Homeworks

328 23 1
                                    

"Hat dir dieser Idiot irgendwas angetan?" Waren Suhos erste Worte, als er mich ins Haus gebracht hatte und Chanyeol weggescheucht hatte.
Ich schüttelte nur den Kopf.
"Er hat mir nichts getan und hatte es auch nicht vor." murmelte ich und nahm das Foyer des Hauses wahr, welches nicht meines, sondern eigentlich Chanyeols war.
"Dem würde ich keinen Glauben schenken.
Vielleicht ist der genauso verlogen, wie sein Vater." grummelte Suho vor sich hin und ich wurde hellhörig, doch weiter sprach er zu meinem Bedauern nicht.
Ich traute mich auch nicht nachzufragen, obwohl ich Suho manchmal sogar vor lauter Fragen löcherte.
Wie zum Beispiel über seine Familie.
Er wusste so viel von mir und für mich war Suho ein verschlossenes Buch mit zu vielen Schlössern.
Was ich wusste  war, dass er eine Verlobte hatte und ich der Grund dafür war, das er Geld bekam, aber da hörte es auch schon wieder auf.

Seufzend tastete ich mich durch das zu helle Haus mit den wenigen dunklen Ecken, zur Treppe.
Sofort stand Suho mir zur Seite und lief mit mir hoch und in mein Zimmer, was in einem perfekten schwarz und weiß Kontrast eingerichtet war, wenn die Jalousien unten waren, so wie jetzt.
Meine Mutter bestand darauf, dass Licht in mein Zimmer kam, obwohl sie wusste, dass ich bei Tageslicht kaum sehen konnte.
Doch wenn sie aus dem Haus war, dann zog Suho sie herunter, so dass ich etwas in meinem Zimmer sehen konnte, wenn ich von der Schule zurück kam.
"Wie war die Schule heute?" fragte Suho mich beiläufig und ließ mich am Arm wieder los, so dass ich mich auf meinen Drehstuhl setzten konnte.
Ich drehte mich mit wenig Schwung ein paar Runden und nahm währenddessen meine Sonnenbrille ab.
Einen Moment brauchte ich, um mich an die nun hellere Umgebung zu gewöhnen und antwortete.
"Chanyeol hat mich vor Sehun und Kris verteidigt. So übel kann er also nicht sein." brummelte ich in Gedanken und rief mir die schroffen Worte des Neuen in den Kopf.
Suho sah nicht sonderlich beeindruckt aus.
"Tust du selber doch auch." gab er nur zurück und setzte sich auf mein Bett.
"Aber du warst nicht dabei, denn die ganze Klasse war aufeinmal leise, als hätte er sie alle im Griff, als wäre er der Chef und so war es in Englisch auch. Er hat was gesagt, weil die Lehrerin ziemlich unfreundlich mir gegenüber war und die Klasse war leise." erklärte ich ihm und schlang meine Arme um mich.
"Seine Ausstrahlung ist so merkwürdig. In dem einen Moment unantastbar und überlegen, und im nächsten eingefallen mit Angst sich zu blamieren." nuschelte ich mehr zu mir, als zu meine Pfleger und kaute auf meiner Unterlippe.

"Das kann genauso gut täuschen. Baekhyun." versuchte er mir einzureden.
Ich schüttelte den Kopf.
"Körpersprache täuscht nicht. Sie verrät mehr über den Menschen, als die Augen." erinnerte ich ihn und kratzte mich am Hinterkopf.
Suho sah man an, dass er mich in diesem Moment nicht besonders ernst nahm.
Mir war als hätten sich alle, die mir Lieb waren gegen Chanyeol verschworen, konnte vielleicht auch daran liegen, dass sie wussten was passiert war mit ihm und dass sie nicht besonders auf Körpersprache achteten, so wie ich es musste.
"Pass einfach auf dich auf, wenn du dich mit dem Park-Jungen abgibst. Er hat hier keinen sonderlich guten Ruf mehr." warnte er und schob das Thema mit einer losen  unbedeutungsvollen Geste mit seiner Hand zur Seite.
"Ich hab frisch gepressten Orangensaft unten in der Küche, soll ich dir ein Glas holen?" bat Suho mir an und ich nickte.
Bevor er mein Zimmer verließ, stellte er mir meine Schultasche in Reichweite und meinte er sei gleich wieder oben.

Einen Moment hing ich in den Gedanken noch bei Chanyeol und was mit ihm oder seiner Familie passiert war, aber dann zog ich mein Schulzeug aus der Tasche und machte mich an meine Hausaufgaben.
Ich schaltete ein extrem gedimmtes Licht an meine Schreibtisch an, was grade so hell war, dass ich noch meine Schrift in dem dunkel meines Zimmers erkennen konnte, und dass ich noch grade so auch schreiben konnte.
Das Licht war extra so für mich angefertigt worden, dass es meinen Augen nichts antat, wenigstens da hatte meine Mutter drauf geachtet.

