2 || Willkommen in der Hölle

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Normalerweise machten Glenn und ich immer ein Wettrennen nach Hause, doch heute war mir echt nicht danach. Wir radelten gemütlich nebeneinander her und ich musste die ganze Zeit daran denken, dass mich Mum gleich umbringen wird.

"Was ist mit dir los? Therapie schlecht gelaufen?", rief Glenn mir zu und vergrub seine Hände in den Jackentaschen.

Wie gesagt, gab es eigentlich gar nichts, was er nicht konnte. Ich hatte es einmal versucht freihändig Fahrrad zu fahren, was aber gewaltig schief gegangen ist.

"Du hast ja keine Ahnung..." Ich entdeckte unser Haus in der Straße und wäre am liebsten einfach daran vorbei gefahren.

Letztendlich stieg ich trotzdem von meinem Rad und winkte Glenn hinterher, der nur noch um den Block fahren musste. Drinnen schien Mum bereits auf mich gewartet zu haben, denn sie stand mit verschränkten Armen im Flur und sah mich strahlend an, als ich durch die Tür trat.

"Und? Wie war deine Klausur?", fragte sie mit einem freudigen Unterton, sobald ich aus meinen Schuhen geschlüpft war. Ich ließ sie nicht lange zappeln, da ich es ihr sowieso nicht verheimlichen konnte, dass ich das hochheilige Amulett kaputt gemacht hatte.

"Mum, der Glücksbringer, den du mir geschenkt hast..."

"Oh, hat er dir geholfen?", rief sie begeistert und nahm mich in ihre Arme. "Ich hoffe doch!"

Mir stieg der sommerliche Duft ihres Parfüms in die Nase und musste mich zusammenreißen, sie nicht doch anzulügen. Sie war doch gerade so glücklich - aus welchem Grund auch immer. Ihre Gefühlslage änderte sich meist binnen weniger Sekunden.

Mum war im Hinblick darauf wirklich unberechenbar.

"Nun ja, er ist futsch", antwortete ich zögerlich und sah sie entschuldigend an.

Sie fing bloß an zu lachen. "Schatz, nur weil du das Gefühl hast, dass er nicht funktioniert, muss er ja nicht kaputt sein."

Er hatte auch nicht funktioniert, aber das war gerade wohl mein winzigstes Problem.

"Mum, er ist zerbrochen!", platzte ich heraus und kniff ängstlich die Augen fest zusammen. Sie würde mich sicher gleich anschreien, ich ahnte es schon. Für einen Moment war es still und ich hörte bloß, wie sie tief durchatmete.

Also blinzelte ich und schaute verunsichert zu ihr auf.

"WIE BITTE?" Ihr Blick sagte mehr als tausend Worte. Sie würde mich wirklich umbringen.

Sogar Dad hob kurz den Kopf an und wunderte sich über ihr Verhalten. Mir warf er bloß ein Augenrollen zu, über das ich normalerweise sicherlich gelacht hätte, doch gerade entpuppte sich meine Mutter als eine bedrohliche Furie.

"Runtergefallen", fügte ich kleinlaut hinzu und lächelte unschuldig.

"Kannst du mir bitte in ganzen Sätzen antworten?" Mums Gesicht war rot vor Wut.

"Mir ist das Amulett runtergefallen und zerbrochen. Es war nicht mehr zu retten." Ich senkte schuldbewusst den Kopf. "Tut mir leid, Mum."

Sie schüttelte aufgebracht den Kopf. "Du kannst nicht einmal auf deine eigenen Sachen aufpassen, Brenda! Weißt du, wie viel mich das gekostet hat? Das war etwas Besonderes und du gehst damit genauso unvorsichtig um, wie mit all deinen anderen Sachen."

Sie hatte recht, dass ich ab und zu etwas unvorsichtig war. Nicht umsonst hatte sie ihre kostbarsten Schätze in einer Vitrine in ihrem Schlafzimmer eingeschlossen, sodass ich sie nicht aus Versehen kaputt machte. Dass die Vitrine ziemlich instabil zusammengebaut war und aus purem Glas bestand, verkniff ich mir mal an dieser Stelle zu erwähnen.

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