62 || DNA vom Körper waschen

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Ich nickte und stieg aus dem Bett, um dann nach meinem Handy zu greifen und es einzustecken. Solange schlüpfte Kris in ein paar Klamotten, wobei ich seinen langen schlanken Körper beobachtete.

Er zerrte sich eines seiner weißen T-Shirts über den Kopf und verbarg somit darunter die abheilenden Narben und blauen Flecken. Danach zog er seine dunkle Jeans langsam an seinen Beinen hinauf.

"Bringst du mich nach Hause?", bat ich ihn, während er den Gürtel an seiner Hüfte schloss. Ohne mich anzusehen, nickte er bloß und schnappte sich seine Autoschlüssel von seinem Schreibtisch.

Ich verließ sein Zimmer und stieg die Treppenstufen hinunter. Allem Anschein nach waren seine Eltern bereits wach und bemerkten uns, als ich gerade in meine Sneakers schlüpfen wollte. Dabei drückte das Amulett gegen meinen Fuß und ich dankte wieder einmal meinem Vergangenheits-Ich, dass es die Kette in den Schuh gelegt hatte.

"Willst du nicht zum Frühstück bleiben?", erkundigte sich Alice bei mir und wirkte dabei so liebevoll, dass ich fast zugestimmt hätte. Nur wäre das mit Abstand das unangenehmste Frühstück der Welt geworden, wenn Kris und ich beide am Tisch sitzen würden und uns gegenseitig anschwiegen.

"Danke, aber ich muss noch ein paar Dinge erledigen", log ich und befestigte mein Amulett an meinem Hals. Ob Lucifer wohl gleich wieder an meiner Seite auftauchen würde?

"An einem Sonntag?", hakte Alice belustigt nach, aber sie fragte zum Glück nicht genauer nach. "Oh, guten Morgen Kris."

Besagter Junge schlurfte gerade die letzten Treppenstufen hinunter und ließ die Schultern hängen. Seine Mutter sah ihm sofort an, dass es ihm nicht gut ging und als er den Kopf anhob und sie seine roten Augen erblickte, war sie entsetzt.

"Ist denn etwas passiert?", hauchte sie schockiert und wollte näher an ihren Sohn herantreten, um sich sein Gesicht genauer anzusehen. Dieser wich ihr allerdings aus und zog sich ebenfalls seine Schuhe an.

Kopfschüttelnd wandte sich Alice wieder an mich. Ihre Augen hefteten sich an meinen Hals und ich wusste sofort, was sie dort entdeckte. Rasch packte ich meinen Zopf und legte die Haare über den Knutschfleck, den Kris dort hinterlassen hatte.

Irritiert sah Alice von mir zu ihrem Sohn, der sich nun aus der Hocke wieder erhob und fragend in meine Richtung blickte. Ich öffnete den Mund, aber Alice kam mir zuvor.

"Sag mal, was läuft da zwischen euch beiden?" Ihre Stimme klang überhaupt nicht vorwurfsvoll, sondern ziemlich neugierig.

Kris öffnete die Haustür und trat für mich zur Seite. Ich verabschiedete mich von Alice und rief Kris' Vater ein gehetztes "Tschüss!" zu, bevor ich das Haus hinter mir ließ und an die frische Luft trat.

In seinem Wagen dröhnte das Schweigen in meinen Ohren. Die Luft zwischen uns war angespannt und drückte gegen meine Brust. Keiner von uns sagte auch nur ein Wort. Ich traute mich nicht, ihn mit einer leichtsinnigen Wortwahl noch mehr zu verletzen.

Er hingegen versuchte wohl gerade, das Chaos in seinem Kopf und alles, was ich zu ihm gesagt hatte zu verarbeiten. Tief in mir wünschte ich, dass ich all das nicht wirklich in sein Gesicht gesagt habe. Leider konnte ich doch nichts dafür, wenn ich mich so fühlte.

Um ehrlich zu sein hatte ich gehofft, dass ich mich danach besser fühlen würde und Kris auch endlich die nötige Erklärungen erhalten hat. Leider schien es uns beiden nur schlechter zu gehen. Mir ist klar, dass von nun an nichts mehr so sein wird, wie es zwischen uns einst gewesen ist.

Bedrückt starrte ich aus der Fensterscheibe und beobachtete die Frühaufsteher, die sich bereits auf die Straße getraut haben. Ich sah einem Mädchen dabei zu, das mit ihrem kleinen Hund auf dem Bordstein hin und her rannte. Leider drifteten meine Gedanken dadurch an meine Kindheit ab.

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