Knowing

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Appa stand auf und ging zu der Anbauwand der Stube. Ich knabberte an einem der Sandwiches und verfolgte ihn mit meinem Blick.
Ich war ihm dankbar, dass er in einer eiligen Bewegung an einen Schalter die Jalousien herunter fahren hatte lassen, damit ich noch ein wenig besser in der so schon etwas dunkleren Wohnstube sehen konnte.
Als mein Vater sich mir wieder zuwandte, hatte er ein dickes Bilderalbum in der Hand und schlug es auf, bevor er es mir reichte und auf eines der Bilder zeigte, auf dem Jahre jünger mit einer Frau zu sehen war, die nicht Seoyoung war.

"Das ist deine Mutter, Yeojin." ließ er mich wissen und tippte auf den Kopf der Frau, die ich grade in Augenschein genommen hatte.
Die beiden standen nebeneinander und sahen mit einem strengen Blick in die Kamera.
"Das ist bei einem Shooting für die Fischerrei damals entstanden. Da kannten wir uns kaum, wussten noch nicht was uns bevor stehen würde, dass du hier irgendwann mal neben mir sitzen würdest und ich dir diese Geschichte erzähle." lachte Appa leise und schüttelte den Kopf.
"Das hier ist mein Lieblingsbild, von deiner Mutter." Mein Vater blätterte ein paar Seiten weiter und zeigte mir ein anderes Bild meiner Mutter, auf dem sie einen gigantischen Geburtstagskuchen trug und breit lächelte.
"Der ist, nachdem ich ihr zum Geburtstag gratuliert habe, in meinem Gesicht gelandet, weil sie gestolpert ist.
Ich mag ihr Lächeln auf dem Bild. Mir war in dem Moment, als würde meinen ganze Welt aufhören sich für einen Moment zu drehen." erzählte er in Erinnerungen hängend und seufzte.
"Du hast ihre Augen, siehst ihr ähnlicher als mir. Seit ich dich das erste mal gesehen habe, hast du mich an Yeojin erinnert.
Ich habe dich von der ersten Sekunde an geliebt, auch wenn ich Seoyoung dafür hätte töten können, dass sie dich deiner Mutter entrissen hat." murmelte er und atmete schwer.
Ich wusste, dass es unpassend war so zu denken, aber die Geschichte meiner Eltern war ja fast so dramatisch, wie in einem Bollywoodfilm, nur ohne das tanzen und singen und den ganzen Saris.

Mein Vater schlug das Buch wieder zu und zog es Weg von mir, um es in den Schrank zurück zu stellen, bevor er einige Minuten in seinem Arbeitszimmer verschwand und mit einer A4 großen Kiste wieder auftauchte.
Er setzte sich auf den Teppich und bat mich sich zu ihm zu gesellen.
Ich reagierte und setzte mich gegenüber von Appa, der die Kiste öffnete und einen ganzen Stapel Karten enthüllte.
So viele grautöne, wie sie hatten, mussten sie in normalen Augen bestimmt kunterbunt gewesen sein.
Logisch erfasste ich, das dies die Karten meiner Mutter sein mussten.
Zögerlich griff ich nach einer, und als mein Vater nichts sagte, öffnete ich sie und las.
Sie war von meinem letzten Geburtstag.

Hallo Hwangyoo

Richte meinem Sohn alles gute zu seinem Tag aus.
Sein übliches Geschenk habe ich ihm schon überwiesen.
Ich kann immer noch nicht glauben, dass ich Baekhyun nun schon seit siebzehn Jahren nicht mehr gesehen habe.
Es hört sich grob ab, aber ich habe das Gefühl es ist sogar noch länger her, seit Seoyoung ihn mir weggenommen hat und mich nach Amerika gezwungen hat, nur damit sie mit dir einen auf glückliche Familie machen kann.
Wenn du Baekhyun irgendwann mal von uns erzählst, lass ihn wissen, dass ich ihn mit all der Liebe liebe, die eine Mutter gegenüber ihrem Sohn aufbringen kann, auch wenn ich ihn nur wenige Male gesehen habe und gehalten habe und nur Bilder von ihm habe, die du mir schickst.
Ich sehe auf jedem einzelnen immer mehr die Ähnlichkeit zu uns beiden, ich kann stolz von meinem Kind behaupten, dass er wirklich toll aussieht.
Ich wünsche dir und Baekhyun einen tollen Tag, ich hoffe die Karte kommt pünktlich zu seinem Geburtstag und dass du sie sie irgendwann alle mal lesen lässt.
Ein wenig fühle ich mich wie in diesem einen Bollywoodfilm, in dem das Kind zu jedem Geburtstag einen Brief ihrer verstorbenen Mutter bekommt, nur bin ich nicht tot, sondern einfach tausende Kilometer von meinem Kind getrennt.

...

"Du siehst aus, als wärst du gegen eine Wand gerannt und dann über Kohlen gelaufen." begrüßte mich Chanyeol, als ich vor meiner Haustür stand und er meine Tasche nahm.
Ich zog nur eine Augenbraue hoch und wusste nicht was ich darauf erwiedern sollte.
Wir hatten gestern Schule geschwänzt, ich hatte mich bei ihm ausgeheult und er hatte mich ohne weiteres Umarmt.
Man hatte uns beim Schwänzen ertappt, Seoyoung hatte mich abgeholt und mich wie üblich wie Dreck behandelt, bevor ich ausgerastet bin und rausgebrüllt hatte, dass Seoyoung och gar nicht meine Mutter war.
Ich hatte die Geschichte um meine richtige Mutter erfahren und konnte dementsprechend auch nicht gut einschlafen, da mich das ganze einfach total mit sich zog.

"Wo ist Jongin?" murmelte ich dagegen, als er nach meinem Arm griff und mich mit sich zog.
Im Rücken hatte ich Suhos Blick, der nicht von mir Abließ und ein wenig besorgt würde, seit mein Vater ihn über den gestrigen Tag in Kenntnis gesetzt hatte.
"Allein unterwegs, will sich versuchen an Kyungsoo ranzumachen." lachte Chanyeol ungläubig und hielt die Tür zu seinem Wagen für mich auf.
Ich stieg ein und konnte mir ein kichern nicht verzweifeln.
"Er wird es nicht schaffen." meinte ich.
"Jongins Mutter ist die, die Tante die durch einen Unfall farbenblind geworden ist oder?" harkte ich nach, da ich unbedingt über irgendwas reden musste, um nicht wieder an meine Mutter zu denken.
Chanyeol nickte.
"Sie ist ne ziemlich durchgeknallte Anwältin seit dem.
Schafft es sogar mit ner Lady Gaga Perrücke im Gerichtssaal aufzukreuzen, nur weil sie ne Wette mit ihrem Mandanten verloren hatte.
Mein Onkel ist auch ziemlich lässig, aber kann auch streng sein." ließ er mich wissen.
Ich lachte erneut leise und Chanyeol fuhr los.
"War auf Familien feiern immer lustig, doch ohne meinen Vater ist das nicht mehr das gleiche. Kaum einer lacht noch, ist eher wie auf einer Beerdigung." murmelte er nun eine spur trauriger und sofort fühlte ich mich wieder unglaublich schlecht und fand es nicht mehr gut das Thema um seine Familie angeschnitten zu haben.
Ruhe kehrte ein.
"Mein Vater meinte, dass du ein guter Umgang für mich bist." brabbelte ich und Chanyeol hielt lachen an einer Kreuzung.
"Das gleiche meint meine Mutter über dich zu mir. Vielleicht weil sie sich kennen." vermutete er wieder munterer und fuhr weiter.
Sowas wie einen Führerschein würde ich in meinem Leben auch nie machen können, da ich die Farben einer Ampel nicht auseinander halten konnte und die Figuren darauf gar nicht erst erkennen konnte, nur durch Bilder hatte ich erst gelernt, wie die Ampelmännchen aussahen.

"Treffen wir uns am Samstag wieder, wegen Geschichte?" harkte Chanyeol nach und ich nickte.
Er nannte eine Zeit und ich stimmte wieder zu.
Während der Fahrt neben ihm zur Schule, fühlte ich mich irgendwie komisch, nicht krank komisch, sondern unerklärbar komisch und das war eben beim Frühstück noch nicht gewesen, nur seit Chanyeol aufgetaucht war und wir unter uns waren.

Colourfull DesireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt