Prolog

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Vor einigen Jahren

Verzweifelt starrte ich in die milchigen Augen. In die mir so vertrauten Augen und doch erkannte ich sie nicht wieder. Erkannte keine Liebe in ihnen. Erkannte keine Wärme in ihnen. Erkannte keine Zuneigung in ihnen. Sie waren mir so vertraut, doch gleichzeitig so fremd. So voller Leere und Gier. Gier nach mir. Gier nach Menschenfleisch. Gier nach ihrer eigenen Tochter. Sie würden mich ohne zu zögern fressen. Sie würden mich ohne zu zögern töten.

Sie waren mal meine Eltern. Mama und Papa. Sie liebten mich über alles. Versuchten mir alle meine Wünsche zu erfüllen. Waren, wann immer ich sie brauchte, für mich da. Trösteten mich, wenn ich traurig war. Lachten mit mir, wenn ich wieder einmal Unsinn angestellt hatte. Ich hatte eine wirklich schöne Kindheit. Wir wohnten in einem Apartment in einem Hochhaus. Ich besuchte die High School. Dort war ich im Chor und meine Eltern kamen zu jedem Auftritt. Ich hatte viele Freunde und sehr viele Hobbies. Selten war mir langweilig, wo ich nichts mit mir anzufangen wusste. Ich hatte gerne Leute um mich herum. Lachte viel und genoss meine Jugend, wie meine Eltern so gerne sagten.

Doch davon war nichts mehr übrig. Alles hatte sich verändert. Die Welt ging den Bach herunter. Ein Virus ging um. Ein Virus, der über die Luft übertragen wurde. Die Menschen nannten den Virus „Brand". Er war hochansteckend und Millionen Menschen verloren ihr Leben. Eltern verloren ihre Kinder. Kinder verloren ihre Eltern und Geschwister. Es gibt immune Menschen. Kinder. Munis werden sie genannt. Eine große Firma namens ANGST holt sie. Immer und immer wieder kommen bewaffnete Menschen und nehmen die Kinder einfach mit. In der Hoffnung, mit ihrer Hilfe ein Heilmittel zu finden. Doch Hoffnung schwindet. Von uns glaubt keiner mehr daran. Meine Eltern hielten mich versteckt. Versteckt vor ANGST. Sie haben mich nie gefunden.

Ich bin in Sicherheit. Falsch. Ich war in Sicherheit. Meine Eltern, sie hatten mich immer beschützt. Nun waren sie es, vor die ich beschützt werden müsste. Nun waren sie es, die nach meinem Leben trachten. Sollte ich es einfach geschehen lassen? Nur ein paar Bisse und Schmerzen und ich wäre erlöst. Erlöst von dem ganzen Leid, dass uns umgibt. Erlöst vor der Gefahr, die an jeder Ecke lauert. Erlöst von der Angst, es nicht zu schaffen. Erlöst von der Angst, alleine zu sein.

„Du bist ein unglaublich starkes und mutiges Mädchen. Du wirst deinen Weg gehen. Du wirst die richtigen Entscheidungen treffen, wenn es soweit ist. Du musst nur an dich glauben. Wir tun es. Wir glauben an dich!" hörte ich die Stimmen meiner Eltern in meinem Kopf. War es real? War es ein Traum?

Plötzlich wusste ich, was ich zu tun hatte. Sie würden es so wollen.

Ich nahm die Waffe von meinem Vater, entsicherte sie, zielte und drückte zweimal ab. Bei jedem Knall zuckte ich zusammen. Bei jedem Knall liefen mehr Tränen heiß an meinen Wangen herab. Leblos sackten ihre Körper zu Boden.

„Verzeiht mir" flüsterte ich kaum hörbar und spürte, wie innerlich ein Teil von mir mit ihnen zusammen starb. 

Die Lichter in der Dunkelheit (Maze Runner, Newt FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt