29. James ,,wahre" Vergangenheit?

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Nicks Sicht

,,Mach du die Tür auf!", forderte mich Judy hektisch auf, als es klopfte. Hierbei konnte es sich nur um James handeln.
,,Warum ich?", hakte ich hastig nach und stand auf.

,,Weil wir hier in deinem Apartment sind!", erklärte sie hysterisch.

,,Du wolltest ja unbedingt, dass wir in mein Apartment gehen."

,,Jetzt stell' dich nicht so an und mach die blöde Tür auf!", hetzte sie mich.

,,Ist ja gut!"

Also hörte ich auf sie und öffnete letztendlich die Tür.

,,Na, James?!", begrüßte ich ihn ein wenig nervös. Das hörte sich wohl eher wie eine Frage an und nicht wie eine Begrüßung.

,,Oh, hallo Nick.", erwiderte er deutlich selbstsicherer.

,,Und hallo, Judy.", sagte er, als er einen Blick in mein Apartment wagte.

,,Hi.", erwiderte sie nüchtern und winkte ihm kurz zu.

,,Darf ich rein?", wollte er etwas verunsichert wissen.

,,Klar.", murmelte ich und stellte mich demonstrativ zur Seite.

,,Danke.", sagte er und lächelte mich schüchtern an.

,,Ich habe dir zu danken.", winkte ich ab und lief mit ihm ins Wohnzimmer.

,,Ist doch nicht der Rede Wert.", lehnte er friedlich ab. ,,Hier wohnst du also?", hakte er nach und schaute sich ein wenig um.

,,Jap.", entgegnete ich trocken und setzte mich neben Judy, die unser Gespräch interessiert lauschte.

,,Komm, setz' dich, James.", bat ich ihn und klopfte auf den Platz neben mir, auf dem Sofa.

,,Hör zu...", begann ich, nachdem er sich neben mich gesellte.
,,Vielleicht war ich irgendwie doch zu hart zu dir...", gestand ich ihm und sah Judy an, die mich zufrieden anlächelte.

,,Heißt das... Du verzeihst mir?", hinterfragte James daraufhin und schaute mich abwartend an.

Judy nickte mir zu.

,,Ja, ich verzeihe dir.", lächelte ich.
,,Ja, wirklich? Ich danke dir, Nick.", freute er sich. ,,Und noch einmal: Es tut mir unglaublich Leid. Es wäre schön, wenn alles so sein könnte wie früher.", ergänzte er freudig.

,,Wisst ihr... Ich hatte selbst eine nicht so geschmeidige Kindheit.", erklärte er nachdenklich.

,,Was war denn?", meldete sich Judy nun auch zu Wort.

