47. Zorn des Adels

354 17 0
                                    

Das dumpfe Klirren von Eisenketten riss Murtagh aus seiner Benommenheit. Stöhnend öffnete er die Augen. Das erste was er erblickte war das rubinrote Auge seines Seelengefährten was ihn angespannt musterte. Gleich darauf flutete die Erleichterung seines Drachen sein Bewusstsein. „Endlich bist du aufgewacht. Ich habe mir schon Sorgen gemacht." Verständnisvoll strich Murtagh Dorn über die Schnauze. „Das kann ich verstehen. Das war eine wirklich außergewöhnliche Erfahrung." Dorn nickte. „Ich habe nicht viel davon mitbekommen, die Geister haben deinen Verstand so vereinnahmt, dass es mir unmöglich war zu dir durchzudringen, aber was ich gespürt war, war außergewöhnlich. Es war, als ob sich ein Licht in deinem Inneren ausgebreitet hätte, das Teile deines Bewusstseins erleuchtet hat, die dir vorher gar nicht bewusst waren." Nachdenklich lauschte Murtagh seinem Drachen.
Es stimmte, jetzt wo er genau darauf achtete, fühlte er sich in der Tat anders. Es war nicht so, dass er auf einmal alle Entscheidungen, die er in der Vergangenheit getroffen hatte, anders sehen würde, aber es schien ihm als ob er zahlreiche neue Facetten daran erkennen würde, die er damals gar nicht in seine Entscheidungen mit einbezogen hatte. Auch wenn er jetzt sein Umfeld musterte, stellte er fest, dass sich einiges verändert hatte. Die Nacht hatte sich inzwischen wieder über den kleinen Lagerplatz gesenkt und am Himmel konnte er vereinzelt einige Sterne durch die dichte Wolkendecke funkeln sehen.
Kurz brach in ihm wieder das Gefühl des Glanzes auf, der von dort oben auf die Erde fiel, aber er schüttelte das erhebende Gefühl ab und wandte sich stattdessen wieder dem Wesentlichen zu. Der kleine Lagerplatz lag verlassen da. Abgesehen von ihm und Dorn war niemand mehr anwesend. Doch noch viel wichtiger, die eisernen, mit violetten Juwelen verzierten Ketten, die ihn noch vor kurzem gefesselt hatten, lagen unscheinbar und harmlos zu seinen Füßen. „Wo sind Karis und Sereth?", stellte er die erste Frage, die ihm durch den Sinn kam.
„Als die Geister, mit deiner Bewusstseinserweiterung fertig waren und wieder in der Nacht verschwunden sind, haben sie dich noch eine Weile beobachtet. Sie waren anscheinend unsicher, ob dein wahrer Namen sich wirklich geändert hat. Weil sie das aber nicht feststellen konnten, solange du noch ohnmächtig warst, wollten sie warten, bis du wieder bei Bewusstsein bist. Aber vor einer knappen halben Stunde, ist dieser alte elfische Reiter mit seinem Drachen wieder hier aufgetaucht. Er hat uns erzählt, dass große Unsicherheit und Fassungslosigkeit den Kronenrat der Elfen ergriffen hat. Er hat ihnen von der Lebensgeschichte des Schattenläufers erzählt und sie haben die Wahrheit über ihren damaligen Fehler anscheinend nicht gut aufgenommen."
Verstehend nickte Murtagh. Weil seine Glieder durch das lange Sitzen relativ träge geworden waren, versuchte er sich aufzusetzen, doch zu seiner Überraschung reagierten seine Arme und Beine merkwürdig träge. So als ob sein Körper unter weichem Sand feststecken würde. Als er versuchte sich hochzustemmen, wäre er fast wieder gestürzt, wenn ihn der breite Kopf seines Seelengefährten nicht aufgefangen hätte. „Langsam", brummte Dorn, „Karis hat schon erzählt, dass es eine Weile dauern könnte, bis sich dein Geist und dein Körper wieder aneinander gewöhnen werden. Immerhin waren die beiden ziemlich lange voneinander getrennt."
