Die Stimmung im Zelt der Elfen war enorm angespannt. Sie hatten gerade durch den Spiegel von dem katastrophalen Ausgang des ersten Tages der Belagerung von Dras Leona erfahren und saßen und standen jetzt nachdenklich um den Planungstisch herum, auf dem sich die Bewegungen der einzelnen Streitkräfte, die im Moment durch das Land walzten, abzeichneten. Die von den Elfen und ihren Verbündeten bereits eroberten Städte waren blau markiert, wohingegen die noch von dem Tyrannen kontrollierten Gebiete rot waren.
Die im Moment umkämpfte Stadt Dras Leona war rot inmitten von blauen Punkten, eine Merkmal für die gegenwärtige Belagerung.
„Seid so nett, und schildert uns die Ereignisse noch einmal, Nasuada?“, bat Islanzadi nachdem sie einen Moment über den Bericht nachgedacht hatte. Die Anführerin der Varden, jenseits des Spiegels nickte. Sie wusste wie wichtig in solchen Angelegenheiten ein ausführlicher Informationsaustausch war und da die Elfen wesentlich mehr über die Magie wussten als sie waren sie vermutlich auch am ehesten in der Lage, die unnatürliche Stärke der Lethrblaka zu erklären. Doch noch bevor sie der Bitte der Elfenkönigin nachkommen konnte, knurrte Orrin ärgerlich: „Was gibt es da noch hinzuzufügen? Wir wurden in der ersten Schlacht vernichtend geschlagen, weil unsere beiden Reiter mit eingekniffenem Schwanz das Weite gesucht haben, was dazu führte, dass zahlreiche gute Männer ihr Leben lassen mussten. Was wollt ihr sonst noch wissen?“
Einige der Elfenfürsten kniffen ob dieser ungehobelten Antwort die Augen zusammen und Nasuada warf Orrin einen tadelnden Blick zu, doch Islanzadis Miene blieb neutral. Ungerührt entgegnete sie: „Ich würde gerne noch einmal eine genaue Schilderung der Geschehnisse hören, da die Macht welche die Lethrblaka eurer Aussage nach besaßen keinesfalls natürlichen Ursprungs sein kann. Kein einzelner Magier, egal aus welchem Volk besitzt genügend Macht um sich vor den wütenden Angriffen zweier ausgewachsener Drachen zu schützen. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass diese geflügelten Unheilbringer nicht in der Lage sind Magie zu wirken. Darum müssen wir so viel wie möglich über diese Fähigkeit in Erfahrung bringen, damit wir uns gemeinsam überlegen können, wie wir dagegen vorgehen können.“
„Und der beste Weg dies zu erreichen ist ein ausführlicher Informationsaustausch.“, endete Nasuada, die dem Gedankengang der Elfenkönigin gefolgt war. Die ältere der beiden Herrscherinnen nickte. In knappen Worten, umriss Nasuada noch einmal die Ereignisse des letzten Tages. Wie die beiden Drachen in die Luft gestiegen waren um die Mauern anzugreifen und den Varden so einen erfolgreichen Bodenangriff zu ermöglichen und wie sie von den sechs Lethrblaka abgefangen worden waren. Danach übernahmen Murtagh und Eragon und schilderten ihre jeweiligen Auseinandersetzungen mit den geflügelten Scheusalen. Ihre Berichte waren größtenteils identisch und besonders im Kern besagten sie dasselbe. Diese Ungeheuer besaßen Schutzzauber, die viel zu mächtig waren.
Als sie geendet hatten, meldete sich Oromis, der bis jetzt stumm neben Karis in einer Ecke gestanden hatte, zum ersten Mal zu Wort. „Könnte es sein, dass sie ihre Kraft aus derselben Quelle schöpfen, wie du als du noch unter Galbatorix Befehl standest?“, fragte er an Murtagh gewandt. Bei der Erinnerung an diese schlimme Zeit fiel kurz ein Schatten über das Gesicht des schwarzhaarigen Reiters, doch er fing sich schnell wieder. Entschieden schüttelte Eragons Bruder den Kopf. „Das kann nicht sein. Das war das erste, was ich während des Kampfes mit meiner Windvision überprüft habe. Eine Kraftquelle, wie die die ich besessen habe, hätte ich unmöglich übersehen können.“ „Windvision?“, fragte Orrin, der über die Fähigkeiten des neuesten Reiters auf ihrer Seite nicht ausführlich informiert worden war, argwöhnisch.
