42. Judys Erkenntnis

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Wenn ich eins weiß, ist es, dass die Zeit, weder die Sache, oder meine Gefühle, noch sonst irgendetwas geändert hat. Es tut genau so weh, wie am Anfang.

Mittlerweile ist schon wieder ein Monat vergangen. Ein Monat, der sich wie eine Ewigkeit anfühlte. Und von Nick kommen immer noch keinerlei Lebenszeichen. Die Ärzte meinen, dass seine Chancen von Zeit zu Zeit geringer werden. Ich frage mich jedes Mal, was wäre, wenn die Ärzte mir zuvor gekommen wären und einfach seine Maschine, die ihn am Leben hält, abgeschaltet hätten. Was wäre dann? Allein bei der Vorstellung wird mir kotzübel und ich fühle mich makaber.

Dieses Gefühl ist so schrecklich. Es ist, als wäre mir der Boden unter meinen Füßen weggezogen worden. Nichts ist so wie es einmal war, ich fühle eine innere Leere. Ein nichts. Wer bin ich ohne Nick? Was soll aus mir werden ohne Nick? An was soll ich mich bloß festhalten, wenn ich falle? Wer fängt mich auf, bevor ich falle? Wer erhellt meinen grausamen, dunklen Ort, an dem ich mich befinde? Kann ich aus diesem Ort wieder entkommen? Wie kann ich diesem Gefühl entkommen?

Die Zeit macht es immer schlimmer. Es fühlt sich nicht real an. Ich habe die Realität vor meinen Augen verloren. Wenn es sich jetzt schon so schlimm anfühlt, wie fühlt es sich erst an, wenn ich ihn endgültig verloren habe? Ich sehe keinen Sinn mehr, zu leben, wenn ich ihn nicht mehr habe. Was bringt es?

Ich bin jemand, der ist alles andere als pessimistisch. Mein Optimismus war bei mir kaum zu übersehen, ich lächelte zur meisten Zeit. Doch dieses Lächeln wurde mir geklaut. Es wurde mir weggenommen. Und von wem? Von einem Gift, bei den niemand weiß, woher es kam. Es hätte mich erwischen sollen.

Ich bin für ihn gefallen. Habe beschlossen mein Leben von nun an mit Nick an meiner Seite zu verbringen. Könnte es mir auch gar nicht mehr anders vorstellen.

Alles erinnert mich an Nick. Zoomania, das ZPD, mein Zuhause, ich. Manchmal habe ich das Gefühl, Nick ist bei mir. Er würde mich umarmen, mich angrinsen, mit mir sprechen. Ich denke, das ist nur ein makabrer Traum, doch jedes Mal muss ich feststellen, das ist es nicht. Es ist die grausame Realität. Ich träume von Nick, denke das ist die Realität, doch dann wache ich auf und kann es immer noch nicht realisieren. Ich frage mich: Nick, wo bist du? Warum klopfst du nicht, wie jeden Morgen an meiner Tür?

Komm auf den Boden der Tatsachen, Judy.

Kapier' es endlich.

Er ist nicht hier.

Und wer soll wissen, ob er es auch jemals wieder sein wird?

Aber egal, wie unheimlich weh es tut, ich werde nie aufhören mir Hoffnungen zu machen, er würde doch noch irgendwann einmal erwachen. Und erst, wenn sein Herz aufhört zu schlagen, gebe ich auf. Gebe ich auf, mir Hoffnungen machen zu wollen und werde endgültig keinen Sinn mehr in meinem Leben sehen. So ein mickriges Leben, wie meins, was soll ich damit, wenn ich Nick verloren habe?

Aber eins tat ich immer noch jeden Tag, zur selben Zeit, am selben Ort: Nick im Krankenhaus besuchen gehen. Das war meine einzige Motivationsquelle.

Doch der Alltag holte mich immer wieder ein. So lange schon, musste ich jeden einzelnen, qualvollen Tag ohne ihn zu überstehen.

Würde ich nicht arbeiten, wäre ich schon vollkommen wahnsinnig geworden und wäre durchgedreht.

Nach der Arbeit begleitete mich James wieder nach Hause und bestand darauf, mich in meine Wohnung zu begleiten.

Draußen war es kühl und die ersten Schneeflocken fielen vom Himmel. Es war Dezember und bald stand auch schon Weihnachten vor der Tür. Nur leider konnte ich diese Zeit ganz und gar nicht genießen.

Zoomania: More than a friendship, less than a relationshipWo Geschichten leben. Entdecke jetzt