„Hat er auch erwähnt, wie lange das ungefähr dauern wird?" „Er sagte, spätestens morgen früh bist du wieder so gut wie neu." Mit einem leichten Stoß seiner Klaue, half er seinem Reiter sich aufzusetzen, dabei viel Murtaghs Blick wieder auf die abgenommenen Ketten. „Wenn sie nicht sicher waren, ob sich mein wahrer Name geändert hat, weshalb haben sie mir dann die Ketten abgenommen?", fragte er seinen roten Drachen verwundert. „Haben sie nicht.", entgegnete dieser, „Bevor sie mit dem alten Elfen aufgebrochen sind, hat Karis den Zauber, der auf diesen Ketten liegt leicht verändert. Wenn sich dein wahrer Name ändert, dann sollten sie von selbst abfallen. Und dass haben sie kurz nachdem sie weg waren auch getan." „Dann sind wir frei?", wollte Murtagh nach einigen Augenblicken fassungslosen Schweigens wissen. „Ja, Murtagh das sind wir."

Angespannt beobachtete Karis die Mitglieder des Kronenrates der Elfen, die ihm zusammen mit der Elfenkönigin Islanzadi und dem Drachenreiter Oromis, gegenüber standen. Die maskenhaften Gesichtszüge der Elfen, verrieten nichts darüber, was in den Mitgliedern des schönen Volkes vorging. Doch ihre Augen verrieten, dass sie ihn nicht so neutral betrachteten, wie ihre Gesichtszüge vermuten ließen. Während der Großteil der Elfen, die in dem kleinen Zelt versammelt waren, noch immer geschockt zu sein schien, ob der Enthüllung des Fehlers, den ihr Volk in der Vergangenheit zusammen mit dem Orden der Drachenreiter begangen hatte und sich eine tiefe Trauer in ihren Augen verbarg, kam Karis nicht umhin auch den Zorn zu bemerken, der in drei der Adligen schwellte. Er waberte wie glühender Rauch, hinter ihrem mentalen Schutzwall hervor und schien über seinen Geist zu streichen.
Unter normalen Umständen war es ihm relativ gleichgültig, ob ihn jemand verachtete, doch die Tatsache, dass es sich bei den drei Elfen um Mitglieder des Kronenrates handelte, verkomplizierte die Sache deutlich. Sie schienen weniger erschrocken über die Tatsache zu sein, dass ihr Volk zwei Jahre lang einen Unschuldigen gehetzt hatte, sondern viel mehr, schienen sie erregt darüber zu sein, dass es in der Vergangenheit ihres Volkes ein Ereignis gegeben hatte, das die Unfehlbarkeit ihres Volkes in Zweifel zog.
Und in Karis stand die Ursache dieses Zweifels vor ihnen. Die Herrscherin der Elfen dagegen, schien in gewisser Weise zwischen den einzelnen Parteien zu stehen. Sie zeigte mit keiner Gefühlsregung, wie sie zu seiner Geschichte stand. Mit beeindruckender Ausdruckslosigkeit, sagte sie: „Ich heiße euch im Heerlager der Elfen willkommen, Schattenläufer." Höflich neigte Karis den Kopf. „Es ist mir eine Ehre hier zu sein." Auch seine Stimme verriet nicht, was er in diesem Moment empfand. „Ich hoffe, dass meine unerwartete Rolle in der Geschichte eures Volkes, hat nicht zu Schwierigkeiten geführt hat. Ich würde es bedauern, wenn das Selbstvertrauen des Elfenheeres sich von etwas beeinträchtigten lässt, das bereits mehr als 100 Jahre her ist." Kurz meinte er so etwas wie Wut in den Augen der Elfenkönigin flackern zu sehen, dennoch blieb ihre Stimme klar wie ein Gebirgsbach.
