60 || Ich habe diesen Junge nicht verdient

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Als ich dann allein in Kris' Zimmer stand, knipste ich zuerst das Licht an und dimmte es dann ein wenig. Ich bewunderte mit einem Lächeln auf den Lippen, wie ordentlich und aufgeräumt es hier drin war. Dieses Zimmer schrie förmlich nach seinem Namen.

Nur auf seinem Schreibtisch lagen kreuz und quer einige Blätter herum. Bei genauerem Hinsehen stellte ich fest, dass es Notenblätter sein mussten und Melodien sowie Texte, die er sich kürzlich notiert hatte. Offensichtlich arbeitete er bereits an neuen Songs. Ich konnte kaum abwarten sie endlich zu hören.

Ich musste lächeln und betrachtete dann ein Bild, das Glenn einmal gezeichnet hatte. Es zeigte uns alle, als wäre es ein Selfie von uns. Aleyna, Wendy, Glenn, Kris und mich. Ich wünschte, ich würde unsere Freundschaften wieder zusammen schweißen können.

Bevor Lucifer in mein Leben getreten ist, haben wir eigentlich andauernd miteinander etwas gemacht. Selbst wenn wir uns bloß auf Glenns Bett quetschten und Filme schauten oder mal an den Strand gingen. Ich vermisste diese Zeit, in der wir immer aufeinander gehangen sind.

Seufzend blieb ich bei einem Foto stehen, das dort unter der Zeichnung klebte. Ein Foto von Kris und mir. Damals war ich zwölf und er dreizehn. Seine Mutter hatte das Bild damals gemacht, als wir draußen im Garten gespielt haben.

Dementsprechend sahen wir auch aus, denn wir beide hatten eine ordentliche Ladung an Schlamm im Gesicht. Wir beide grinsten breit in die Kamera und ich schmierte meine dreckige Hand heimlich an seinen Haaren ab, wovon er nach dem Foto jedoch erfahren hatte und dann mit Kugeln aus Matsch nach mir geworfen hat.

Rasch wandte ich mich davon ab, um keine Tränen erzwingen zu müssen. Ich wollte nicht an die Vergangenheit denken, sondern an das Hier und Jetzt. Wir waren immer noch die allerbesten Freunde und hatten den größten Spaß der Welt, wenn wir zusammen waren. Hinzu kam jedoch nur, dass wir uns mit intensiveren Blicken anschauten und uns gegenseitig berührten und küssten, woran wir damals sicher nie gedacht hätten.

Ich beugte mich zu seiner Gitarre hinab, die immer noch an der gleichen Stellte lag, an der ich sie auf den Boden verfrachtet hatte. Meine Hände griffen danach und betrachten das gute Stück. Sie ähnelte seiner alten Gitarre, jedoch fehlte an dieser der kleine Kratzer, den ich ihr mal unabsichtlich verpasst hatte.

Diese nostalgischen Gedanken sollte ich dringend aus meinem Kopf verbannen. Das alles lag bereits hinter mir und gehörte nicht mehr hierher. Mit allergrößter Vorsicht stellte ich die Gitarre in den entsprechenden Ständer und ließ meine Finger über die Saiten gleiten.

Ich hörte, wie hinter meinem Rücken die Zimmertür geschlossen wurde und drehte mich ohne zu zögern zu Kris um. Bevor er sich in Bewegung setzte, stellte ich mich dicht vor ihn und schaute ihn schweigend an. Meine Hände hoben sich langsam an und legten sich auf seine Brust.

Da seine Haare noch feucht waren, tropften sie auf sein frisches T-Shirt hinab. Ich merkte, wie meine Finger sich automatisch über seine Brust bewegten und die Muskeln darunter berühren wollten.

Der frische Duft seines fruchtigen Duschgels stieg mir in die Nase. Ich nahm mehrmals einen tiefen Atemzug und machte einen weiteren Schritt auf ihn zu, um seinen Geruch in mir aufzunehmen.

Ohne ein einziges Wort bewunderte ich diesen perfekten Jungen. Ich spürte, wie er seine Hände an meine Hüften legte und dann ebenfalls den Abstand zwischen uns verringerte. Inzwischen passte kein Blatt mehr zwischen unsere Körper.

Sein Kopf neigte sich zur Seite während er mich betrachtete. Im Augenwinkel sah ich, wie er seine rechte Hand anhob und dann durch meine Haare fuhr, um sie hinter mein Ohr zu schieben.

"Kris", hauchte ich bloß über die Lippen und musste zugeben, wie in mir bereits alles prickelte. Ich bewegte mich keinen Millimeter und war mit den Augen an seinen gefesselt.

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