„Das ist eine Fähigkeit, die ich dank Karis gemeistert habe.“, erläuterte der schwarzhaarige Reiter, „Dadurch bin ich in der Lage innerhalb kürzester Zeit genaue Informationen über meine Gegner zu sammeln.
Zweifelnd blickte der Herrscher Surdas ihn an, doch bevor er etwas sagen konnte, ergriff Nasuada wieder das Wort. „Aber was kann dann der Grund für ihre unnatürliche Macht sein?“ Fragend blickte sie durch den Spiegel zu den erfahreneren Anwendern der Magie, doch weder die Elfen noch der Schattenläufer hatten eine Antwort. Für einen Moment erfüllte nachdenkliches Schweigen den Raum, bis Murtagh erneut das Wort ergriff: „Ich hätte vielleicht einen Hinweis."
Überrascht drehten sich die anderen Anwesenden zu ihm um. „Als Dorn verletzt zu Füßen der Kathedrale lag und die Lethrblaka davon ausgegangen sind, dass sie uns erledigen würden hat eines von ihnen damit geprahlt, dass Galbatorix ihren Anhägern die Macht verliehen hätte ihnen die Lebenskraft ihrer Beute zu opfern. Ich habe mir damals nichts dabei gedacht, da ich es für philosophisches Geschwätz hielt, ähnlich dem was die Jünger des Helgrinds von sich geben, aber jetzt ist mir das wieder eingefallen.“
Er brach ab, als er den entgeisterten Blick des alten Elfen durch den Spiegel hindurch sah. Oromis wirkte vollkommen entsetzt.
Seine Selbstkontrolle war beinahe völlig von ihm abgefallen und nur die Irritation die Murtaghs Aussage in den beiden Zelten ausgelöst hatte, war der Grund dafür, dass außer dem Schattenläufer noch niemand seinen entgeisterten Gesichtsausdruck bemerkt hatte. „Was meinte er mit Anhänger?“, stellte einer der Elfenfürsten eine der vielen Fragen, die gerade unausgesprochen im Raum standen. „Sicher ist doch niemand so verrückt diesen Kreaturen dienen zu wollen.“
„Das stimmt nur teilweise.“; antwortete Sereths Reiter abwesend, während er beunruhigt den Letzten des alten Ordens beobachtete.
Er kannte den alten Elf als Symbol für Selbstkontrolle. Seine Selbstbeherrschung war während der ganzen Auseinandersetzung mit den Chimären kein einziges Mal ins Wanken geraten, noch hatte er sich im Anschluss von dem Leid seines Volkes und den Schmerzen der Hinterbliebenen verzerren lassen.
Zwar hatte er ihnen gegenüber angemessenes Mitgefühl gezeigt und auch getrauert, aber er war dennoch stark und diszipliniert geblieben.
Was auch immer aus der Aussage von Dorns Seelengefährten geschlossen hatte, musste wirklich furchtbar sein, wenn es ihn so aus der Fassung brachte. Daher behielt der Schattenläufer ihn beunruhigt im Auge, während er der Frage des Adligen antwortete. „Die Religion der Jünger des Helgrinds ist nur eine Fassade. Sie beten keinen der Berge an. Sie beten die an, die dort hausen.“ Angewidertes Schweigen folgte den Worten des grauhaarigen Reiters. „Barzuln!“, fasste schließlich Orik alle ihre Gedanken in einem Wort zusammen. „Wie kann man so krank im Hirn sein etwas anzubeten, das nur von dem Verlangen angetrieben wird einen zu fressen?“
Nar Garzhvog stieß ein bestätigendes Knurren aus.