,,Nun...", zögerte er. ,,Meine Eltern waren nicht gerade die Sensibelsten. Vor allem nicht mein Vater, der sich ständig betrank und sich weder um mich, noch um meine Mutter scherte. Jedes Wochenende brachte er ein neues Weib nach Hause. Ich verstand nie, wieso er das tat. Meine Mutter wollte mir ja nie etwas erzählen. Wahrscheinlich war sie auch ein ,,Opfer" meines Vaters gewesen. Ich war von Anfang an nie gewollt, das erzählten sie mir immer. Sie behielten mich nur wegen des dämlichen Kindergeldes, waren deren Worte. Ich hatte keine normale Kindheit, musste irgendwie schauen, dass ich mich halbwegs gut um den Alltag schlug. In der Schule wirkte ich vielleicht glücklich und selbstbewusst, doch im Inneren, war ich ein einziges Häufchen Kummer und Elend. Jeden Tag, als ich nach Hause zurückkam, setzte ich mein falsches Lächeln ab und meine Fassade zerbrach. Meine Eltern traten quasi auf den Scherben herum. Rücksichtslos. Alles, was ich wollte, war eine normale Kindheit mit Eltern, die mich unterstützen und die mich liebten. Ich war gut in der Schule. Schließlich hatte ich auch genug Zeit zum Lernen. Und zu viel Zeit zum Nachdenken. Zuhause wurde ich rumgeschubst und jeden verdammten Tag auf's Neue, schmissen meine Eltern mir diese furchtbaren Worte an den Kopf. Niemand will dich, warum kommst du eigentlich jeden Tag, nach der Schule wieder nach Hause? Wieso machst du uns diese Probleme? Ohne dich wäre unser Leben leichter. Ihr Kinder seid nicht als Nichtsnutze. Ich war so traurig und irgendwie war ich auch sauer. So sauer, dass ich arme Tiere grundlos hänselte. Ich hatte ja keine Ahnung, dass das nicht okay war. Schließlich gab es für mich keine Eltern, die mich des Besseren belehrten. Niemand wusste es. Keiner in der Schule hatte eine Ahnung, wie es mir in Wirklichkeit erging. Jeder war nett zu mir. Ich wusste nicht, wieso. Sie lagen mir quasi zu Füßen. Irgendwann stieg mir das zu Kopfe, dass ich unschuldige Wesen deshalb ausnutzte. Und leider Gottes, war einer davon Nick. Das tat ich, weil ich unbedingt wollte, dass arme Tiere, so wie ich eins war, so leiden mussten wie ich es tat. Im ersten Moment war es gut für mich. Im zweiten Moment verging das Gefühl auch schon wieder, also suchte ich mir nach und nach ein neues Opfer, das ich rücksichtslos ausnutzen könnte. Ich bin immer damit durchgekommen und nie hat mich irgendwer erwischt. Deshalb machte ich immer weiter, da ich, als kleines, dummes Kind, nie erklärt bekam, dass das nicht gut war. Und dann eines Tages begann ich meine Ausbildung. Ich verdiente schon bald mein eigenes Geld und zog endlich von diesen Drecksloch aus, das sich einst mein Zuhause nannte. Meine Eltern sollten ein für alle Male Geschichte für mich sein. Mit der Zeit wurde ich älter und somit verstand ich auch immer mehr, dass das, das ich getan habe, definitiv nicht in Ordnung war. Ich habe mich bei dir entschuldigt, Nick. Aber ich wünschte, ich könnte mich bei allen Anderen auch entschuldigen könnte. Ich war ein Vollidiot. Das weiß ich."

Fassungslos schauten wir ihn an. Soll ich das glauben? Ich meine, jeder kann das sagen, was einen in den Sinn kommt. Aber dennoch hört es sich ziemlich glaubwürdig an. Trotzdem fand ich es ein wenig seltsam, dass er uns sofort seine ganze Lebensgeschichte erzählte.

,,D-das wusste ich nicht...", gab ich perplex zu.
,,Ja, das wusste niemand. Ihr seid ehrlich gesagt die ersten, die das erfahren...", erklärte er uns unbehaglich.

,,Wow, James... Das ist furchtbar.", erhob Judy entsetzt das Wort.

,,Tja, was soll man tun? Man kann nichts ändern, was in der Vergangenheit geschah.", stellte James fest.

,,Lasst uns doch optimistisch sein. Ein Fehler ist eine Erfahrung, die einen belehrt, es das nächste mal besser zu machen. Und Jeder verdient eine zweite Chance, nicht wahr, Nick?", schwatzte Judy und schaute mich vielsagend an.

,,Ihr Häschen, ihr seid so tiefgründig.", antwortete ich stattdessen und zog sie in eine Umarmung.

,,Hör auf, Nick.", grummelte sie und kicherte.

,,So schön, wie glücklich ihr zwei seid.", schwärmte James. ,,Ihr seid so ein süßes Paar.", fügte er hinzu.

Triumphierend grinste ich sie an, woraufhin sie schüchtern schmunzelte und rot anlief.

,,Du findest auch noch dein Mädchen.", versicherte ich ihm munter.
,,Meins hab ich immerhin schon gefunden.", fügte ich hinzu und schaute dabei Judy an, wobei sie das zweite mal hintereinander schon rot anlief und perplex lächelte.

Sie hat es irgendwie mit der Farbe rot.

Der Rest des Tages verging relativ unspektakulär. James, Judy und ich redeten noch über die verschiedensten Themen. Ich hätte niemals geahnt, dass ich James jemals wieder zu Gesicht bekommen würde. Und erst Recht nicht, dass ich ihm wieder verzeihen würde. Aber so ist es nun und anscheinend erweist er sich tatsächlich als nett und schien sich wirklich verändert zu haben. Hoffen wir mal, dass es so bleibt und, dass er keine Lügen von sich gab.

Leute, wir haben die 2k reads erreicht. Ihr seid echt unglaublich. Ich wollte mich nur mal bei euch bedanken, dass ihr mich so unterstützt, immer abstimmt und kommentiert😊

Zoomania: More than a friendship, less than a relationshipWo Geschichten leben. Entdecke jetzt