77. Schlacht im Schatten des Helgrinds

255 8 0
                                    

Warme Winde strömte unter Dorns Flügel, während er Seite an Seite mit Saphira in die Lüfte stieg. Unter ihnen erstreckte sich das Heerlager der Varden, das bei ihrem Anblick in Begeisterungsrufe ausbrach. Schon ironisch, wenn man bedachte, dass diese Menschen ihn noch vor relativ kurzer Zeit sowohl verflucht als auch gefürchtet hatten. Doch ab heute würde sich das ändern.  Heute war es soweit. Zum ersten Mal seit Monaten würden er und sein Reiter aus freiem Willen und mit etwas für das es sich zu kämpfen lohnte, in die Schlacht ziehen. Als die Sklavenstadt des Eischänders vor ihnen näher kam, spürte der rote Drache wie Angriffslust feuergleich durch seine Adern floss. Er brannte darauf sich in die Schlacht zu stürzen. 
Ein lautes Brüllen entkam zusammen mit einem blutroten Feuerstrahl seiner Kehle. 
Sein Reiter auf seinem Rücken schmunzelte ob der unverfälschten Begeisterung seines Seelengefährten. Zwar empfand er ähnlich, was die ihre erste freiwillige Teilnahme an einer Schlacht seit Farthen Dur anging, doch war er nicht der Typ, der solche Sachen offen zeigte. Außerdem würde es so weit oben wie er flog vermutlich nur sein Bruder und seine Drachendame mitbekommen, wenn er in einen ähnlichen Schlachtruf wie Dorn ausbrach. Daher überließ er es seinem Drachen ihre vereinte Kampfeslust in den Himmel hinauszubrüllen und konzentrierte sich lieber darauf noch ein weiteres Mal die Schutzzauber zu überprüfen, die er um sie gelegt hatte. Immerhin besaß er nicht mehr die unbegrenzten Energiereserven der Eldunari, da war es durchaus angebracht, dass er etwas vorsichtiger war. Darum hatte er seine Schutzzauber für diese Schlacht auch etwas flexibler und kräftesparender strukturiert. 
Zwar hatte das zur Folge, dass er für einige der weniger wahrscheinlichen Ereignisse angreifbar geworden war, aber im Vergleich zu dem Risiko inmitten der Schlacht all seine Energiereserven aufzubrauchen, weil er sich in zu viele überflüssige Barrieren hüllte, war das eindeutig das kleinere Übel. Immerhin hatte er im Gegensatz zu seinem Bruder noch nicht die Möglichkeit gehabt sich einen größeren Energievorrat anzulegen, wie ihn dieser in dem Ring an seinem Finger bei sich trug. Zum Glück erwiesen sich seine Vorbereitungen als fehlerfrei und so konzentrierte er sich auf die nahende Schlacht. 
Inzwischen war Dras Leona so nahe, dass die Soldaten auf den Mauern begannen ihre Bögen zu spannen und mit Pfeilen auf sie zu zielen. Ein Bemühen, dass Dorn mit einem herablassenden Schnauben bedachte. Er flog so hoch, dass diese Stockschleudern ihn nicht verletzen würden und selbst wenn einer von ihnen so hoch schießen konnte, war er zuversichtlich, dass die Schutzzauber seines Reiters ihn vor Schaden bewahren würden. „Sei nicht zu selbstsicher Dorn.“;ermahnte Murtagh ihn stumm. „Wir können nie wissen, ob nicht einer der Priester des Helgind eine Möglichkeit gefunden hat um meine Schutzzauber zu umgehen, oder die Pfeile in irgendeiner anderen Art und Weise gefährlicher zu machen.“ 
Der rote Drache schnaubte unwillig, kam aber nicht umhin seinem Reiter Recht zu geben. Immerhin hatte der Verräterkönig in Uru baen diese Wahnsinnigen mit der Verteidigung der Stadt beauftragt und auch wenn er vieles war, dumm war er nicht. Wenn er diese Gestalten auserwählt hatte den Vormarsch der Varden aufzuhalten, dann weil er sicher war, dass sie der Aufgabe gewachsen waren. Und das bedeutete, dass sie auf alle möglichen hinterhältigen Tricks gefasst sein mussten. Anscheinend war die blaue Drachendame, die neben ihnen herflog zu demselben Ergebnis gekommen, denn eine plötzliche Veränderung der Luftströme verriet ihm, dass sie ihren Anflug abgebrochen hatte und begonnen hatte in sicherer Höhe über der Stadt zu kreisen. 