„Sie müssen vor Panik im Angesicht dieser Madenbrut verrückt geworden sein.“ „Furcht dürfte mit Sicherheit ein essentieller Bestandteil ihres Glaubens sein.“; schloss Arya mit ihrer gewohnt rationalen Art. „Vermutlich hatten ihre Vorfahren einst das Gefühl vor einem Feind zu stehen, den sie nicht besiegen oder verstehen konnten und die daraus resultierende Furcht hat zu dieser kranken Art der Anbetung geführt.“ Sie wollte noch mehr sagen, doch wurde sie von Oromis unterbrochen, der an Murtagh gewandt fragte: „Bist du dir sicher, dass das genau seine Worte waren?“
Seine Stimme klang beinahe flehend und Dorns Reiter blinzelte einen Moment verwirrt, ehe er nickte. „Ja, bin ich, weshalb?“
Oromis wurde blass. „Weil ich denke, dass ich dann weiß woher diese Kreaturen ihre Macht ziehen und wenn ich Recht habe, dann dürfte die Eroberung Dras Leonas beinahe unmöglich werden.“ „Was meint ihr damit Ebrithil?“, erkundigte sich Eragon vorsichtig. Ihm schwante nichts Gutes.
Wenn die Nachricht seinen Lehrmeister ebenso stark durcheinander brachte wie die Botschaft von Elvas missglückter Segnung, dann musste sie wirklich schlimm sein.
„Erinnerst du dich noch an die letzte Lektion, die du in Ellesmera meistern musstest. Die Technik, die selbst in den Reihen des alten Ordens nur auserwählten Mitgliedern des Ältestenrates bekannt war?“, fragte der alte Elf unvermittelt, ohne seine Frage zu beantworten.
Sein Schüler zögerte einen Moment verwirrt, doch dann riss er die Augen auf.
Erkenntnis breitete sich in ihm aus gefolgt von namenlosem Entsetzen. Sein Gesicht wurde ebenso blass wie das seinen Mentors und die anderen Anwesenden betrachteten mit zunehmender Sorge, wie die beiden Reiter sich durch stumme Blicke austauschten. Orrin riss als erster der Geduldsfaden. „Hättet ihr die Güte uns andere auch einzuweihen?“; schnappte er aufgebracht ob der Ignorierung seiner Person.
Eragon löste seinen Blick von seinem Lehrmeister und blickte den König an. Sein Gesicht war noch immer blass, doch in seinen Augen glomm ein Funke, der den Herrscher verstummen ließ. Dennoch antwortete er ruhig: „Das ist nicht so einfach zu erklären, König Orrin.“, begann er jedes einzelne Wort abwägend. Die Technik auf die sein Lehrmeister sich bezogen hatte, war die wohl gefährlichste Errungenschaft des alten Ordens. Eine Fähigkeit, die es dem Anwender gestattete innerhalb kürzester Zeit eine nahezu unbegrenzte Menge an Energie zu sammeln und deren Existenz deshalb selbst innerhalb des alten Ordens in Stillschweigen gehüllt war. Nicht einmal den Elfen war sie bekannt.
Daher bemühte er sich sehr, dem Herrscher keinen genauen Einblick in die Fähigkeit zu geben. Denn das letzte was sie jetzt brauchten war ein machthungriger Herrscher mit den Möglichkeiten ein weiterer Galbatorix zu werden. Oromis war ihm was das anging anscheinend einen Schritt voraus, denn noch bevor Eragon eine passende Umschreibung für die Fähigkeit gefunden hatte, ergriff der alte Elf das Wort. „Ich entschuldige mich für meine mangelnde Ausführlichkeit“, begann er höflich an den Führungsstab der Varden und den Kronrat der Elfen gerichtet.
„Die Erkenntnis hat mich überwältigt. Die Technik auf die ich mich beziehe ist ein wohlgehütetes Geheimnis des alten Ordens, daher werde ich nicht näher ins Detail gehen. Aber ich will versuchen euch einen ausreichenden Überblick zu verschaffen. Bei dieser Technik ist es dem Anwender möglich die Lebensenergie anderer Personen zu benutzen, um massive Schutzzauber zu erschaffen.“ Bedeutungsvoll blickte der alte Elf alle Anwesenden einmal an. Karis war der erste, der verstand, was er damit sagen wollte. Angewidert und entsetzt verzog er das Gesicht.
Die Jünger des Helgrinds bedienten sich der Technik, die Eragon ihm bei seinem ersten Aufenthalt bei den Varden erklärt hatte und nutzten die Energie der Bewohner Dras Leonas um ihre Götter zu schützen. Das war widerwärtig.