„Ich leugne nicht, dass das Geheimnis, welches Argetlam Oromis gestern dem Kronenrat der Elfen mitgeteilt hat, große Wellen in unseren Kreisen geschlagen hat." Karis nickte verständnisvoll. Das war vorherzusehen gewesen.
„Deshalb haben wir uns entschieden, diese Entwicklung, vorerst nicht mit dem ganzen Volk der Elfen zu teilen."
Überrascht hob Karis eine Augenbraue. „Ihr wollt eurem Volk nichts von mir erzählen?" Bedauernd hob die Elfenkönigin ihre Schultern. „Wie ihr schon gesagt habt, sind die Reaktionen unseres Volkes auf eine solche Neuigkeit recht unvorhersehbar. Wir können nicht riskieren, dass eure Rolle in der Vergangenheit, Auswirkungen auf die Moral unseres Heeres hat. Es würde Selbstzweifel schüren. Manche würden sogar an der Rechtmäßigkeit unseres Kampfes gegen den Tyrannen zweifeln und die Reinheit unseres Volkes in Frage stellen. Das dürfen wir nicht zulassen." Kurz verstummte die Elfe und schien sich zu sammeln. „So sehr ich unsere Rolle in eurer schmerzhaften Vergangenheit auch bedaure, zum Wohle unseres gemeinsamen Kampfes gegen Galbatorix dürfen wir dieses Geheimnis zum jetzigen Zeitpunkt nicht enthüllen." Während der Großteil des Kronenrats über diesen Beschluss relativ unglücklich wirkte, so strahlten ihm die drei Elfen, bei denen es sich um zwei Männer und eine Frau handelte. ihre überschäumende Selbstgefälligkeit, geradezu entgegen. Trotz der ihrem Volk eigenen Disziplin, war ihnen klar anzusehen, dass es ihnen gefiel, den Schattenläufer dafür zu bestrafen, dass er praktisch ein Makel in der Vergangenheit ihres Volkes war.
„Ich halte das für keine gute Idee, Islanzadi-Dröttning. Wenn wir unsere Augen vor den Fehlern unserer Vergangenheit verschließen, laufen wir dann nicht Gefahr sie zu wiederholen?", unterbrach plötzlich die Stimme einer der weiblichen Mitglieder des Kronenrates die Stille. Die grazile Elfe, mit silbernen Haaren stand etwas abseits der Gruppe und hatte sich anscheinend von dem Schock erholt, der den Großteil ihres Rates befallen hatte. „Ich meine, dieser Drachenreiter hat in der Vergangenheit so sehr unter unserem Volk gelitten, verdient er es nicht, dass wir uns zumindest öffentlich bei ihm entschuldigen?" Kurz wanderte sie sich zu dem Schattenläufer, doch als er ihren Blick erwiderte, senkte sie ihre Augen.
„Und der Moral unserer Truppen den Todesstoß versetzen?", peitschte die aufgebrachte Stimme, von einem der Elfenfürsten durch die Stille, die die Frage der Adligen erzeugt hatte. „Unserer Truppen sind bereits erschüttert, ob der Tatsache, dass es dem König beinahe gelungen ist Argetlam Oromis zu töten. Soll ihr Selbstvertrauen wirklich vollkommen zerschmettert werden, nur um jemanden zufrieden zu stellen, der in all den Jahren von Galbatorix Herrschaft, nie auch nur den Versuch unternommen hat, gegen dessen Unterdrückung zu kämpfen?"
„Im Gegensatz zu euch, nehme ich an. Wie oft habt ihr in den letzten 100 Jahren eure schützenden Wälder verlassen, um gegen den Tyrannen zu kämpfen?", unterbrach Karis spöttisch die wütende Tirade des Elfenfürsten. Zwar legte er ebenfalls Wert auf die Moral der Truppen und unter normalen Umständen, wäre er eigentlich mit der Entscheidung der Elfenkönigin einverstanden gewesen, doch so ließ er nicht mit sich reden. „Wie könnt ihr es wagen? Wisst ihr überhaupt wer vor euch steht?" Zornig funkelte der Adlige ihn an, was Karis jedoch nur ein müdes Lächelnd abtrotzte. „Nein, wie sollte ich auch. Immerhin hattet ihr nicht den Anstand euch vorzustellen." Während der spöttische Tonfall des Drachenreiters, zunehmend an der Selbstkontrolle des Elfenfürsten nagte, warf Oromis Karis einen warnenden Blick zu. Doch gerade als der wütende Adlige, die Stimme wieder erheben wollte, ergriff die Königin das Wort.
„Das genügt." Streng blickte sie den Elfenfürsten und Karis in die Augen. Doch während der Elf unter der Maßreglung etwas schrumpfte, erwiderte Karis ihren Blick unbeeindruckt. Seine Gesichtszüge blieben völlig gelassen, doch das spöttische Lächeln verschwand von seinen Lippen. Höflich neigte er den Kopf. „Ich bitte um Verzeihung, Hoheit." Die Königin nickte. „Ich verstehe eure Situation. Oromis hat uns über eure schwierige Vergangenheit aufgeklärt, daher ist es nicht verwunderlich, dass ihr etwas erregbar auf Bemerkungen meines Volkes reagiert. Doch nichts destotrotz", fuhr sie an die Elfe gewandt fort, die einen Einspruch gegen ihre Entscheidung erhoben hatte, „fürchte ich, dass ich zumindest zum jetzigen Zeitpunkt Fürst Erinthal zustimmen muss. Es würde der Moral unserer Truppen einen herben Schlag versetzen, wenn sie erfahren würden, was sich damals zwischen unserem Volk und euch zugetragen hat. Von unserem Verhältnis zu unseren Verbündeten ganz zu schweigen." Bei dem zweiten Punkt den sie erwähnte, warfen sich einige der Elfen verwirrte Blicke zu. Doch Karis, der sich bevor er sich den Varden angeschlossen hatte, dieselben Gedanken gemacht hatte, begriff worauf sie hinauswollte.
„Ihr befürchtet, dass Galbatorix diese Umstände nutzt um seinen Angriff auf den alten Orden zu rechtfertigen und Zweifel an der Gerechtigkeit des Krieges gegen ihn, zu säen."
Die Elfenkönigin nickte. „So sehr es mich auch betrübt, ich denke, dass es im Augenblick besser ist, wenn niemand von deiner Geschichte erfährt." Pure Gehässigkeit strahlte Karis aus den Augen der drei Elfen entgegen, die ihn feindselig musterten, während die restlichen Mitglieder des Kronenrates und Oromis ihn entschuldigend musterten. „So etwas hatte ich bereits erwartet." Überraschung schlich sich auf die Gesichter Elfen, als er fortfuhr. „Das war auch einer der Gründe, warum ich die ganze Geschichte meiner Vergangenheit nicht sofort offenbart habe, als ich bei den Varden angekommen bin." „Und ihr habt keine Einwände?", fragte eine schwarzhaarige Elfe, die der größeren Gruppe des Kronenrates angehörte, ihn erstaunt. Karis schüttelte den Kopf. „Wie ihr schon gesagt habt, Königin Islanzadi, im Moment geht der Kampf gegen Galbatorix vor. Und die Enthüllung, meiner Lebensgeschichte wäre zweifellos hinderlich für das gemeinsame Ziel, auf das die freien Völker Alagaesias hinarbeiten."
