannschaft zusammengestellt. Wie hast du es geschafft König Orrin zu überreden, dass er dem zustimmt?" „Gar nicht.", grinste sein Schüler verschmitzt. „Offiziell ist das Ziel dieses Angriffs die Auslöschung der Chimären und die Beseitigung des Schattenelfen Ecros. Bloedhgarm und ich sind nur zufällig von dem Hauptteil unserer Streitmacht getrennt worden. Und mit dem Auftauchen der Werkatzen konnte nun wirklich niemand rechnen."
„Wirklich schlau", erwiderte Karis ebenfalls grinsend. Einen Moment war er ob des ausgereiften Plans, den sein Schüler mitentwickelt hatte, mit Stolz erfüllt. Immerhin hatte er einen Teil ihres Unterrichts genutzt um die Grundlagen in Taktik und Strategie, in denen Galbatorix Lehrer ihn bis zu einem gewissen Grad unterwiesen hatten zu vertiefen. Und wie er anhand des Verlaufs den die Schlacht nahm erkennen konnte, hatten sich diese Lehrstunden ausgezahlt. Ihr Wiedertreffen wurde allerdings unterbrochen, als plötzlich eine Chimäre über die Ruine eines eingestürzten Gebäudes sprang.
Mit einem markerschütternden Schrei, stürzte sie sich auf sie. Flammwyn reagierte als erstes. Geschmeidig sprang er die Kreatur an, bevor sie die beiden Drachenreiter erreichen konnte und grub ihr mit einer beiläufigen Geste ihre Krallen in den Hals. Ihr Kampfschrei wurde zu einem erstickten Jaulen, als das Blut aus ihrer Wunde pulste und der Lebensfunke in ihren Augen erlosch. Dorns Reiter hatte das Ganze staunend beobachtet, während Karis ihm eher gelassen gegenüber stand. Jetzt erinnerte Murtagh sich auch wieder mit was für einer Leichtigkeit und Zielstrebigkeit die anderen Werkatzen die Chimären vor kurzem niedergemetzelt hatten. Sie hatten kein einziges Mal gezögert und hatten sich sofort auf ihre Hälse und Köpfe gestürzt. Sie schienen die Schwachpunkte von Ecros Schöpfungen genau zu kennen, wurde ihm klar, als er den Angriff ihres Volkes noch einmal vor seinem geistigen Auge ablaufen ließ.
Mit neuem Respekt blickte er auf die feuerrote Katze, die sich gerade mit angewidertem Gesichtsausdruck die Krallen sauber leckte. „Mir ist gerade etwas aufgefallen. Ihr habt bereits Erfahrung im Kampf mit diesen Scheusalen, nicht wahr?"
Flammwyn hielt mitten in der Bewegung inne und blickte mit halb heraushängender Zunge zu dem jüngeren der beiden Drachenreiter auf. Ein listiges Funkeln glitt durch seine smaragdgrünen Augen. „In der Tat, hat mein Stamm bereits Erfahrung im Kampf mit diesen Kreaturen. Doch das ist eine Geschichte für ein anderes Mal." Die ernste Stimme des grünäugigen Kriegers duldete keinen Widerspruch. „Für jetzt junger Reiter sollten wir uns lieber zu unserer Verbündeten begeben und diesen Kampf endlich beenden." Karis nickte und auch wenn Murtagh seine Neugierde nur schwer zurückhalten konnte, war auch ihm klar, dass der Anführer der Werkatzen Recht hatte. Erneut zu dritt, setzte die kleine Gruppe ihren Weg in Richtung des Haupttores der Festung fort, von wo der größte Teil des Schlachtlärms zu kommen schien.
Geschmeidig glitten sie über Trümmer, wichen größeren Verbänden Chimären aus und erledigten einzelne Ungeheuer so schnell und leise, dass sie keine Möglichkeit hatten, ihre Verbündeten zu warnen. So bewegten sie sich durch die Straßen Belatonas, bis sie zu der Hauptstreitmacht der Urgals stießen, die gerade vor den Toren der Festung stand. Doch der Anblick, der sich ihnen dort bot, war sehr ernüchternd.
Dutzende Leichen säumten den breiten Platz vor dem Haupttor. Nicht nur die leblosen Körper der Einwohner Belatonas, welches das Gemetzel des Schattenelfen hinterlassen hatte, auch zahlreiche Urgals lagen im Staub der Stadt und rührten sich nicht mehr. Zwar war beinahe jeder von ihnen auf mindestens einer erschlagenen Chimäre zu Boden gesunken, aber der Verlust schmerzte dennoch schwer. Am Tor rannten die Streitkräfte der Gehörnten gegen drei gigantische Kreaturen an, die den Eingangsbereich beschützten. Riesige Beorn-Chimären, mit vier Armen, deren blutrote Augen boshaft in die Menge funkelten. Immer wieder ließen sie ihre massigen Tatzen herabsausen und schlugen auf die Krieger vor ihnen ein.
Ihre Bewegungen mochten recht träge wirken, doch ihre Größe und die Tatsache, dass sie schmerzunempfindlich waren machten diese Schwäche mehr als wett. Zudem ließen sie sich immer wieder unvermittelt einfach fallen und begruben so die Körper ihrer Gegner unter sich. Eine einfache aber effektive Technik um selbst schnellere Gegner zu bekämpfen. Selbst die Mitglieder der Elfengarde, die zusammen mit dem Anführer der Urgals Nar Garzhvog und einigen anderen Gehörnten in der ersten Reihe standen, konnten nicht viel ausrichten. Außerdem glitten immer wieder einzelne Ungeheuer aus den Schatten der Behausungen, die den Platz säumten und stürzten sich auf sie.
DU LIEST GERADE
Der Weiße Schatten
Fiksi PenggemarEin weißer Drache und sein Reiter retten Eragon am Helgrind das Leben und helfen ihm zurück zu den Varden zu gelangen. Doch über ihre Vergangenheit hüllen sich die beiden in Schweigen und auch ihre Fähigkeiten geben den Varden und ihren Verbündeten...