Das Glauben einen blind machen konnte, hatte er zwar schon mal gehört, aber das ging weit darüber hinaus. Am Rand seines Bewusstseins konnte er wahrnehmen, dass sein Seelengefährte seinem Gedankengang folgte war und ein zustimmendes Schnauben ausstieß.„Einige Zweibeiner machen wirklich törichte Sachen, wenn sie die Furcht übermannt. Die alten Reiter zogen sich aus Angst vor deiner äußeren Erscheinung in Hass und fehlgeleitete Wut zurück und diese blinden Prediger folgen dem selbstzerstörerischen Pfad sinnloser Ergebenheit um ihrem Schrecken vor ihrem Schicksal als Beute zu entgehen.“
Der Schattenläufer kam nicht umhin ihm Recht zu geben. Diese beiden Beispiele waren sich wirklich sehr ähnlich. Während Oromis den anderen Anwesenden, die noch nicht genau verstanden hatten, wie das ganze funktionierte einen groben Überblick gab, ohne zu viel zu verraten über ihre Wirkungsweise zu verraten, dachte er nach. Mit dieser Angelegenheit wollte er die beiden jüngeren Reiter nicht alleine lassen. Sicher sie waren alles andere als wehrlos, aber aufgrund seiner überlegenen Erfahrung spürte er doch eine gewisse Verantwortung für die beiden. „Na da wird ja jemand auf einmal ganz väterlich.“, spöttelte sein Drache sanft.
Karis ignorierte seine Bemerkung, da er genau spürte dass es seinem Seelengefährten was seine Artgenossen betraf nicht wirklich anders ging. Vor allem, da eine davon seine Nistpartnerin und die andere seine Tochter war. Doch auch für Dorn verspürte er eine gewisse Zuneigung. Immerhin hatte er den Roten ausgebildet und seiner durch den Eischänder verkrüppelten Seele seinen Platz in der Welt gezeigt. Dadurch war ein besonderes Band zwischen den beiden entstanden, das über das normale Verhältnis von Meister und Schüler hinausging. Der rote Drache sah zu dem älteren auf und Sereth hatte angefangen Murtaghs Seelengefährte als so etwas wie einen kleinen Bruder zu sehen. Daher war er voll und ganz mit dem Entschluss einverstanden, den sein kleiner Schatten in diesem Moment traf.
Während der stummen Unterhaltung der beiden Seelengefährten war die Stimmung in den beiden Zelten erheblich abgekühlt. Während alle Anwesenden von der Idee, unschuldige Zivilisten als Schutzschilde zu benutzen, zwar gleichermaßen abgestoßen waren, so unterschieden sich ihre Ideen für eine Herangehensweise an das Problem doch enorm. Während Nasuada dafür war den Angriff erst einmal ruhen zu lassen, bis man einen Weg gefunden hatte diese neue Bedrohung zu umgehen, war Orrin dafür erneut anzugreifen. Er schlug vor die Lethrblaka mit den Reitern nahe an das Heer der Varden heranzulocken und sie dann mit einem gezielten Beschuss aus Drachenfeuer, Katapultgeschossen und Speerwerfern außer Gefecht zu setzen. Selbst der mächtigste Schutzwall könnte einem solchen Angriff nicht ewig standhalten.
Doch dieser Vorschlag wurde sofort abgewürgt. „Das kann nicht euer Ernst sein!“, wandte Nasuada energisch ein. „Ihr redet davon unschuldige Männer, Frauen und wahrscheinlich auch Kinder zu opfern.“ Orrins Miene blieb ungerührt.
„Ja, das ist mir bewusst. Und so sehr mich das auch betrübt, solltet ihr euch doch auch im Klaren darüber sein, was auf uns zukommt, wenn wir uns zu lange von dieser einen Stadt aufhalten lassen.“ Mit blitzenden Augen wandte die Anführerin der Varden sich ab. Natürlich war sie sich der Gefahr bewusst. Jedoch traf das nicht auf alle Anwesenden zu. „Was für eine Gefahr?“, erkundigte Eragon sich nachdenklich. Nasuada stieß ein Seufzen aus. „Die Gefahr für unsere Strategie mit der wir hofften Galbatorix zu Fall zu bringen.“ Überrascht stießen der Ältestenrat, Eragon und Murtagh die Luft aus. Karis und die Mehrzahl der Elfen waren zwar zu diszipliniert um sich derartige Gefühlsausbrüche anmerken zu lassen, doch auch sie waren irritiert. „Von so einer Strategie höre ich zum ersten Mal.“, meldete sich Fürst Sepharien schließlich zu Wort und seine beiden Spießgesellen stießen zustimmendes Murmeln aus. Islanzadi nickte.