Einen Augenblick später konnte er die Stimme ihres Reiters hören, die ihnen zurief dasselbe zu tun. Resigniert folgte er der Anweisung. 
Die Stimme seines Blutes, welche er die ganze Zeit als Galbatorix Sklave hatte unterdrücken müssen und die jetzt heiß in ihm brannte, verlangte dass er sich ohne Rücksicht auf Verluste in die Schlacht warf, doch der rational denkende Teil seines Verstandes hielt ihn zurück. Auch wenn es ärgerlich war auf so etwas kleines und schwer zu bemerkendes wie eine magische Falle oder einen Hinterhalt zu achten, hatte ihm Sereth während seiner Ausbildung doch ausführlich genug vor Augen geführt, was geschehen würde wenn er so etwas ignorierte. Daher unterdrückte er den instinktiven Drang sich brüllend in die Schlacht zu werfen und ging ebenso wie sein Seelengefährte, seine Artgenossin und der Halb–Mensch–halb–Elf–Eragon dazu über die Stadt nach möglichen Anzeichen für unerwartete Gefahren zu untersuchen. 
Sie mussten nicht lange suchen. Zeitgleich nahmen die beiden Drachen den fauligen Gestank war, der sie plötzlich überrollte und ebenso simultan legten sie die Flügel und stürzten in die Tiefe. Der Lärm der Schlacht unter ihnen kam für einen kurzen Moment zu einem überraschten Halt, als ein grauenhafter Schrei den Himmel zerriss und die Varden überrascht inne hielten. Sechs Lethrblaka mit jeweils zwei Gestalten auf dem Rücken, erhoben sich von den Gipfeln des Helgrinds und stürzten sich auf die beiden Reiter und ihre Drachen. Mit einem Knurren warf Dorn sich zur Seite, sodass eine der Kreaturen an seiner Bauchseite vorbeisauste, während Murtagh auf seinem Rücken sein Schwert zog. Der Anblick der Ungetüme hatte sie zwar überrascht, denn eigentlich hatte es zu ihrer Zeit in Uru baen noch geheißen, dass es lediglich zwei ausgewachsene Lethrblaka in Alagaesia gab, aber ihre Verwunderung verflog schnell. 
Sie wussten zwar nicht woher Galbatorix neueste Schoßtiere kamen, aber sie waren im Begriff dahin zu gehen, wo Saphira erst kürzlich ihre Artgenossen geschickt hatte. In einem Luftkampf waren diese Leichenschänder einem Drachen alles andere als ebenbürtig. Als eine der Missgeburten sich auf ihn stürzen wollte, riss Dorn sein Maul auf und ließ eine Flammenlohe auf seinen Gegner niederprasseln. Zwar rechnete er nicht mit einem Erfolg, da er sich sicher war, dass die wahnsinnigen Priester aus der Stadt unter ihnen, ihre Götter niemals ohne mächtige Schutzzauber in die Schlacht ziehen lassen würden, aber glücklicherweise konnte Feuer nicht nur als aggressive Angriffswaffe dienen. Der Lethrblaka stieß ein gepeinigtes Kreischen aus als die Flammen auf seinen Schutzwall trafen und wandte geblendet den Kopf ab. 
Diese Unaufmerksamkeit nutzte der rote Drache aus. Mit gefletschten Zähnen stürzte er sich auf das Lethrblaka. Er biss hart auf seinen Hals ein und fuhr mit den Klauen über seinen widerlichen Körper, nur um festzustellen, dass sowohl seine Zähne, als auch seine Krallen von einer unsichtbaren Barriere abglitten, wann immer er versuchte sie in seinen Gegner zu graben. 
Das Lethrblaka stieß erneut einen schrillen Laut aus, der ihm in den Ohren schmerzte und versuchte seinen langen Schnabel in seine Schulter zu graben, was von ihm allerdings mit einem gezielten Schlag mit der Pranke abgewehrt wurde. 