Suho hatte mir das Glas hingestellt, doch ich war so in meinen Aufgaben beschäftigt, dass ich das erst mitbekommen hatte, als ich von meine Geschichtshausaufgabe aufsah.
Ich sollte ein Bild aus einem der KZ Lager beschreiben, auf dem man abgemagerte Menschen arbeiten sah und schließlich meine eigenen Gedanken dazu verfassen.
Solche Aufgaben liebte ich.
Die Bilder waren schwarz weiß und ich konnte in den Tiefen meiner Gedanken graben, hier konnte mir keiner Farben oder Begriffe vorschmeißen, mit denen ich nichts anzufangen wusste.
In meinen Gedanken wusste nur ich wie der Hase läuft.
Wenn solche Hausaufgaben mit Bewertung aufwaren, dann war ich derjenige, der immer eine gute Note abpasste, da die Lehrer meinten meine Gedanken seien einzigartig, und dennoch kunterbunt und verblüffend, obwohl ich keine Farben sehen konnte.
Wenn ich an soetwas schrieb, dann war auch die ganze Welt für mich nicht existent, alles um mich verstummte und ich schrieb Seiten voll mit meinem eigenen Gedankengut.

"Baekhyun?"
Ich zuckte zusammen und drehte mich zu Suho, der mich belustigt ansah.
"Chen hat grad geklingelt und fragt, ob er hoch kann."
Noch ein wenig im Schock hängend nickte ich und Suho tappste wieder aus meinem Zimmer, um Chen hoch zu lassen, der mich darüber ausfragte, ob Chanyeol mir etwas angetan hatte oder es versuchen wollte, doch ihm erzählte ich das vom Inhalt gleiche wie Suho.
Ein wenig überrascht verzog Chen sein Gesicht und schaute über meine Schulter zu meinen Geschichtshausaufgaben.
"Kann ich mal lesen?" fragte er und nahm sich meine Zettel ohne eine Antwort abzuwarten.
Er schmiss sich auf mein Bett und war die nächsten zehn Minuten damit beschäftigt meine Hausaufgabe zu lesen.
"Wenn ich nur so schreiben könnte, wäre ich schon lange Autor geworden." murmelte Chen beeindruckt und stand wieder auf, um meine Zettel auf meinen Tisch zu legen.
Ich zuckte nur mit meinen Schultern.
Farbenblinde Autoren, gab es da überhaupt einen, oder wäre ich da der erste?
Nicht das ich es in Erwägung zog.
Heutzutage musste man ziemlich außergewöhnliche Ideen haben, um noch als Schriftsteller groß zu werden, es sei denn man ist Mangaka, dann kann man jeden Mist zu einem Manga verfassen und er wird berühmt.
Aber zeichnen war auch nicht meine Stärke, obwohl ich als Mangaka nichtmal Farben brauchen würde.
Hmm...vielleicht sollte ich doch nicht die Großfischerei meiner Eltern übernehmen und stattessen zeichnen lernen, um Mangas malen zu können.

Chens Hand fuchtelte vor meinem Gesicht herum und ich zuckte wieder zusammen.
"Wo du immer mit deinen Gedanken bist." lachte er nur und schüttelte den Kopf.
"Ich hab überlegt Mangaka zu werden. Ich müsste keine Farben sehen und nur irgendwie zeichnen lernen." murmelte ich und Chen lachte erneut laut und fröhlich los. "Dein Kopf ist echt mit absurden Dingen voll, aber auch mit echt guten Worten." lobte er und wuschelte durch meine dunklen Haare.
"Wenn ich nichts mit Farben beschreiben kann, dann muss ich ja eindrücke oder Gefühle nehmen." erklärte ich ihm und zuckte mit den Schultern, als ich nach dem Glas Orangensaft griff und einen Schluck daraus nahm.
"Ist das der von Suho?" fragte der in meinem Zimmer mich aufgeregt.
Ich nickte und in der nächsten Sekunde rannte Chen aus meine Zimmer und wohl in die Küche, um sich auch ein Glas zu holen.

Es gab halt einfach nichts besseres im Spätsommer, als Suhos Orangensaft.
Er war genau perfekt zwischen süß und fruchtig sauer und nicht ein Stückchen Fruchtfleisch hing in ihm.
Genau richtig und perfekt für den Übergang von eine warme in eine kalte Jahreszeit, wenn es nach mir ging.

Gegen sieben verschwand Chen wieder und meine Eltern kamen von ihrer Arbeit nach Hause.
Meine Mutter machte etwas zum Abendessen und mein Vater meinte, er würde es mir hoch bringen und dass Suho gehen konnte.
Er würde morgen früh wieder hier sein, mir meine Klamotten für die Schule raussuchen, sich um mich kümmern.
Wenn es nach meiner Mutter ginge, war er mehr ein Mädchen für alles, als ein Pfleger für ihren Sohn.
Aber brauchte ich das denn mit siebzehn wirklich noch?
Sollte ich nicht eigentlich selbstständiger werden?
Suho hatte schließlich eine Verlobte und bestimmt zerrte es an den Nerven beider, dass er sich um einen unselbstständigen siebzehnjährigen Farbenblinden kümmern musste.
Das wäre eine Frage, mit der ich ihn bei Gelegenheit unbedingt mal löchern sollte, denn dass sie es mitmachte, dass Suho eigentlich kaum zu Hause war, konnte doch nicht wirklich denkbar sein.



Colourfull DesireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt