66 || Die Zeit zurückdrehen

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Ehe er wieder zu mir sah, schloss ich die Tür und lief in großen Schritten zur Haustür. Ich kramte meinen Schlüssel heraus und wollte eigentlich nicht zurück sehen, aber ich konnte nicht anders und schaute über meine Schulter.

Kris sah mich an, doch dann blickte er rasch von mir weg. Er sagte wohl ein paar Worte zu sich selbst, bevor sich sein Gesicht wieder vor Verzweiflung verzerrte und er mit der Faust gegen das Lenkrad schlug. Erschrocken entglitt mir der Schlüssel aus den Fingern und fiel klirrend zu Boden.

Ich hörte, wie er den Motor startete und sich dann aus der Straße entfernte. Schnell hob ich den Schlüssel wieder auf, drehte ihn im Schloss rum und riss die Haustür auf. Zunächst konnte ich niemanden hören, weshalb ich die Tür hinter mir schloss und sofort die Treppe hinauf sprintete.

In meinem Zimmer schnappte ich irgendwelche Klamotten, bevor ich ins Bad rannte und rechtzeitig abschloss, als Dad nach mir rief. Ich lehnte mich an die Tür und ließ den Tränen freien Lauf. Schluchzend sank ich auf die Knie.

Sinan ist tot, Dereck ist am Ende seiner Nerven und Kris glaubte mir kein Wort. Ich wollte die Zeit zurückdrehen, Sinans Tod vermeiden, mich mit Kris vertragen und in Derecks glückliches Gesicht sehen. Warum musste ausgerechnet ich mich auch mit einem Dämonen anfreunden?

Hätte das nicht jemand anderes erledigen können? Vielleicht Vincent oder Chuck. Irgendjemand, der um einiges stärker als ich war und mit dieser beschissenen Situation besser umgehen konnte.

"Brenda, bist du da drin?", fragte Dad und klopfte gegen die Badezimmertür. "Du hast dich nicht gemeldet und bist nicht nach Hause gekommen. Wir haben uns Sorgen gemacht. Alles in Ordnung?"

Ich atmete zitternd ein und richtete mich auf. "Ja, ja... ich bin bloß in Kris' Garten ausgerutscht."

Dad würde mir das niemals abkaufen, doch er hakte glücklicherweise nicht weiter nach. Ich hob meine Arme an, worauf mich eine unerträgliche Schmerzenswelle überfuhr. Mit zusammengekniffenen Augen zog ich mir vorsichtig das T-Shirt über den Kopf.

An meinen Ellbogen blutete ich ein wenig, da sie wieder aufgerissen waren. Ich kehrte dem Spiegel meinen Rücken zu und sah ihn an. Ein riesiger roter Fleck hat sich darauf ausgebreitet und am unteren Rücken eine Schürfwunde, die wohl davon kam, als ich an der Wand herabgerutscht bin.

Ich schluckte und schlüpfte aus meiner zerstörten Jeans. Schnell stopfte ich all meine Klamotten in die Waschmaschine, bevor ich meine Beine betrachtete. Meine Knie waren aufgerissen, aber sie taten mir nicht ganz so sehr weh, wie meine Oberschenkel. Die Muskeln schienen zu brennen und meine Knochen mussten sich erst einmal davon erholen.

Ich stieg unter die Dusche und ließ warmes Wasser über meinen Körper laufen. Das war tatsächlich sehr angenehm und die Schmerzen an meinem Rücken wurden dadurch ein wenig unterdrückt. Ich schloss die Augen und ließ das Wasser über mein Gesicht rinnen, um mir das Blut von der Haut zu waschen.

Dabei verlor ich mich in meinen Gedanken. Wenn ich meine Kette nicht aus Versehen zerstört hätte, wäre ich mindestens genauso ahnungslos wie Kris. Ich wüsste nicht von den Problemen Bescheid und Dereck würde damit allein klar kommen müssen.

Paola, Sinan und Will wären mir als harmlose, jedoch gut aussehende Schüler aufgefallen, aber mehr hätte ich mir bei ihnen auch nicht gedacht. Dereck wäre weiterhin mit der ganzen Schule verfeindet, Aleyna hätte sich vielleicht in jemand anderes verliebt und meine Freunde und ich wären glücklich zusammen.

Ich hätte mich außerdem nicht mit Kris zerstritten, selbst wenn er mich trotzdem an meinem Geburtstag geküsst hätte. Denn wenn diese Dämonen nicht wären, könnte ich meinen Kopf ihm widmen und viel klarer denken. Ich hätte seine Gefühle eher verstanden und sie erwidern können, so wie wir beide es uns wünschten.

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