Just Like In Riverdale

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Ich saß also in der Mittagspause in der schwarz und weiß und grau gesprenkelten Cafeteria.
Man konnte schon sagen, dass sie mein Lieblingsort in der Schule war.
Sie befand sich im Keller des Schulgebäudes, hatte demensprechend wenige Fenster und war sogar im Sommer angenehm kühl.
Ich konnte also wenigstens etwas erkennen, ohne dass ich meine Sonnenbrille tragen musste und es war nicht warm.
Der perfekte Ort für mich.
Noch dazu war die Cafeteria ungewohnt verwinkelt, so dass niemand meine, wie viele es fanden, gruseligen Augen sehen konnten.
Nystagmus nannte man das unkontrollierbare und für mich nicht merkbare Zittern meiner Augen. Es hing damit zusammen, dass sich auf der Mitte meiner Netzhäute keine funktionierenden Sinnesrezeptoren befanden.

Chen und Kyungsoo störte das nicht wirklich. Sie waren auch die einzigen, die mir beim Reden in die Augen sahen. Zuhause waren es nur Suho und mein Vater.
Meine Mutter war die, die am meisten Distanz von mir nahm.
Ich hatte, seit meine Farbenblindheit festgestellt wurde, zu ihr das schlechteste Verhältnis.

"Ich fang an unsere Englischlehrerin zu hassen." murmelte ich und stieß meine Gabel mit Mordlust in meine Nudeln.
"Kann ich total nachvollziehen, sie hätte ja Rücksicht auf dich nehmen können." Stimmte Chen mir zu und konnte nur den Kopf schütteln.
Eigentlich war es nur eine Kleinheit, die die Lehrerin verbrochen hatte, okay eigentlich zwei.
Nach mehreren Bitten meinerseits die Jalousien im Raum runter zu lassen, da ich zu sehr geblendet wurde und wirklich, trotz teurer Sonnenbrille und getönter Linsen, nichts sehen konnte, machte sie nichts und zuckte nur mit den Schultern.
Die Lehrer wussten was ich hatte, so wie meine Klasse auch und es war die Pflicht der Lehrer meine Einschränkung zu berücksichtigen, eigentlich.
Den Nagel auf den Kopf setzte sie dann aber, als wir irgendein Zitat von Shakespeare zum Thema Farben interpretieren sollte, was ich auf der Seite im Buch, die Chen mir aufgeschlagen hatte, nicht mal erkannte.
Geschweige denn konnte ich schreiben, da ich nicht sah, außer weiß und einzelne verschwommene graue Konturen, die nichts auf meinen Augen scharfstellen konnte.
"Und dann blamiert sie dich noch vor der ganzen Klasse, in dem du das geschriebene Vorlesen sollst. Du konntest ja nicht mal die Hand vor Augen sehen." regte sich Kyungsoo mit mir auf.
Ich nickte.
Die beiden waren die einzigen, die mich verstanden, während Kris nur einen ziemlich dummen Spruch riss der die ganze Klasse fies lachen und kichern ließ.
Zu alle dem mischte sich dann auch noch der neue ein.
"Meines Wissens ist der Junge Farbenblind, heißt er sieht keine Farben und ist Lichtempfindlich.
Wie soll er also etwas Lesen oder Schreiben, wenn er es nicht sieht. Sie haben seine Bitten den Raum zu verdunkeln ja nicht wahrgenommen, also beschweren sie sich nicht, dass er nichts hat."
Sofort war von allen Seiten Ruhe im Raum.
Keiner sagte etwas.
Nichtmal  Sehun und Kris.
Niemand.
Es war einfach nur mucksmäuschenstill im Raum.
Die Lehrerin hatte wenigstens Eingesehen, dass sie sich einen anderen Schüler zum vortragen suchen musste.

Wieder hatte der neue mich verteidigt und wieder wusste ich nicht, wie ich Chanyeols Worte auffassen sollte.
Vielleicht wollte er mich mit Kris und Sehun wirklich in den Boden stampfen und nahm sich erst vor einen auf Nett zu tun, um mir dann nur mehr weh tun zu können, oder er gab einfach nichts mehr auf seine alten Freunde und hatte sich vorgenommen sich von diesen Idioten fernzuhalten.