Zwar hinterließ sein Angriff noch nicht mal eine Schramme auf dem hornartigen Auswuchs, aber er verhinderte, dass der Schnabel des Ungetüms sein Ziel erreichte. Dennoch war es frustrierend. Einen Moment rangen die beiden miteinander, bis Dorn plötzlich einen leichten Schlag auf den Hinterkopf spürte. Zu leicht für einen Angriff eines Lethrblaka wusste er sofort worum es sich handelte. Zähneknirschend versetzte er seinem Gegner einen festen Tritt mit den Hinterbeinen, der es ins Trudeln brachte, nur um gleich darauf selbst die Flügel anzulegen und so dem Angriff zweier anderer Lethrblaka auszuweichen, die ihn in die Zange zu nehmen versuchten. Der leichte Schlag seines Seelengefährten hatte ihn gerade noch rechtzeitig gewarnt. 
Da sie nicht wussten, ob es sich bei den Gestalten auf den Rückend er Lethrblaka um ihre Brut oder um einige von Galbatorix Magiern handelte, hatten die beiden Reiter und ihre Drachen wohlweißlich ihre Geister voreinander abgeschirmt und nutzen stattdessen ein paar von Karis ausgedachten Zeichen um in Sekundenschnelle zu kommunizieren. Der leichte Schlag auf den Hinterkopf, den Murtagh Dorn versetzt hatte, bedeutete so etwas wie: „Feind von hinten“. 
Das war eine simple Methode um das Überraschungsmoment eines Gegners zunichte zu machen. Und sie hatte sich gerade ausgezahlt. Mit einem Knurren ging der rote Drache zum Gegenangriff über. Fauchend krachte er in der Luft gegen die beiden Kreaturen. Mit Zähnen und Klauen versuchte er die beiden Ungeheuer zur Unterwerfung zu zwingen. Doch so sehr er sich auch bemühte, es gelang ihm nicht auch nur eine Klaue an die feigen Menschenfresser zu legen. In einigen Flügelschlägen Entfernung hatte Saphira ähnliche Probleme.
Anders als ihr Artgenosse, der versuchte sich seiner Feinde mit roher Gewalt zu entledigen, nutzte die blaue Drachendame ihre fliegerischen Talente und ihre Erfahrung aus dem Kampf unter dem Helgrind, um ihre Gegner zu überwältigen. Die drei Lethrblaka waren zwar in der Überzahl, doch die Drachendame war ihnen in der Luft hoffnungslos überlegen. 
Bei dem Kampf am Helgrind hatte sie diesen Vorteil nicht auszunutzen vermocht, weil diese feige Madenbrut sie überraschend von hinten angegriffen hatte und die relative Enge der Höhle hatte ihr nicht erlaubt ihre Überlegenheit in der Luft zurückzugewinnen, aber hier am freien Himmel sah die Sache anders aus. 
Sie wirbelte um ihre Gegner herum, warf sich zwischen sie um ihre Formation auseinanderzusprengen, schlug mit ihren Klauen und ihrem Schweif auf sie ein, so schnell dass sich den Lethrblaka kein Angriffspunkt bot. 
Mit zunehmendem Stolz, beobachtete Eragon die Flugkünste seiner Drachendame, während er sich mit aller Macht am Sattel festhielt. Sie war wirklich die Herrscherin des Himmels. Zuversicht bereitete sich in den jungen Reiter aus, während er zusah, wie seine Seelengefährtin ihre Gegner mit Flammenstößen eindeckte. Ganz egal, wie stark die Schutzwälle, die die Jünger des Helgrinds um ihre Götter gelegt hatten auch waren, sie waren sicher nicht in der Lage dem feurigen Zorn einer ausgewachsenen Drachendame standzuhalten. Auch Dorn schien inzwischen die Oberhand über seine Feinde erlangt zu haben. 
Mit brutaler Wucht schlug er auf die Lethrblaka ein, die zu dritt mit ihren Schnäbeln auf ihn einstießen, doch auch ihre zahlenmäßige Überlegenheit half den drei Scheusalen nicht. Wo Saphira ihnen an Eleganz und Technik weit überlegen war, war Dorn ihnen was Kraft anging so weit vorraus, dass er ihre Angriffe einfach beiseite fegte. 
