Stöhnend vor Schmerzen, schleppte sich Murtagh die letzten Stufen zum Drachenhort herab, den er zusammen mit seinem Seelengefährten Dorn bewohnte. Sein Zimmer befand sich in einem der Verliese von Galbatorix Zitadelle, daran angrenzend lag eine große Halle, die in einer Einflugöffnung mündete, die im Moment von einem massiven Tor verschlossen war, das niemanden herein oder herausließ. Der junge Drachenreiter schnaubte. Nicht, dass er die Möglichkeit gehabt hätte die Stadt oder auch nur die Festung ohne Befehl des Königs zu verlassen. Da sowohl er als auch Dorn durch Eide und ihre wahren Namen an den König gebunden waren, war an Flucht nicht zu denken. Resigniert sog er die Luft ein. Es hatte keinen Zweck, sich die Freiheit zu wünschen.
Er hatte keine Möglichkeit zu entkommen. „Hör auf dich selbst zu bemitleiden.", erklang auf einmal eine melodische Stimme streng in seinem Kopf, als er die letzten Stufen hinter sich gelassen hatte und in seinem spärlich eingerichteten Zimmer ankam. Obwohl die Worte harsch geklungen hatten, so hatte Murtagh doch die Sorge wahrgenommen, die in der Stimme mitgeklungen hatte und beeilte sich seinen roten Seelengefährten, dessen blutrotes Auge ihn aus der Tür die zu dem Teil seiner Behausung führte, den sein Drache gezwungenermaßen bewohnte, anfunkelte, zu beruhigen. „Mach dir keine Sorgen Dorn, es war alles halb so schlimm." Der rote Drache schnaubte ungläubig. Argwöhnisch musterte er seinen Reiter nach den Spuren der Bestrafung, die er für sein erneutes Versagen bei dem Versuch seinen jüngeren Bruder einzufangen, erhalten hatte. Doch Murtagh ließ sich nichts anmerken. Auch in seinem Geist verbarg er die Bilder der Folterqualen, die ihm noch bis vor wenigen Stunden zugefügt worden waren. Auch wenn er seinem Drachen für das Verlangen seinen Schmerz mit ihm zu teilen durchaus dankbar war, so tat er doch stets sein Möglichstes um eben dies zu vermeiden. Es schmerzte ihn schon genug, wenn er die Qualen miterlebte, die Dorn häufig aufgrund des durch Galbatorix beschleunigten Wachstums erleiden musste, da wollte er seinem Gefährten nicht auch noch die Schmerzen aufbürden, die er zu tragen hatte.
„Das ist eine vollkommen falsche Sichtweise.", bemerkte Dorn, der die Gedanken seines Reiters verfolgt hatte. „Was meinst du?" „Dein Verlangen allen Schmerz von mir fernzuhalten, aber mir nicht zu gestatten dasselbe für dich zu tun.", entgegnete der Rote. „Dorn, das ist meine Pflicht. Wäre ich stärker gewesen, dann wärst du nicht...." Obwohl er die Worte nur im Geist aussprach schien Murtaghs Stimme bei den letzten Worten zu brechen. Dorn summte leise und beruhigend, als er die Schuldgefühle wahrnahm, die seinen Reiter bei diesen Worten durchströmten, trotzdem antworete er entschieden: „Es ist nicht deine Schuld.". Sacht schob er seine Klaue durch die Türöffnung und zog seinen Reiter mit einer sanften Bewegung zu sich heran. Leise summend schmiegte er seine Wange an den seinen Seelengefährten. Langsam entspannte sich der Körper des Drachenreiters, während sein Drache im Stillen den Mörder und Verräter der ihm und seinem Reiter so viel Leid bereitete, verfluchte.
Als er bei Murtagh geschlüpft war, da hatte der Geist seines Reiters für einen kurzen Moment gestrahlt. Dorn hatte Fassungslosigkeit und grenzenlose Zuneigung bei ihm wahrgenommen, aber der kurze Moment der Freude war ihnen nur kurz gewährt gewesen, denn bereits wenige Augenblicke später hatte der Drachenmörder sie wieder getrennt. In verschiedene Zellen hatte er sie bringen lassen, nah genug, dass sie den Geist des jeweils anderen berühren konnten, aber doch zu weit entfernt um einander in ihrem Schmerz beizustehen. Und während Dorns Reiter in dieser Zeit häufig von den Folterknechten des Königs gequält worden war, um ihn davon zu überzeugen ihm zu dienen, hatte der rote Drache auf ganz andere Weise gelitten. Selbst jetzt während sein Reiter neben ihm stand, schauderte es Dorn wenn er daran zurückdachte wie ihn der König mittels Magie gezwungen hatte, schneller zu wachsen. Er hatte diese Zauber immer zum selben Zeitpunkt über ihn gesprochen, zu dem sein Reiter gefoltert worden war. Diese Erfahrung war für den damals noch jungen Drachen sehr verstörend gewesen. Zu spüren wie sein Reiter litt, während immer wieder ein schmerzhaftes Reißen durch seinen Körper zog und ihn zwang seinen Leib zu strecken und sich zu winden. Die gewaltige Unsicherheit, die das gesteigerte Wachstum in ihm ausgelöst hatte, die Unbeholfenheit aufgrund des massigen Körpers der nicht der seine war. In diesen Zeiten war Murtagh seine Rettung gewesen. Obwohl er in dieser Kunst niemals ausgebildet worden war, war er aufgrund der Qualen, die er von dem Drachenküken empfangen hatte, so in Sorge, dass er instinktiv seinen Geist mit dem seines Drachen verbunden hatte. Dadurch war es ihm möglich gewesen, dem jungen Drachen zu helfen, sich an seinen neuen Körper zu gewöhnen. Natürlich war diese geistige Verbindung Galbatorix nicht entgangen.
Im Nachhinein war es sowohl Dorn als auch seinem Reiter durchaus klar, dass der Verräterkönig genau darauf gewartet hatte. Er wollte, dass sich die beiden annäherten, sodass er ein Druckmittel gegen sie in der Hand hatte. Und dieses nutzte er schonungslos aus. In der ersten Nacht nachdem sich die beiden das erste Mal geistig verständigt hatten, hatte Galbatorix sie in seinen Thronsaal rufen lassen. Dort war der Grundstein für ihre Versklavung gelegt worden. Während der junge Reiter durch einen Zauber gefesselt war und sich nicht bewegen konnte, hatte der König dem Drachen, der damals etwa die Größe eines Fuchses gehabt hatte auf unterschiedlichste Arten Schmerzen zugefügt. Noch heute trug Dorn einige der Narben, die ihm damals zugefügt worden waren. Am Schluss war er kaum noch bei Bewusstsein gewesen. Alles was er danach noch wusste, war wie Murtagh neben ihm gekniet und ihn vorsichtig gestreichelt hatte, während der König in seinem Geist herumwühlte.
Damals hatte er ihnen ihre wahren Namen entrissen. „Siehst du.", sanft stupste der rote Riese seinen Reiter an, der mit ihm zusammen die Erinnerungen betrachtet hatte. „Du konntest nichts dafür. Du hast dich dem König nur ergeben, um mich zu beschützen. Du hattest keine andere Wahl." „Trotzdem Dorn.", entgegnete Murtagh, der sich inzwischen an seinen Drachen gelehnt hatte, wobei er sorgsam darauf bedacht war mit seinen Verletzungen nichts zu berühren. „Vielleicht hätte ich mehr tun können." „Was denn? Mit dem König kämpfen?" Der rote Drache schnaubte unwillig. „Du hast doch gesehen über was für eine Macht er verfügt. Selbst du verfügst inzwischen über eine Macht, der kein Magier und auch kein Reiter in Alagaesia etwas entgegensetzen kann und du trägst nur elf Eldunari, er hat mehrere hundert versklavte Drachenseelen, die gezwungen sind ihm zu dienen. Du hättest keine Chance." Wie jedes Mal, wenn er an die versklavten Drachenseelen dachte, die sein Reiter gezwungen war in einer Raumfalte mit sich zu tragen, lief ein Schauder über den jungen Drachen und lenkte ihn kurz von dem Thema ab.
Er hasste es mit diesen wahnsinnigen Seelen in Kontakt zu kommen. Immer wieder riefen sie ihm vor Augen, was Galbatorix seinem Volk angetan hatte. Wie konnte jemand der behauptete das Drachenvolk zu lieben und der vorhatte es wieder auferstehen zu lassen, das einem einst so prachtvollen Volk antun. „Keine Sorge, mein Lieber." Murtagh, der bemerkt hatte wie die Gedanken seines Gefährten abgewichen waren, strich ihm sanft über die Schuppen. „Das wird dir nie passieren." Und mit plötzlich erwachter Entschlossenheit fügte er hinzu: „Wir werden Galbatorix entkommen und dann wird er sich wünschen, er hätte mich nie in die Nähe deines Eis gelassen." „Na das klingt doch schon eher nach dem Reiter, den ich mir erwählt habe.", schmunzelte Dorn und obwohl die Worte leicht spöttisch klangen spürte Murtagh doch den Stolz der seinen Gefährten dabei durchströmte. Eingelullt in die warmen Gefühle die sein Drache ihm sandte, trieb Murtagh in einen tiefen Schlaf. Dorn hob seinen rechten Flügel und zog seinen Reiter vorsichtig zu sich heran. Sein Kleiner sollte sich ausruhen. Das hatte er sich nach Galbatorix Bestrafung mehr als verdient.
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Der Weiße Schatten
FanfictionEin weißer Drache und sein Reiter retten Eragon am Helgrind das Leben und helfen ihm zurück zu den Varden zu gelangen. Doch über ihre Vergangenheit hüllen sich die beiden in Schweigen und auch ihre Fähigkeiten geben den Varden und ihren Verbündeten...