Scheinbar gelassen führte der Schattenläufer den König der Zwerge und seine Leibgarde durch das Getümmel der Menschen. Dutzende von ihnen streunten außerhalb der Mauern der Stadtfestung Belatonas herum, in dem das Treffen zwischen den Anführern der Varden und dem König der Werkatzen Grimrr Halbtatze stattgefunden hatte. Sie alle wollten einen Blick auf die sagenumwobenen Gestalten werfen, die für gewöhnlich so gut wie nie offen in Erscheinung traten.
Das war zwar verständlich, ging Karis jedoch, da es das Voranschreiten ihrer kleinen Gruppe aufhielt, zunehmend auf die Nerven.
Oriks Krieger wurden ebenfalls zunehmend angespannter. Die Unübersichtlichkeit ihres Aufenthaltsortes und die schier unüberschaubare Menge potentieller Attentäter machte sie nervös und aggressiv. Sie waren bereits dazu übergegangen zu aufdringliche Gaffer einfach beiseite zu stoßen, wenn sie ihnen nicht schnell genug aus dem Weg gingen. Ein Verhalten, dass Sereths Reiter missbilligend beobachtete, während er kurz stehenblieb.
Aber er war nun mal leider nicht in der Position sie zur Ordnung zu rufen. Und Orik war viel zu sehr damit beschäftigt den Überblick über seine Männer zu bewahren und sie beisammen zu behalten, um ihre gelegentlichen Ausfälle zu bemerken.
Kopfschüttelnd drehte sich der Drachenreiter wieder nach vorne und setzte seinen Weg fort. Während er sich geschmeidig durch die Menge schlängelte, ging er noch einmal das Gespräch durch dem er vor kurzem beigewohnt hatte. Nasuada und König Orrin hatten den König der Werkatzen im verlassenen Thronsaal Belatonas empfangen, nachdem man die Leichen, die Ecros Chimären dort zurückgelassen hatten, entfernt und man ihn ausführlich gesäubert hatte. Man hatte auf den ersten Blick erkennen können, dass die beiden Herrscher nicht wussten, wie sie mit dem König der Werkatzen umgehen sollten.
Er war einfach anders als alles was sie bisher kennengelernt hatten. Selbst Solembum die Werkatze der Kräuterhexe Angela, gegen die Grimmr einen tiefen Hass zu hegen schien, bot keinen wirklichen Vergleich, da er sich für gewöhnlich meistens in seiner Tiergestalt aufhielt und selbst wenn er sich in seiner Menschengestalt befand waren die einzigen mit denen er regelmäßig sprach die Drachen, ihre Reiter und die Kräuterhexe.
Daher bewunderte Karis die äußerliche Gelassenheit mit der die Anführerin der Varden dem Anführer der Werkatzen begegnete.
Im Gespräch mit dem König war sie ohne Zweifel außerhalb ihres Elementes, dennoch hatte sie es mühelos bewerkstelligt sich mit ihm diplomatisch auf eine Abmachung zu einigen und sich seine Unterstützung zu sichern. „Seid ihr endlich fertig mit dieser langweiligen Zusammenkunft? Illeani wird es langweilig nur mit Dorn zu spielen. Sie vermisst ihren ersten Kletterbaum.“
Amüsiert genoss Karis der fröhliche Stimme, die seine Gedanken durchzog, ebenso wie das Bild, das sie begleitete. Der rote Drache, der sich verzweifelt bemühte stillzuhalten, während das kleine Drachenmädchen, dass kurz nach seiner Ankunft bei ihren Eltern den Namen Illeani erhalten hatte, auf ihm herumkletterte. Dabei kitzelten ihre kleinen Krallen enorm und verursachten tiefe Schauer, die seine kleinere blauweiße Artgenossin sichtlich durchschüttelten. Doch das schien sie nur noch mehr zu amüsieren. Unweigerlich glitt ein Grinsen über Karis Gesicht. Illeani, in der Tat. Der Name von Sereths Tochter bedeutete in der alten Sprache „kleines Wunder“. Eine zutreffende Beschreibung, wenn man bedachte, dass sie dem Reiter ihres Vaters bereits wenige Minuten, nachdem sie geschlüpft war, das Leben gerettet hatte.