Dabei nutzte er gekonnt die Tatsache aus, dass ihm seine Feinde an Größe unterlegen waren und er sie so gegeneinander ausspielen konnte. Immer wieder packte er einen von ihnen mit seinen starken Zähnen und schleuderte ihn gegen einen seiner Artgenossen. Dadurch hinderte er sie daran ihn koordiniert anzugreifen und konnte selbst harte Treffer landen.„Ja.“, dachte Eragon zuversichtlich. „Nicht mehr lange und ihre Schutzwälle werden aufhören zu wirken. Dann werden Dorn und Saphira kurzen Prozess mit ihnen machen.“ Nur die Reiter auf den Lethrblaka beunruhigten ihn ein wenig. Trotz des offensichtlichen Nachteils, in dem sie sich befanden hatte noch keiner von ihnen eine Bemühung unternommen um die Scheusale zu unterstützen. 
Im Gegenteil, ihre von langen Kutten verdeckten Körper hatten bis jetzt regungslos auf den Rücken ihrer Flugrösser verharrt. Beinahe so als ob der ganze Kampf sie nicht betreffen würde. Eragon schüttelte den Kopf. Sich darüber Gedanken zu machen brachte nichts. Es konnte nicht mehr lange dauern, bis ihre Schutzzauber zu wirken aufhörten, dann würden sie zusammen mit ihren nach Aas stinkenden Reittieren abstürzen. Was auch immer sie im Schilde führen mochten, er bezweifelte stark, dass es ausreichen würde um zwei ausgebildete Drachenreiter und ihre Drachen zu besiegen. Er ahnte nicht, wie sehr er sich damit irrte.
Murtagh war der erste, der bemerkte, dass etwas nicht stimmte. Trotz der zunehmenden Intensität ihrer Auseinandersetzung und den mächtigen Angriffen mit denen sein roter Seelengefährte ihre die geflügelten Scheusale traktierte, machten seine Gegner keinerlei Anzeichen zu ermüden. Mit unverminderter Härte stießen sie auf den Drachen ein. Und obwohl er sie noch immer mit mächtigen Schlägen durch die Luft fegte, war Dorn inzwischen längst nicht mehr so stark wie zu Beginn ihrer Auseinandersetzung. Er wurde allmählich müde. 
Und noch immer waren die Schutzzauber ihrer Gegner ebenso stark wie zu Beginn.  
Mit zusammengekniffenen Augen betrachtete Morzans Sohn ihre Feinde, während Dorn sie mit mächtigen Feuerstößen eindeckte. Irgendwas war da faul. Schon allein der Schutz vor den Flammen eines Drachen ging für die meisten Magier über ihre körperlichen Grenzen hinaus. Von der rohen Kraft der Herrscher des Himmels ganz abgesehen. 
Es war einfach unmöglich, dass die Jünger des Helgrinds in der Lage waren einen Schutzwall zu erschaffen, der in der Lage war solchen Belastungen über einen derart langen Zeitraum standzuhalten. 
Dennoch brachen ihre Feinde unverdrossen und unbeschadet aus den Flammen hervor und stürzten sich erneut auf den roten Drachen. Dorn knurrte wütend, doch dieses Mal erreichte seinen Reiter noch mehr, als nur die Stimme seines Seelengefährten. Ein leiser Hauch von Hoffnungslosigkeit perlte gegen den geistigen Schutzwall seines schwarzhaarigen Reiters. Der Drache wusste nicht mehr weiter. Er hatte alles versucht und noch immer waren die Scheusale unverletzt. Die Erkenntnis seines Seelengefährten traf Murtagh ins Mark. Sein Drache hatte nie aufgegeben, selbst zu ihrer Zeit in Uru baen war er immer der Stärkere von ihnen gewesen und auch jetzt machte der Rote keinerlei Anstalten aufzugeben. Doch ein leiser Hauch von Furcht hatte sich in seine Gedanken geschlichen. Subtil wie ein Windhauch, aber nichtsdestotrotz präsent. 
Der schwarzhaarige Reiter knirschte mit den Zähnen. 
