27 || Nicht einschlafen, Zwerg!

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Müde schaute mich Glenn unter seinen Brillengläsern an und zwang sich zu einem Grinsen. Ich musste schmunzeln, als ich ihn in eine kurze Umarmung zog, bevor ich sein Gesicht genauer inspizierte. Er trug dunkle Schatten unter den Augen.

"Hast du überhaupt geschlafen?", fragte ich belustigt und schob mein Fahrrad neben ihm her.

"Vielleicht zwei Stunden", antwortete er und gähnte in seine Hand. "Letzte Nacht war doch der Zocker-Marathon für einen guten Zweck!"

"Natürlich, wie konnte ich das nur vergessen?" Ich rollte grinsend mit den Augen und stieg auf mein Fahrrad. "Du hast die ganze Nacht also gezockt?"

Glenn stieg ebenfalls auf sein Rad und radelte gemütlich neben mir her. Bei dem Tempo wären wir zu Fuß sogar schneller unterwegs. Er war sogar so müde, dass er die Hände in seinen Taschen vergrub und freihändig vor sich hin fuhr.

"Nun ja... es kamen eine ganz schön große Menge an Geld zusammen", sagte er und schnappte den Lenker wieder, als er beinahe vom Sattel rutschte. "Das war eine einmalige Gelegenheit, Brenda. Energydrinks, Kaffee und Cola haben das super geregelt."

Der kleine Nerd war wirklich unglaublich. Trotz seiner Vorliebe fürs Videospiele spielen, brachte er nur Einsen nach Hause und beteiligte sich durchgehend am Unterricht. Ich wünschte, ich hätte gerade mehr Zeit, um sie mit ihm zu verbringen.

Leider musste ich mich um andere Dinge kümmern. Ich hatte wirklich keine Zeit, um sie mit Videospielen und Filmen zu verschwenden. Das musste ich alles leider auf unbegrenzte Zeit aufschieben.

"Wettrennen?", fragte ich neckisch und warf Glenn ein Grinsen zu. Doch er erwiderte das bloß stumm mit seinem schläfrigen Blick. Ich konnte sehen, wie seine Augenlider müde runter hingen. "Nicht einschlafen, Zwerg!"

"Manchmal möchte ich dir gern deine perfekten Zähne raus schlagen", erwiderte er und kniff die Augen zusammen.

Lachend verpasste ich ihm einen leichten Stoß in die Seite. "Nicht frech werden, Kleiner."

Den Rest unseres Schulweges verbrachten wir schweigend miteinander. Ich wusste, dass Glenn ziemlich frech werden konnte, wenn er müde war. Damit war nicht zu spaßen! Der kleine Junge konnte sich dann ernsthaft zu einem Monster entwickeln.

Wir schlossen gerade unsere Fahrräder an, als ich Kris' Auto allein am Geräusch des Motors erkannte. Das hatte sich zu einer Gewohnheit entwickelt. Ich hob den Kopf an und entdeckte den schwarzen Mercedes in seiner gewohnten Parklücke.

Als Kris ausstieg, musste ich lächeln.

Inzwischen ist er das Pflaster an seiner Nase losgeworden und sein Auge sah nicht einmal mehr halb so schlimm aus. Wenigstens ging es ihm besser. Auch ich konnte bei mir eine Besserung erkennen, denn Vincents Abdruck an meinem Hals hatte nachgelassen.

Ich winkte Kris zu, was er mit einem Nicken erwiderte. Dann packte ich Glenn an seiner Schultasche und zog den Jungen hinter mir her. Er folgte mir stolpernd.

"Du siehst besser aus", sagte ich zu meinem besten Freund und betrachtete sein Auge. Die Schwellung und Rötung hatten tatsächlich abgenommen.

"Ja, danke", murmelte er und schaute mich eindringlich an. "Was machst du eigentlich mit Dereck?"

Oh, stimmt ja, er hat selbst gesehen, wie ich in sein Auto eingestiegen bin.

"Ach so... ist nur wegen einem Schulprojekt." Ich rollte mit den Augen, um die Glaubhaftigkeit dieser Lage rüber zu bringen.

"Okay..." Er wollte es mir wohl nicht so richtig abkaufen und musterte dann Glenn. "Hast du überhaupt geschlafen?"

"Dasselbe habe ich ihn auch gefragt", stellte ich belustigt fest und sah auf den Nerd hinab. Er schlief im Stehen beinahe ein und ich musste ihm einen Stoß in die Hüfte geben, damit er nicht gleich vor Müdigkeit umkippte.

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