Während der Großteil der Elfen, darunter auch die Königin und der alte Drachenreiter, sichtlich erleichtert ob der Bereitschaft des Schattenläufers waren, Stillschweigen zu bewahren, wirkten die restlichen drei enttäuscht. Ganz offensichtlich hatten sie mit größerem Widerspruch gerechnet. Kurz erläuterten die Königin noch mit dem Schattenläufer die Umstände seiner Unterbringung und die seines Drachens und bot ihm an ihm einige Elfenmagier zur Verfügung zu stellen, um den von ihm gefangenen Drachenreiter zu bewachen, doch noch bevor er etwas dazu sagen konnte, ertönte die Stimme der Elfenfürstin, die ihn schon die ganze Zeit abschätzig gemustert hatte. „Bei allem Respekt eure Hoheit, aber ich halte es für keine gute Idee, wenn der Schattenläufer verstärkt Kontakt zu unserem Volk hat?" „Wieso nicht?", wollte Islanzadi wissen. „Zur damaligen Zeit jagten ganze Truppenkontingente den weißen Schatten. Haltet ihr es nicht für wahrscheinlich, dass einige von ihnen, ihn wiedererkennen könnten.", antwortete die Adlige, bevor sie an Sereths Reiter gewandt fortfuhr.
„Wir sind euch selbstverständlich sehr dankbar für euer Verständnis unserer schwierigeren Situation gegenüber, aber denkt ihr nicht in Anbetracht des Wertes den eure Geschichte für den gemeinsamen Kampf der Völker hat, sollten wir noch etwas mehr Sicherheit haben, was eure Verschwiegenheit angeht." In diesen Worten schwang so viel geheuchelte Freundlichkeit mit, dass Karis sich augenblicklich die Nackenhaare aufstellten.
Doch noch bevor er sich danach erkundigen konnte, was sie damit sagen wollte, fragte Oromis ruhig: „Worauf wollt ihr hinaus, Fürstin Dallanis?" Noch immer mit einem falschen Lächeln wandte sich die Elfe an den Letzten des alten Ordens. „Ich denke nur in Anbetracht der Umstände ist es notwendig, dass sich unser neuer Verbündeter fürs erste ein wenig von den Reihen der Elfen fernhält. Ich glaube nicht, dass es förderlich für unsere Sache wäre, wenn einer der Elfenkrieger, die damals mit der Jagd nach dem weißen Schatten betraut waren, ihn wiedererkennen."
Schlagartig sank die Temperatur im Zelt um einige Grad. Karis Hände verkrampften sich zu Klauen. Draußen vor dem Zelt stieß sein Drache, der die ganze Zeit zusammen mit seinem größeren Artgenossen, dort gewartet und das Ganze durch die Augen seines Reiters beobachtet hatte, ein wütendes Fauchen aus. „Ich denke nicht, dass das notwendig sein wird, Fürstin Dallanis.", versuchte die Elfenkönigin die angespannte Situation zu entschärfen, „Der Schattenläufer scheint sich des Ernstes der Lage durchaus bewusst zu sein und die ganze Angelegenheit ist auch schon fast 100 Jahre her. Selbst in unserem Volk ist das kein großer Zeitraum und aufgrund seiner äußerlichen Veränderungen, denke ich nicht, dass es notwendig ist ihn auch noch von unserem Volk fernzuhalten." „Aber was ist seinem Drachen?", wandte die Elfenfürstin ein, „So sehr ich auch die allgemeine Bewunderung unseres Volkes für die edle Gestalt der Skulblaka teile, so denke ich doch, dass sein Aussehen zu auffällig ist."
Dieses Mal war es Oromis, der ihre Frage beantwortete. Mit leichten Schritten trat er zum Ausgang des Zeltes. „Ich denke nicht, dass ihr euch darum sorgen machen müsst." Schwungvoll öffnete er den Eingang. Draußen standen zahlreiche Elfen, die sowohl dem weißen Drachen, als auch seinem größeren Artgenossen in respektvollem Abstand gegenüber standen und ihnen bewundernde Blicke zuwarfen. „Ich denke, die Freude unseres Volkes darüber einen weiteren Vertreter der Drachenart zu erblicken, ist weit größer, als ihr Misstrauen, einer alten Geschichte wegen."