So konnte es nicht weitergehen. Mit einem Schlag auf den Hinterkopf erlangte er die Aufmerksamkeit seines Drachen. „Dreh ab. Wir brauchen eine neue Strategie.“ Mit einem unwilligen Knurren legte Dorn die Flügel an und wich mit einer geschmeidigen Rolle einem angreifenden Lethrblaka aus. Die plötzliche Taktikänderung erwischte die geflügelten Ungetüme auf dem falschen Fuß und für einen Moment verharrten sie irritiert in der Luft, ehe sie mit einem schrillen Kreischen die Verfolgung aufnahmen. 
Dorn hatte jedoch bereits einige Flügelschläge Vorsprung und sein größeres Gewicht erlaubte ihm deutlich schneller auf die Stadt unter ihnen zuzustürzen als seine Verfolger. „Eine neue Strategie? Aber was für eine?“, überlegte er dabei grimmig. Sie waren inzwischen gehörig im Nachteil. Im Gegensatz zu ihren Gegnern waren ihre Schutzzauber inzwischen größtenteils aufgebraucht und Dorn hatte bereits mehrere kleine Fleischwunden davongetragen, die zwar nicht schwerwiegend, aber bei einem Kampf in der Luft lästig waren. 
Knurrend wich er einer Wolke aus Pfeilen aus, die die auf ihn aufmerksamen Verteidiger der Sklavenstadt auf ihn abfeuerten, und ging in den Gleitflug. Er blies einen lodernden Flammenstrahl in die Tiefe und hüllte den Teil der Stadtmauern, von dem die Pfeile ausgegangen waren in knisterndes Rubinrot. Die Varden, die diesen Teil der Befestigungen zu erobert versucht hatten, stießen ein  Freudengebrüll aus als ihre Feinde sich in der Glut auflösten und ihre Gegenwehr erlahmte. Doch das vergrößerte die Irritation des geflügelten Riesen nur noch mehr. Wenn die Lethrblaka über derartige Schutzzauber verfügten, weshalb waren die Soldaten auf den Mauern dann nicht in ähnlicher Art und Weise vor seinen Flammen geschützt? 
Sicherlich würden Magier, die in der Lage waren derartige Schutzwälle für die geflügelten Bastarde zu erschaffen auch ihre Artgenossen schützen. Ein schrilles Kreischen riss ihn aus seinen Gedanken. Die Lethrblaka hatten ihn eingeholt. Das Größte von ihnen stürzte sich auf seinen Rücken. Gerade noch rechtzeitig warf Dorn sich herum, sodass sein Reiter nicht zwischen seinem Körper und dem geflügeltem Scheusal zerquetscht wurde und schlug brüllend auf es ein. Knurrend versuchte er seinem Angreifer an die Kehle zu gehen, doch noch immer schützen es seine magischen Barrieren und bevor er sich aus dem Griff losreißen konnte, krachten die beiden Kontrahenten mit brutaler Wucht gegen den Turm der Kathedrale. 
Der rote Drache stieß ein schmerzerfülltes Brüllen aus, als er auf dem festen Stein aufschlug und verlor für einen kurzen Moment die Orientierung. Im nächsten Moment schoss ein glühend heißer Schmerz durch seine Körper, als das Lethrblaka seinen Schnabel mit voller Wucht in seine Magengegend grub. 
Er verlor die Kontrolle über seine Flügel und sank an der Seite des Turmes hinab bis er auf dem Boden aufkam. Vor seinen Augen zuckten grelle Blitze hin und her, hinter denen er schwach seinen Gegner ausmachen konnte, der mit zurückgezogenem Schnabel über ihm kauerte um ihm den Gnadenstoß zu versetzen. 
Die anderen zwei Lethrblaka waren auf den umliegenden Häusern gelandet und beobachteten sie wie Geier. Am Himmel über ihnen konnte er schemenhaft den Umriss seiner Artgenossin ausmachen, die inzwischen auch Schwierigkeiten hatte. Zwar war sie größtenteils unverletzt, wie er an ihren noch immer geschmeidigen Bewegungen erkennen konnte, aber ihre Flügelschläge wurden zusehends matter. Das Lethrblaka über ihm stieß ein herablassendes Keckern aus. „Ihr dachtet wirklich, dasss ihr unsss töten könntet? Ihr Narren. Galbatorix hat unssseren Anhängern mehr Macht verliehen als ihr euch vorstellen könnt. Dadurch können wir nicht mehr nur von dem Fleisssch unserer Beute zehren, jetzt verschlingen wir auch ihre Leben.“ 
Das Keckern wuchs zu einem schrillen Lachen. „Du hättesst nicht mit ihm brechen ssollen. Nur dasss Weibchen braucht er lebend. Aber du bist für ihn nicht mehr alss…“ Mit plötzlich aufblitzenden Augen stürzte es sich vor, während es den letzten Teil ausspuckte. „…Beute!“ Doch es hatte zu lange gesprochen. In der Zeit, in der das Ungetüm angegeben hatte, hatte Murtagh leise die schlimmsten inneren Verletzungen seines Seelengefährten geheilt. Von außen war nichts zu sehen, doch als das Lethrblaka sich auf ihn stürzte, warf Dorn sich zu Seite. 
Das schwarze Scheusal krachte gegen den ohnehin bereits geschwächten Turm und der rote Drache spannte die Flügel an. Ein schmerzhaftes Ziehen durchfuhr seinen noch immer verletzten Brustkorb, aber er konnte abheben. Seine beiden übrigen Feinde stießen sich von den Hausdächern ab und stürzten sich auf ihn, doch er war schneller. 
Die erste Regel die ihm Sereth für einen Kampf am Boden beigebracht hatte, kam ihm wieder in den Sinn, als er mit einer Drehung seines gewaltigen Körpers seinen Schweif gegen eine Hauswand donnerte und sie in tausend Teile zerschmetterte. Nutze deine Umgebung! Mit einer erneuten Drehung seines Schwanzes schleuderte er den Schutt mitten in die Gesichter der angreifenden Lethrblaka. Geblendet kreischten sie auf und er nutzte die Verwirrung um seine Flügel endgültig auszubreiten und in den Himmel emporzusteigen. Allerdings nicht ohne den Ungetümen noch einen gehässigen Tritt zu versetzen, der sie auf ihren Anführer stürzen ließ, der sich gerade wieder erhoben hatte.
Er kreischte empört auf, als er unter seinen Artgenossen begraben wurde und schnappte nach ihnen. Und Dorn war noch nicht fertig. Nachdem er ausreichend Flughöhe erreicht hatte, versetzte er dem von der Kollision mit einem Drachen und einem Lethrblaka geschwächten Turm einen erneuten Schlag mit der Kralle. Ein schrilles Kreischen von unter ihm, verriet ihm, dass seine Gegner inzwischen erraten hatten was er vorhatte. Er musste sich beeilen. 
Er schlug erneut zu und dieses Mal gab der Stein nach. Mit einem lauten Krachen barst die Wand. Der rote Riese konnte sich gerade noch in Sicherheit bringen, doch seine Gegner hatten nicht so viel Glück. Tonnen an Fels und Gestein krachten auf sie herab und begruben die Lethrblaka und ihre Reiter unter sich. Mit einem zufriedenen Knurren, begutachtete er das Ergebnis. Einzelne Steinchen rieselten noch von dem enormen Schutthaufen, den er verursacht hatte und eine dichte Staubwolke breitete sich in den Straßen der Stadt aus. Ein grimmiges Gefühl der Befriedigung erfüllte den Drachen bei dem Anblick. 
Selbst wenn sie diese Gerölllawine unbeschadet überstanden hatten, was er angesichts ihrer Schutzzauber nicht bezweifelte, würde es eine ganze Weile dauern, bis sie sich befreit haben würden. 
Und bis es soweit war, konnte er Saphira mit ihren Gegner helfen. Inzwischen hatte sein Reiter die Heilung seines Brustkorbs abgeschlossen und auch wenn ihn das ziemlich erschöpft hatte, war er dank den in dem Knauf seines Schwertes gespeicherten Energiereserven noch immer einigermaßen bei Kräften. Nur seine Schutzzauber warn inzwischen ausnahmslos verbraucht. Was bedeutete, dass der rote Drache von jetzt an vorsichtiger kämpfen musste. 