„Das war auch beabsichtigt. Diese Strategie wurde in Zusammenarbeit mit Argetlam Oromis erstellt um der unnatürlichen Stärke des Drachenmörders zu begegnen und sieht vor, dass wir den Verräter zwischen unseren Streitmächten einkesseln. Damit wir einen Auseinandersetzung zwischen ihm, unseren Reitern und so vielen Magiern wie möglich provozieren können.“ Die Anwesenden gekrönten Oberhäupter nickten beiläufig und auch Nar Garzhvog knurrte zustimmend.
„Um zu verhindern, dass diese Idee an die falschen Ohren gelangt haben wir diese Information nur noch mit Argetlam Oromis geteilt, da er als einziger von uns aus erster Hand weiß, wie mächtig Galbatorix ist und ob wir überhaupt gewinnen können.“ Dieses Mal wandten sich die Augen aller Anwesenden dem alten Reiter zu. „Im Moment“, begann er, „würde ich sagen, haben wir durchaus die Möglichkeit Galbatorix Tyrannei zu beenden. Egal wie mächtig er ist, er kann sich nicht alleine gegen vier Völker stellen.“ „Und aus diesem Grund ist es unerlässlich, dass wir ihm geschlossen gegenübertreten.“, riss Orrin das Wort an sich, kaum dass der alte Elf geendet hatte.
„Wenn wir uns hier aufhalten lassen, besteht die Gefahr, dass Galbatorix uns einzeln angreift und uns einfach nacheinander zermalmt.“
Mit blitzenden Augen in denen sowohl Kalkulation als auch leicht versteckte Panik lag, blickte er einmal alle Anwesenden an. Während einige, wie der Ältestenrat seinem Vorschlag zwar unsicher aber nicht ablehnend lauschten, war Nasuadas Gesicht und auch das der anderen Anführer immer noch abweisend. „Trotzdem können wir uns nicht so ohne weiteres einer solchen Methode bedienen, Orrin. Das wäre eine Grausamkeit, die den Untaten die Galbatorix begangen hat um an die Macht zu gelangen, in nichts nachsteht. Und was wäre dann der Sinn hinter unserem Krieg, wenn wir um einen Tyrannen zu stürzen selbst zu Tyrannen werden.“ Orik nickte. „Wenn unsere Allianz zu solch ehrlosen Mitteln greifen würde, würde ich mich schämen, mich diesem Kampf angeschlossen zu haben.“ Auch NAr Garzhvog bekundete seine Zustimmung. Es sei nicht die Art der Urgralgra sich derselben feigen Methoden zu bedienen wie die stinkende Madenbrut, die sich in Uru baen verkroch, meinte er.
Orrin schnaubte verächtlich. „Ihr wisst, wenn er Uru baen verlässt und wir ihm nicht geschlossen gegenübertreten, wird er uns einfach hinwegfegen, wie ein Herbststurm ein paar Blätter. Wenn wir uns hier zu lange aufhalten lassen, werden wir das alle mit unserem Leben bezahlen.“ Die Luft im Zelt der Varden wurde immer geladener, da keiner von ihnen in der Stimmung war von seinem Standpunkt abzuweichen.
Auch jenseits des Spiegels wurde erregt diskutiert. Zwar fand das in dem gewohnt emotionslosen Tonfall des schönen Volkes statt, aber dennoch konnte Karis eine gewisse Erregung in der Haltung der Anwesenden erkennen. Während der Großteil von ihnen mit Nasuada und den restlichen Anführern ihrer Allianz übereinstimmte, gab es aber auch einige von ihnen, die Orrins Standpunkt nachvollziehen konnten.
Und auch Sereths Reiter musste zugeben, dass er aus militärischer Sicht einen Punkt hatte. Wenn die Varden sich zu lange in Dras Leona aufhalten lassen würde, könnte das fatal für den Verlauf des Kriegs sein. Daher war es strategisch gesehen vermutlich wirklich klüger einfach den Verlust von ein paar Hundert Menschenleben in Kauf zu nehmen, anstatt am nächsten Tag Tausende zu verlieren.
Aber aus humanitärer Sicht betrachtet war das keine Option. Immerhin war es genau solche Willkür, die die anwesenden Herrscher von Tyrannen wie Galbatorix unterschied. Nun, zumindest die meisten von ihnen. Orrin funkelten immer noch störrisch, doch bevor er etwas sagen konnte, ergriff Karis das Wort. „Ich hätte vielleicht eine Idee, wie wir die Schutzzauber umgehen könnten.“ Mit zwei Schritten trat er in die Mitte des Zeltes, sodass ihn sowohl die Elfen als auch die Persönlichkeiten jenseits des Spiegels gut erkennen konnten. „Dieser Schutzzauber ist ohne Zweifel sehr stark, aber in Anbetracht ihrer Methode der Energiegewinnung, ist es unmöglich einen solchen Zauber so zu konstruieren, dass er von vornherein mit einer festgelegten Energiemenge ausgestattet ist. Das bedeutet sie müssen kontinuierlich Macht von einem Magier auf dem Boden, der sich bei den Menschen befindet die sie als Schutzschilde benutzen, zu einem der Magier auf den Rücken der Lethrblaka leiten.“
„Ich verstehe worauf ihr hinaus wollt, Schattenläufer.“, meinte Arya nachdenklich, und rief dadurch Verwirrung bei den Varden auf ihrer Seite des Spiegels hervor.
„Ihr schlagt vor anstatt gegen die Schutzwälle vorzugehen, diejenigen anzugreifen, die die Zauber wirken.“ Beeindruckt, dass die Elfe ihm so schnell hatte folgen können, nickte Sereths Reiter. „Das ist korrekt, Arya - Svit-kona. Wenn wir die Magier ausschalten die die Schutzwälle aufrechterhalten, dann werden diese geflügelten Bastarde wieder angreifbar.“ „Und wie sollen wir das anstellen, Drachenreiter?“, fragte der Herrscher Surdas verächtlich. „Wir haben keine Ahnung wo sich diese Magier aufhalten.“ Seine Antwort bekam er jedoch nicht von jenseits des Spiegels, sondern von Murtagh, der leise wie zu sich selbst meinte. „Dein Astralauge.“
Sein ehemaliger Lehrmeister nickte. „Das ist korrekt.“, An die anderen Anwesenden gewandt erklärte er: „Ich verfüge über eine ähnliche Fähigkeit wie Murtagh doch während seine ihm detaillierte Einblicke in nahezu jede Art von stofflicher Materie verschafft, bin ich durch mein Astralauge in der Lage magische Energien zu sehen. Dadurch wäre es mir möglich den Energietransfer von den Magiern in der Luft zu denen am Boden zurückzuverfolgen.“ „Von so einer Fähigkeit habe ich noch nie gehört.“, murmelte eines der Mitglieder von Sephariens Fraktion verblüfft.
Die restlichen Elfen bekundeten stumm ihre Zustimmung, was die Mundwinkel des Schattenläufers kurz zucken ließ. Das war so typisch für die Spitzohren.
Sie gingen so oft davon aus, dass die zwar nicht unbeträchtliche Menge an Wissen, die sie gehortet hatten alles war was es zu lernen gab. Eine Sichtweise, die zu einer gewissen Selbstüberschätzung unter den Gelehrten des schönen Volkes geführt hatte. Es war doch immer wieder amüsant ihnen vor Augen zu führen das dem nicht so war. Doch jetzt hatte er keine Zeit dafür. Deshalb ignorierte er das irritierte Gemurmel und wandte sich an Nasuada. „Wenn ihr mit meiner Idee einverstanden seid, kann ich in drei Tagen bei euch sein, Nachtjägerin.“ Die dunkelhäutige Frau sah sich einmal fragend in ihrem Zelt um, doch da außer Orrin, der dem Reiter giftige Blicke zuwarf keiner Einwände erhob, nickte sie. „Ich freue mich dass ihr euch wieder zu uns gesellen werdet.“
„In der Tat.“, knurrte der Anführer der Urgals. „Es ist schon zu lange her, dass ihr an der Seite meines Volkes gekämpft habt, Nebelklinge.“ „Ich werde sehen, dass ich dem Abhilfe verschaffen kann, Nar Garzhvog.“, versprach Karis amüsiert. Den restlichen Teil der Unterhaltung, in dem die anderen Anführer nur ebenfalls ihre Zustimmung ausdrückten, blendete der Reiter aus. Stattdessen war er bereits mit der Planung seiner Reiseroute und dem kommenden Kampf beschäftigt.
Er wurde nur noch einmal aus seinen Gedanken gerissen, als sein Seelengefährte sich überraschend das Wort ergriff.
Für alle hörbar, knurrte er: „Vielleicht sollten wir noch einen elfischen Heiler mitnehmen. In Anbetracht der unerwarteten Bedrohung der die Varden geradegegenüberstehen, würde ein erfahrenes paar heilender Hände mit Sicherheit nicht schaden, vor allem da diese geflügelten Ratten sich bis zu unserer Ankunft mit Sicherheit nicht zurückhalten werden. Und um die benutzten Menschen von Dras Leona nicht zu gefährden werden Dorn und Saphira nicht allzu viel gegen sie unternehmen können.“
Nach einem Moment Überlegung, stimmte Oromis dem unerwarteten Vorschlag zu. „Außerdem könnte uns das helfen die Bande unserer Allianz zu stärken.“, meinte er an Islanzadi gewandt.
Nachdenklich blickte die Monarchin einen Moment auf den Strategietisch vor sich, bevor sie nickte. „Ich bin einverstanden, Oromis. Allerdings bleibt jetzt noch die Frage, wen wir schicken sollten.“ Karis der genau wusste, weshalb sein Seelengefährte diesen Vorschlag gemacht hatte und der ihm innerlich bereits dafür gedankt hatte, machte gerade den Mund auf, doch bevor er etwas sagen konnte, meinte Glaedrs Reiter: „Wie wäre Fürst Sephariens zweite Tochter, Brionna?“ Überrascht wandte der Halbschatten ihm sein Gesicht zu. Oromis verzog keine Miene, aber als sein Blick kurz den anderen Reiter schweifte, als er sich an den Kronenrat wandte, blitzte für eine Sekunde ein schelmisches Funkeln in seinen Augen auf. „Du alter Fuchs!“, dachte Karis peinlich berührt, weil der Elf anscheinend von seinen Gefühlen wusste.
„Sie ist zwar noch recht jung, aber eine sehr talentierte Heilerin. Und gerade weil sie so jung ist, kann es meiner Meinung nach nicht schaden, wenn sie den Umgang mit anderen Völkern lernt.“ Brionnas Vater, dem die Brust bei den lobenden Worten auf seine Tochter sichtlich angeschwollen war, nickte. „Dem stimme ich zu. Ich denke sie wäre eine ausgezeichnete Wahl.“ Islanzadi zögerte noch einen Moment, doch dann gab auch sie ihre Zustimmung. Währenddessen sandte der Schattenläufer stumm seinen Geist zu seinem Seelengefährten aus.
Instinktiv schossen ihnen dieselben Gedanken durch den Kopf.
Trotz der Freude darüber, dass Brionna sie begleiten würde, kamen sie nicht umhin die Dunkelheit wahrzunehmen, den die Niederlage der Varden über das Land gelegt hatte. Der Vorbote einer letzten Schlacht, die sich im Schatten der kommenden Auseinandersetzung ankündigte und die gewaltig genug sein würde um das ganze Land erbeben zu lassen und den Himmel schwarz zu färben.
Wenige Stunden nach dem Gespräch in dem Kommandozelt der Elfen, konnte man einen schneeweißen Drachen mit zwei Reitern am Himmel erkennen, der in Richtung Süden das Lager verließ.
DU LIEST GERADE
Der Weiße Schatten
FanfictionEin weißer Drache und sein Reiter retten Eragon am Helgrind das Leben und helfen ihm zurück zu den Varden zu gelangen. Doch über ihre Vergangenheit hüllen sich die beiden in Schweigen und auch ihre Fähigkeiten geben den Varden und ihren Verbündeten...