„Ja, sind wir. Ich bin gerade zusammen mit dem König der Zwerge und seiner Garde auf dem Weg zu euch.“Zusätzlich übermittelte er seinem Seelengefährten Bilder von den zwanzig Wachen die ihn und Orik begleiteten. Die Anführer des kleinen Volkes waren kein Risiko eingegangen. Auch wenn Orik mit einer kleineren Garde einverstanden gewesen wäre, hatten es die Zwerge rundheraus abgelehnt ihren König ohne ausreichenden Schutz in die Nähe des Mannes zu lassen, der ihren letzten Herrscher getötet hatte.
Bei diesen Gedanken, wurde Sereth ernst und löste seinen Blick von seiner, immer noch fröhlich auf Dorn herumkletternden, Tochter. „Glaubst du sie werden etwas Dummes versuchen?“ „Nein“, antwortete Karis, während er einem Mann mit einem kleinen Jungen auf den Schultern auswich, der verzweifelt versuchte einen Blick auf die zwei- und vierbeinigen Gestalten zu werfen, die in diesem Moment aus dem Festungstor strömten. „Zumindest Orik nicht. Er scheint zwar sehr zornig auf unseren Schüler zu sein, aber er wird ihn anhören. Die Abmachung gefällt ihm zwar nicht, aber er ist ein zu guter König um aus persönlichen Gründen heraus eine Entscheidung zu treffen, die seinem ganzen Volk schaden würde und er weiß, dass er unsbraucht um eine Chance gegen Galbatorix zu haben.“
Ein verstehendes Brummen ertönte in seinem Geist und der Reiter spürte wie ein Teil der Sorge, die der weiße Drache für seine Schützlinge empfand, von ihm wich. Eine Weile verwoben die beiden ihre Gedanken weiter. Sie teilten keinerlei tiefschürfende Erkenntnisse, sie genossen einfach die Zweisamkeit und tauschten Sinneseindrücke, während die Gruppe aus den Zwergen und dem Schattenläufer die Stadt hinter sich ließ und langsam in Sichtweite des Felsens kam, an dem sie lagerten. Schon von weitem konnte sie die Gestalten der drei ausgewachsenen Drachen erkennen, die davor lagen. Ihre Schuppen glitzerten im Licht der Sonne in Rot, Weiß und Blau und zauberten ein Farbenspiel auf ihre Umgebung. Kurz hielt Karis inne um den ansprechenden Anblick zu genießen. Zwar er niemand, der besonders viel für sinnlose Kunstwerke übrig hatte, zumindest redete er sich das immer wieder erfolgreich ein, aber die schlichte Schönheit des Anblicks der drei Drachen, die harmonisch zusammenlagen erreichte selbst ihn.
„Soso, du hast also nichts für handgefertigte Schönheit übrig?“ Die spöttische Stimme seines Seelengefährten, riss Karis aus dem erhabenen Anblick. „Wie kommt es dann, dass eine der Haupteinnahmequellen der Verkauf von selbsthergestellten Schmuckstücken und Kunstwerken ist?“
Ertappt senkte Karis den Kopf und fuhr sich verlegen durch die Haare. Sein Seelengefährte hatte Recht. Auch bei seinen Artefakten legte er Wert auf ein ansprechendes Äußeres. Zwar war die Funktionalität das Wichtigste, aber der weiße Drache hatte seinen Reiter auch schon einmal dabei ertappt, wie er eine Stunde lang ein hervorragend funktionierendes Artefakt angestarrt hatte und dabei über einen Kratzer in dem Lack des hölzernen Kästchens gegrummelt hatte. Könnte Karis erröten, dann hätte die Erinnerung, die sein Drache gerade mit seiner Tochter, seiner Nistpartnerin und seinem rotschuppigen Schüler teilte, dies zur Folge.
Die ganze Gemeinschaft, die sie erwartete, von den Elfen einmal abgesehen, hatte ein leichtes Grinsen auf dem Gesicht als sie ihnen entgegensah. Besonders Illeani machte nicht einmal den Versuch ihr Fröhlichkeit zu verbergen. „Besten Dank auch, du nutzloses Reptil.“ Sereths einzige Antwort war ein Schnauben, welches Karis silberne Rüstung, die er in einem Raum in der Stadtfestung wiedergefunden hatte, beschlagen ließ. Seinen Mantel hatte er jedoch nicht wiederentdecken können, ebenso wenig wie seine Artefakte oder seinen Drachendolch. Er ignorierte die irritierten Blicke der kleinen Männer und stellte sich nach einem letzten finsteren Blick, neben Murtagh.