Mit einem Knurren wandte er seinen Blick von dem Schutthaufen ab und wandte sich dem Kampf seiner Artgenossin zu. Doch was er dort erblickte ließ sein sonst so heißes Blut gefrieren. Eines der Lethrblaka hatte es geschafft in Saphiras Rücken zu gelangen und hielt mit einer Klaue ihren Reiter auf ihrem Rücken fest, während es mit seiner zweiten ihr Flügelgelenk umschloss. Sie versuchte sich zu befreien, doch es war sinnlos. Selbst wenn sie bei vollen Kräften gewesen wäre, was sie angesichts ihrer zahlreichen Wunden aus denen Blut tropfte eindeutig nicht war, war es unmöglich sich aus so einen Griff zu befreien. Dorn wusste das aus eigener Erfahrung. Bei seinem letzten Kampf mit der blauen Drachendame hatte er selbst diese Erfahrung gemacht. Das Lethrblaka konnte ihr aus dieser Position ganz einfach ihren Flügel ausreißen. Und von der Stelle an der er sich befand aus, konnte Saphira nichts machen. Sie war gefangen! 
Gefangen! Das eine Wort genügte um eine ganze Sintflut von Bildern und Erinnerungen in dem jungen Roten auszulösen. Bilder seiner eigenen Zeit in Uru baen. Erinnerungen an Schmerzen und Erniedrigungen, von Dunkelheit und Qualen. Trennungen von der zweiten Hälfte seiner Seele und Einsamkeit in stickigen Verliesen, unfähig sich zu rühren, geschweige denn die Flügel auszubreiten um das zu erobern, was jedem Drachen seit seiner Geburt gehören sollte. Bilder an die Schlimmste Zeit seines Lebens rasten in diesem einen Augenblick durch den Geist des jungen Drachen und doch, so schmerzhaft das alles auch war, brachte ein einziger Gedanke das alles zum Stillstand. Galbatorix Pläne für die neue Generation der Drachenreiter. 
Er hatte vor Saphira als Zuchtmutter für die neue Generation der Drachen zu benutzen und da er Dorn anscheinend nicht mehr lebend haben wollte, kam als möglicher Nistpartner nur einer für sie in Frage. Der wahnsinnige Schwarze, der auf Galbatorix Befehl Leid und Zerstörung über das ganze Land gebracht hatte. 
Shruikan!
Murtaghs Seelengefährte konnte es förmlich vor sich sehen. Wie Saphira um das Leben ihres Reiters zu schützen auf die Forderungen des wahnsinnigen Herrschers einging. Wie nach und nach erst ihr Körper und dann ihr Wille in den Fängen des schwarzen Riesen, der in den Tiefen Uru baens hauste zerbrach, bis nur noch eine leere Hülle blieb. Wie der Glanz in den Augen der Nistpartnerin seines Lehrmeisters erlosch und von stumpfem Nebel ersetzt wurde. Eine eisige Kralle griff sein Inneres und er hatte das Gefühl, als würde er nicht mehr atmen können. Das konnte er nicht mit ansehen. Das wollte er nicht mit ansehen. Keiner seiner Artgenossen sollte eine solche Erfahrung unter den Augen des Bastards in Uru ban erleiden müssen. 
Das würde er nicht zulassen! 
Er riss das Maul auf, ein gleißendes Licht erfüllte sein ganzes Denken. Sein Geist handelte instinktiv und griff nach der Macht, die in jedem Mitglied seines Volkes ruhte. Ein Brüllen anders als alles was jemals sein Maul verlassen hatte, entkam seiner Kehle, schoss in Form einer unsichtbaren Säule aus Luft empor und donnerte gegen den Schädel des Lethrblakas der sich auf Saphiras Rücken aufhielt. Die Kreatur stieß ein überraschtes Kreischen aus, als die Magie es traf. Zwar schützen ihn seine Schutzzauber, aber dennoch brachte der unerwartete Angriff das Ungetüm aus dem Gleichgewicht und es verlor den festen Halt auf dem Rücken der Drachendame. 
Ein Umstand, den Eragon sofort ausnutzte. 