"Ich weiß ihr seid nicht begeistert, dass ich hier bin, aber ich hab keinen Bock auf meine alte Crew und bei euch sieht es ganz gemütlich aus." Ich hob meinen Kopf und sah dunkle Haare, helle Haut und ein wenig begeistertes Gesicht, dass zu einem fast zwei Meter großen Chanyeol gehörte, der sich nun mit seinem Tablett in der Hand einfach setzte.
"Verzieh dich Park." grummelte Kyungsoo ihm zu und rückte zur Seite.
Chanyeol ignorierte dies und begann gelassen zu essen.
"Ich sag doch, ihr seid nicht begeistert." ein raues, bitteres Lachen erklang und er zog eine dunkle Augenbraue hoch.
Ich musterte ihn hastig, versuchte irgendetwas bösartiges in seinen Augen zu sehen, doch bis auf schwarz war da nichts.
Sein kantigeres Gesicht deutete ein Lächeln an, welches die Spur des Lachens war, aber auch in ihm war nichts böswilliges zu finden.
Er wirkte ruhig auf mich, gelassen, aber seine Körperhaltung verriet, dass er innerlich verdammt angespannt war, da er stocksteif auf seinem Stuhl saß und sich ab und an hastig umsah.
"Hier ist keiner begeistert, dass du wieder da bist." murmelte Chen neben mir und sah ebenfalls zu dem vierten am Tisch, der nur ziemlich gereizt seufzte und sein Besteck weglegte, während er sich zurücklehnte, aber immer noch angespannt wirkte.
"Hört mir mal zu.
Ich hab mitbekommen, wie scheiße Kris und Sehun zu eurem kleinen Freund waren. Sie haben es mir selber widerlich stolz erzählt und ich habe es heute Morgen von weitem im Raum beobachtet und in Englisch sogar hautnah gesehen.
Der Chanyeol von vor vier Jahren, hätte sich bestimmt einen Ast abgefreut und mitgemobbt, aber der Chanyeol, der ich jetzt nach vier Jahren und zwei beschissenen Umzügen bin, ist nicht dazwischen gesprungen um dir hinterrücks das Leben zu versauen." Chanyeol sah mich direkt an.
"Ich habe geschworen mich zu bessern. Vergleicht mich ein bisschen wie Veronica Lodge aus Riverdale und euch wie, keine Ahnung, Betty, Archie und Jughead oder Kevin, sucht euch einen aus, und Kris und Sehun als Cherryl und Jason Blossom oder allgemein als die Blossoms. Nur werde ich bei ihnen kein Mitleid gewähren.
Ich war selber lange genug so und ich will denen helfen, die unter Arschlöcher, wie ich es war, leiden. D'accord?" endete er seine Ansprache und seinen irgendwie lustigen Vergleich mit Riverdale.
Ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen, aber ich konnte es verstecken.

"Riverdale ist toll, wirklich. Aber woher wissen wir, dass du es ernst meinst?" hinterfragte Kyungsoo.
"Hat noch einer gelacht, nachdem ich die Lehrerin zur Rede gestellt hab? Ich habe meine Worte bitterernst gemeint. Die heute Morgen, die in Englisch und die eben. Ich habe mich geändert und werde nicht mehr zu so einem Arschloch wie Kris oder Sehun."
Insgeheim vertraute ich seinen Worten, aber konnte ich denn wirklich jemandem vertrauen, der mich wohl selber ausgelacht und verspottet hätte, wäre er nie umgezogen?
Ich stand in einem Zwiespalt, da Chen und Kyungsoo ihm sicherlich nicht glaubten.
Noch dazu war ich zu stolz um mir von so einem wie er mit den beiden Idioten helfen zu lassen.
Ich kam mein Leben lang schon mit Spott aus, da würde ich es das eine Jahr in der Schule auch noch überleben.
Chanyeol konnte sich sein Angebot sonst wohin stecken, auch wenn der Riverdale vergleich echt nett gewesen war.

Den Rest der Pause schwieg Chanyeol, blieb an unserem Tisch sitzen und wirkte weniger angespannt als noch vor seinen Worten eben, als hätte er sie sich im Kopf zusammen gelegt und nur darauf gewartet seinen Imagewechsel zu verkünden.
Innerlich tat er mir leid, dass ihn wohl keiner von uns ernst zu nehmen schien.
Er musste sich mächtig verarsch und peinlich fühlen, aber wenn er selber von sich sagte, er würde mich mobben wäre er nie weg gewesen, war das dann doch der Punkt, an dem mein Mitleid verschwand und ich nichts sagte, so wie auch Chen und Kyungsoo, die ihn nur, anders als ich, kritisch betrachteten.
Ich dagegen achtete auf Chanyeols auftreten.
Er kam selbstsicher herüber, keine Frage, aber sein nun leicht durchhängender Rücken gab einen Hauch der Unsicherheit preis, vielleicht die Unsicherheit uns wohl alle verarscht zu haben.
Durch mein nicht aufnehmen von Farben und ausdrücken in den Augen, war ich darauf angewiesen mich auf Körpersprache und minimale Gesten zu fixieren, die Gefühle und Atmosphäre einer Person in meinem Umfeld definierte.
Chen und Kyungsoo nahmen Chanyeol also nur als den Selbstsicheren war, während ich zum Teil zwischen seinen Zeilen gelesen hatte, aber ihm noch immer nicht sicher vertrauen wollte, wobei auch mein stolz, wie gesagt, eine gewisse Rolle spielte.
Denn nie hatte mich einer offen verteidigt, oder war Still, wenn Chen oder Kyungsoo dementsprechend verteidigend etwas sagten.
Chanyeol war der erste, bei dem mich auch sein Anblick irritierte.
Das Gesicht strahlte selbstsicherere Ruhe aus, sein Körper Unsicherheit und vielleicht die Hoffnung, dass er durch seinen Wandel von uns Akzeptiert werden würde.

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