Die Heiterkeit verflog recht schnell, als die Zwerge sich hinter ihrem König aufreihten und dieser einen Schritt auf den Reiter des roten Drachen zutrat. Eragon trat an Karis linke Seite und Sereth, Dorn und Saphira stellten sich stumm hinter ihre Reiter. Selbst Illeani schien zu verstehen, dass jetzt etwas Wichtiges geschah, denn sie setzte sich stumm zu Bloedhgarms Füßen und beobachtete alles aufmerksam. Der Schattenläufer konnte spüren, wie sein Schüler unter den teils hasserfüllten Blicken der Zwerge unsicher wurde. Nur ein kleiner Teil von ihnen, bei denen es sich um die Magier der Gruppe handelte, betrachtete ihn mit einer gewissen Neutralität.
Sie waren in der alten Sprache bewandert und wussten um die Macht, die der wahre Name, einem über die besagte Person verlieh. Doch obwohl ihre Köpfe dies wussten, schienen auch sie nicht vor der Wut ihres Volkes gefeit zu sein. Ein flüchtiger Blick, genügte Sereths Reiter um festzustellen, dass in den Herzen ausnahmslos aller Zwerge vor ihm der Samen des Zorns wuchs, egal ob sie es eigentlich besser wussten, oder nicht.
„Das war zu erwarten, immerhin hat er ihren König getötet.“ „Mag sein, aber dass selbst ihre Magier so stur sind, enttäuscht mich etwas.“ Karis spürte die Zustimmung seines Seelengefährten, doch sie vertieften das Thema nicht weiter, da Orik zu sprechen begann und sie ihre Aufmerksamkeit auf den kleinen Herrscher richteten.
„Muragh Morzanssohn, dein Lehrmeister hat für dich gebürgt und ein Abkommen ausgehandelt, in dem das Volk der Knurlan zusagt, für einen gewissen Zeitraum nicht länger deinen Tod zu fordern.“ Seine Augen funkelten ernst und sein Blick wurde durchdringend. „Versteh mich nicht falsch. Das bedeutet nicht, dass wir dir vergeben, es bedeutet lediglich, dass wir dich für den Verlauf dieses Krieges in Ruhe lassen werden um dir die Möglichkeit zur Wiedergutmachung zu geben. Wenn der schlangenzüngige Verräter tot am Boden liegt, werden wir deine Taten während des Krieges gegen deine Verbrechen abwiegen und sehen, ob du die Vergebung meines Volkes wert bist. Hast du das verstanden?“
Murtagh nickte.
Das summierte so ziemlich alles zusammen, was Karis ihm bereits erklärt hatte. Zufrieden lehnte sich Orik etwas zurück und auch die Anspannung in seinen Schultern löste sich etwas, auch wenn der grimmige Gesichtsausdruck nicht eine Sekunde von seinen Zügen wich. „Gut, dann bin ich jetzt bereit mir deine Entschuldigung zu hören.“
Kurz blickte Murtagh zu seinem Lehrmeister, der ihm nur ermutigend zunickte und seinem Halbbruder, der ihn nur stumm betrachtete, aber dessen Blick ihm Glück wünschte. „Ich bin nicht so gut mit Worten, daher werde ich nur folgendes sagen. Der Tod eures Königs tut mir leid. Galbatorix Befehl war in dieser Angelegenheit leider ausdrücklich, da er sicher war, dass nach Hrothgars Tod eure Allianz mit den Varden zerbrechen würde. Es gab kein Schlupfloch, wie bei dem Befehl zu versuchen Eragon gefangen zunehmen.“ Bei den magiekundigen Mitgliedern der Leibgarde breitete sich zunehmendes Verständnis auf ihren Gesichtern aus, während das Gesicht ihres Königs nach wie vor ausdruckslos blieb. Es war unmöglich ihm anzusehen, was er von der Aussage des Drachenreiters hielt.
„Ich weiß, das ist keine Entschuldigung für die Wunde, die ich eurem Volk mit dem Tod eures letzten Königs zugefügt habe, aber dennoch ist es mir ein Bedürfnis euch noch einmal mein Bedauern auszudrücken.“ Mit diesen Worten schloss Murtagh seine Entschuldigung ab. Noch immer weigerte sich das Gesicht Oriks sich irgendeine Reaktion anmerken zu lassen. Aber aus Karis lobendem Nicken schloss Dorns Reiter, dass er so viel nicht falsch gemacht haben konnte.