Während die beiden Mitglieder des Kronenrates um Fürstin Dallanis, bei diesen Worten aussahen, als hätten sie auf eine Zitrone gebissen, wirkten die restlichen Anwesenden im Zelt, recht erfreut über das Bild, das sich ihnen bot. Auch Karis hatte seine Haltung wieder etwas gelockert. Mit ruhiger Stimme meinte er: „Ich kann eure Bedenken durchaus verstehen, Fürstin. Und ich kann euch versichern, dass ich ohnehin vorhatte, mich für den Anfang, einen gewissen Abstand zu eurem Volk zu wahren." Entschuldigend wandte er sich zu der Elfenkönigin. „Bitte, fasst das nicht als Beleidigung auf, doch in Anbetracht der damaligen Umstände, ist mir immer noch ein wenig unwohl, wenn ich mich über einen längeren Zeitraum innerhalb eures Heeres aufhalte."
Verstehend nickte die Elfenkönigin und auch die meisten anderen Mitglieder des Kronenrates reagierten verständnisvoll. Danach verabschiedete sich Karis und trat hinaus in die Sonne. Amüsiert stellte er fest, dass die meisten Elfen ihn überhaupt nicht beachteten. Sie waren ganz in den Anblick der beiden Drachen vertieft, die vor dem Zelt auf ihre Seelengefährten warteten. „Und wie ist es mit den Elfen gelaufen?", wollte Sereth wissen, kaum dass der Schattenläufer die kurze Distanz zwischen ihnen überwunden hatte und sich neben ihn stellte.
„Wie erwartet.", antwortete Karis, während er freundschaftlich über die Flanke seines Drachen strich. „Die meisten sind erschüttert über die Wahrheit, drei sind ziemlich wütend auf den Schmutzfleck in der Geschichte ihres Volkes und die Königin hat aus der Angelegenheit denselben Schluss gezogen, wie ich. Dass es vorerst besser wäre, wenn keiner von ihnen, von meiner Rolle im damaligen Krieg erfährt." Kurz ging er in Gedanken noch einmal die Konversation durch, die er in dem Zelt geführt hatte. Für gewöhnlich teilten die beiden Seelengefährten zwar alle Eindrücke, doch schon bei den Varden hatte Sereth festgestellt, dass Politik für einem Sohn des Himmels und Feuers schlichtweg zu ermüdend war.
Daher hatte er seinen Geist von dem seines Reiters abgeschottet und hatte sich stattdessen auf die Elfen konzentriert, die in diesem Moment das Zelt umringten. Jetzt brummte er nachdenklich, als er die Bilder betrachtete, die Karis ihm sandte.
„Das mit diesen drei Elfen könnte noch interessant werden. Glaubst du mit ihnen wird es noch Ärger geben?" „Vermutlich.", entgegnete der Schattenläufer, während er sich an der schwarzen Drachenrüstung in die Höhe zog und auf dem Rücken seines weißen Seelengefährten niederließ. „Aber ich denke nicht, dass sie uns körperlichen Schaden zufügen werden."
„Warum", wollte der Drache wissen, „Wenn ich sie in deiner Erinnerung betrachte, scheinen sie durchaus zornig genug, um etwas Dummes zu tun."
„Mag sein. Aber zum jetzigen Zeitpunkt brauchen sie uns noch. Ein weiterer Drache und Reiter die auf ihrer Seite kämpfen, erhöhen die Moral ihrer Truppen, solange ich den Mund halte. Davon abgesehen, waren gerade alle da drinnen Zeuge, dass sie mich nicht sonderlich mögen. Wenn einem von uns etwas zu stößt, wären sie die ersten Verdächtigen."
Ein letztes Mal musterte Sereth das kunstvolle grasgrüne Kommandozelt der Elfen mit seinen violetten Augen, bevor er sich kräftig vom Boden abstieß und in die Höhe stieg. Die Haare der Elfen, die in der Nähe standen, wurden von dem plötzlichen Windstoß nach hinten geweht und vereinzelt wirbelten einige kleine Schneeflocken durch die Luft. „Ich hoffe für uns beide, dass du Recht hast, kleiner Schatten."

Der Weiße SchattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt