28 || Gentleman

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"Schwesterherz", flötete Luis während er ungefragt mein Zimmer betrat. Müde rieb ich mit den Fäusten über meine Augen und blinzelte mehrmals, um ihn wirklich wahrnehmen zu können.

Mein Bruder beschloss, sich neben mich auf mein Bett zu werfen und landete dabei auf meinem Arm. Ich schrie auf und rammte ihm gereizt meinen Ellbogen in die Hüfte. Das nahm er mit einem beherzten Lachen entgegen und schlüpfte unter meine Bettdecke, wobei er sie mir ganz vom Körper riss.

"Mann, was soll das?" Stöhnend rutschte ich näher zur Wand, sodass er mehr Platz in meinem Bett hatte. Er legte seinen schweren Kopf auf meine Schulter und schlang seinen Arm um meinen Körper. "Was machst du da?"

"Ich hab dich lieb!", flüsterte er in mein Ohr und schloss grinsend die Augen, während er mich stärker an sich drückte.

Irritiert und genervt versuchte ich ihn von mir zu stoßen, aber Luis war schlichtweg viel zu schwer. Stattdessen legte er sein linkes Bein über mich und presste mich dadurch noch mehr in die Matratze.

"Was willst du von mir?" Ich konnte immerhin seinen Kopf von meiner Schulter schieben und seinen festen Griff um meine Hüfte zumindest ein wenig lockern.

"Ich will mir dir kuscheln", behauptete er. "Darf ich nicht mit meiner Lieblingsschwester kuscheln?"

"Sag einfach, was du willst und lass mich los", brummte ich. Musste er mich am Wochenende um die Uhrzeit schon wecken? Ich hatte mich auf das lange Ausschlafen gefreut und wollte seelenruhig meinen Schlaf ausnutzen.

Wenigstens ließ er von mir ab und setzte sich aufrecht auf mein Bett. So konnte ich mich auch aufrichten und die Decke zurückerobern.

"Willst du wirklich, dass ich es dir verrate?", fragte Luis mit einem vielsagenden Grinsen und beugte sich zu mir herunter. Dann stupste er meine Nase mit dem Zeigefinger an, bevor er mir die Zunge herausstreckte und aus meinem Zimmer rannte.

Kaum zu glauben, dass mein Bruder wirklich 24 Jahre alt war. Bei dem Verhalten konnte man ihn auch mit einem Kindergartenkind verwechseln. Schade, dass er 1,80 Meter groß war und man ihn sicher nicht glaubwürdig in den Kindergarten stecken konnte.

Stöhnend stieg ich aus meinem Bett und schlüpfte in eine frische Jeans und in eins von Glenns unzähligen Marvel-T-Shirts, die er mir geschenkt hatte. Ich musste zugeben, dass ich von dem Training einen leichten Muskelkater in den Armen brennen spürte.

Mir entwich ein Seufzen, bevor ich mein Zimmer verließ und die Treppe hinunter stieg. Meine Familie saß merkwürdigerweise bereits am Frühstückstisch und hob nicht einmal den Kopf an, als ich mich zu ihnen setzte.

Am Wochenende waren sie normalerweise nicht vor zehn Uhr wach und Luis schlummerte meistens bis in den frühen Nachmittag in seinem Bett. Das lag nicht daran, dass er spät ins Bett ging, sondern tatsächlich über zwölf Stunden schlafen konnte.

Da ich jetzt schon so früh wach sein musste, beschloss ich Dereck zu schreiben. Vielleicht wollte er sich mit mir treffen, um zum einen tatsächlich unser Schulprojekt zu besprechen und um zum anderen unsere Pläne langsam in die Tat umzusetzen.

"Hey, hast du heute Zeit?", schrieb ich ihm und beobachtete meine schweigende Familie beim Frühstücken. Dad hielt die Tageszeitung in den Händen, während er seinen Kaffee schlürfte und Mum schlug gerade ihr gekochtes Ei auf.

Luis hingegen betrachtete sein Müsli und rührte gelangweilt mit dem Löffel die Flakes herum. Dann fingen seine Augen an zu leuchten und er steckte sich einen großen Löffel in den Mund. Zufrieden lächelte er und rieb sich den Bauch.

Was passierte hier? Hoffentlich konnte mich Dereck von meiner Familie erlösen, denn mit meinem Bruder würde ich es heute keine weiteren 16 Stunden aushalten. Ungeduldig warf ich einen Blick auf mein Handy.

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