„Es ist, wie du gesagt hast.“, unterbrach die knurrige Stimme des Monarchen schließlich die Stille, die sich nach den letzten Worten des Drachenreiters gebildet hatte. „Zum jetzigen Zeitpunkt kann mein Volk dir deine Taten noch nicht vergeben.“ Murtagh nickte stumm. „Aber wenn du die von uns angebotenen Bedingungen akzeptierst, sind wir bereit dir für die Dauer des Krieges einen Waffenstillstand anzubieten, ebenso wie die Möglichkeit zur Wiedergutmachung.“
Ernst blickten die alten Augen den jungen Reiter an, der unter dem intensiven Blick etwas zusammenschrumpfte. „Aber solltest du nach dem Krieg nicht genug geleistet haben um für deine Taten zu Wiedergutmachung zu leisten, werden wir erneut ein Gericht abhalten.“ Der intensive Blick wurde stählern. „Verstehst du, was das bedeutet?“
Der schwarzhaarige Drachenreiter schluckte. Es bedeutete, wenn er nach der Meinung der Zwerge nicht genug für die Sache der Varden getan hatte, würde das seinen Tod bedeuten. Dorn der die Unruhe seines Reiters spürte, stieß ein sanftes Grollen aus. „Es bringt nichts, sich über Niederlagen Gedanken zu machen, die noch jenseits des Horizonts liegen. Konzentrier dich einfach darauf, deine Rolle als freier Reiter so gut wie möglich auszufüllen, dann wird diesen bärtigen Kurzbeinen gar nichts anders möglich sein, als dich nach dem Krieg mit Dank und Gold zu überhäufen.“ Bei dem Bild das von ihm, das sein roter Seelengefährte ihm sandte, in dem er von den Zwergen mit Geschmeide aufgewogen wurde, strich ein verräterisches Zucken um Murtaghs Mundwinkel, doch es gelang ihm den ernsten Anschein des Gesprächs aufrecht zu halten.
Er nickte. Zufrieden lehnte der Zwergenkönig sich etwas zurück und der eiserne Glanz in seinen Augen erlosch. „Sehr schön.“ Abrupt machte er auf dem Absatz kehrt und nach einem flüchtigen Abschied zu Eragon und Saphira verschwand er in der Menge. „Das war abrupt.“, kommentierte Karis, nachdem er weg war. „Was gab es denn sonst noch zu sagen?“,antwortete Sereth. „Die Zwerge werden unsere Schüler in Ruhe lassen, Belatona wurde eingenommen und Ecros musste mit eingezogenem Schwanz das Weite suchen. Ich schlage vor, dass wir jetzt erst einmal unseren Sieg feiern.“
Die für den weißen Drachen so untypische Welle aus Begeisterung hatte den gewünschten Erfolg. Die Spannung löste sich aus der Gruppe. Murtaghs Schultern lockerten sich und seine Haltung wurde etwas entspannter. Mit einem erleichterten Seufzen, froh darüber, dass zumindest diese Angelegenheit erledigt war, ließ er sich nach hinten gegen Dorn fallen. Auch Illeani, die verstanden hatte, dass der ernste Moment vorbei war, schien der Meinung zu sein, dass sie jetzt ruhig genug gewesen war.
Mit einem aufgeregten Fauchen sprang sie von ihrem Platz auf und segelte auf den Schattenläufer zu. Der hatte sie natürlich bemerkt, doch um ihr nicht die Freude zu verderben, wartete er bis zum letzten Moment, bevor er sich blitzartig umdrehte und sie auffing.
Ein enttäuschtes Fauchen grollte in ihrer Kehle und eine kleine Rauchwolke stieg aus ihren Nüstern und wand sich schlängelnd zu dem Gesicht des Drachenreiters empor. Die anderen Anwesenden konnten nicht anders, als zu lachen. Das Bild des Schattenläufers, mit rußgeschwärzten Gesicht und dem zufriedenen Drachenmädchen auf dem Arm war einfach zu komisch. Doch auch wenn Karis ihr Gelächter teilte, waren seine Gedanken ganz woanders. Seine Augen blitzten dunkel wie düsterer Kristall, bei dem Gedanken an eine Elfe mit knochenbleichen Haaren und Augen wie silberner Stahl.************************************
A/NSo, mal ein außerplanmäßiges Kapitel. Wie ihr sicher schon bemerkt habt, heiße ich jetzt nicht mehr saphirastern, sondern Fine1911.
Lg Fine
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Der Weiße Schatten
FanfictionEin weißer Drache und sein Reiter retten Eragon am Helgrind das Leben und helfen ihm zurück zu den Varden zu gelangen. Doch über ihre Vergangenheit hüllen sich die beiden in Schweigen und auch ihre Fähigkeiten geben den Varden und ihren Verbündeten...