Geschmeidig wand er sich zwischen den Krallen hervor und stieß sein Schwert Brisingr nach oben in den Brustkorb des Lethrblaka. Für einen kurzen Moment flackerte Hoffnung in Murtaghs Augen auf, immerhin waren die alten Reiterschwerter bekannt dafür, dass sie die meisten Schutzzauber zu durchdringen vermochten, doch zu seiner Enttäuschung prallte die saphirblaue Klinge mit lautem Klirren an einem unsichtbaren Hindernis ab. Anscheinend hatte der Verräterkönig aus seiner Niederlage in Gil ead gelernt und hatte ebenso wie Karis Schutzzauber entwickelt, die eine Reiterklinge abwehren konnten. 
Enttäuscht stieß Morzans Sohn die Luft aus. Das war so eine gute Gelegenheit gewesen. Aber immerhin hatte Eragons Schwertstoß seinen Gegner soweit aus dem Gleichgewicht gebracht, dass Saphira in der Lage war ihn abzuschütteln. Mit einer eleganten Drehung brachte sie etwas Abstand zwischen sich und ihre Gegner und glitt neben Dorn. Ihre Flanken bebten heftig von der gerade erlebten Erfahrung und ihre Augen loderten vor Wut und Schock. Ihr Artgenosse konnte das nachvollziehen. 
Immerhin hatte sie gerade erlebt wie sie und ihr Reiter beinahe von einem Lethrblaka gefangen genommen worden wäre. 
Er wusste nicht, wie er sich in so einer Situation verhalten würde und hoffte, dass er es niemals würde herausfinden müssen. Mit gefletschten Zähnen erwarteten die beiden Drachen ihre näher kommenden Gegner. Aber darüber nachzudenken brachte nichts. Alles was er jetzt tun konnte war nach Kräften zu verhindern, dass so etwas geschah. Er wollte sich gerade auf die drei Lethrblaka stürzen und nahm war, wie seine Artgenossin neben ihm dasselbe vorhatte, als ein wuchtiges Rumpeln hinter ihm ihn innehalten ließ. Er drehte seinen Kopf so, dass ein Auge auf den näher kommenden Feinden lag und eines nach dem Ursprung des Geräuschs Ausschau halten konnte. Im ersten Moment konnte er nichts erkennen, doch dann hörte er seinen Reiter fluchen und richtete seinen Blick nach unten. Und auch er stieß ein wütendes Knurren aus. 
Die Steine und Felsbrocken unter denen er seine Gegner begraben hatte, schwebten regungslos in Form einer Kuppel über der Stelle an der er die Lethrblaka zurückgelassen hatte. Sie lagen auf einer violettblitzenden durchsichtigen Hülle aus Energie, durch die man die Lethrblaka und ihre Reiter erkennen konnte, die die Arme in die Höhe gereckt hatten. Offensichtlich waren sie dabei sich mittels Magie zu befreien, denn die blitzende Halbkugel breitete sich langsam aus und schob dabei die Steine von den Eltern der Razac. 
In Sekundenschnelle wog Murtagh ihre Optionen ab. 
So wie es aussah, würden ihre gefangenen Gegner nicht mehr lange vergraben bleiben und schon alleine gegen ihre Feinde in der Luft würden sie es offensichtlich sehr schwer haben. Eragon hatte inzwischen den Großteil von Saphiras Verletzungen geheilt, aber inzwischen konnte er überdeutlich die zunehmende Schwäche in dem Körper der blauschimmernden Drachendame sehen. Und auch Dorn schlug immer matter mit den Flügeln. Seine Augen funkelten zwar noch immer angriffslustig, aber sein Knurren war halbherzig und seine Körperhaltung träge. 
Wohingegen die Lethrblaka noch immer taufrisch wirkten. Sie sahen aus, als ob sie gerade von einem erholsamen Nickerchen aufgewacht wären. 
Beiden Reitern war klar, dass sie diesen Kampf in ihrem Zustand nicht würden gewinnen können. Resigniert hob Eragon die Hand und winkte seinem Bruder zu. Murtagh nickte schweren Herzens zum Zeichen, dass er verstanden hatte. Mit einem letzten Brüllen in Richtung ihrer näherkommenden Feinde, flogen die beiden Reiter und ihre Drachen zurück in Richtung des Heerlagers der Varden. Weder Murtagh noch Dorn hatten damit gerechnet, dass die erste Schlacht in der sie an der Seite der Varden kämpften, so enden würde. 

Der Weiße SchattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt