Kapitel 77

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Nach dem Essen zeigte uns Vince, wo wir in Zukunft schlafen würden. Wir kamen alle zusammen in einem Gemeinschaftsbereich unter, zusammen mit vielen anderen. Es hingen sicher an die 100 Hängematten hier, wenn nicht sogar mehr. Dicht an dicht. Kaum 50 cm Platz dazwischen. Privatsphäre gleich null, was mir absolut nicht behagte. Doch ich nahm es einfach hin. Fürs erste zumindest. Mussten die anderen ja auch damit klarkommen.

Ich lief zu einer der freien Hängematten, zog meine Schuhe aus und legte mich hinein. Fühlte mich müde und ausgelaugt. Die letzten Wochen waren sehr anstrengend und nervenzehrend gewesen. Das machte sich nun bemerkbar.

„Vergiss das Wettrennen morgen nicht" lachte mir Lucy zu, winkte und verschwand mit Paul in den anderen Gemeinschaftsraum, wo sie schliefen. Schmunzelnd schaute ich mich um. Bratpfanne, Minho und Thomas lagen auch schon lang, während sich Gally in die Hängematte links von mir legte. Nun schliefen wir doch wieder in einem Raum, falls man das hier einen Raum nennen konnte.

„Gar nicht mal so unbequem" grinste er mich schief an.

„Wenn du schnarchst, schubse ich dich raus" erwiderte ich frech grinsend und prompt landete ein Kissen in meinem Gesicht. "Hey!" beschwerte ich mich und feuerte es in seine Richtung zurück. Schnell kehrte ich ihm den Rücken zu und sah nun zu meiner rechten. Hier lag Newt und sah mich mit einem Blick an, den ich nicht deuten konnte. Leicht lächelte ich ihn an, doch er schloss seine Augen und öffnete diese auch nicht mehr. Seufzend drehte ich mich auf den Rücken und starrte die Decke an. Die Liebe ist echt kompliziert. Vielleicht zu kompliziert für mich.

Stunden später schlief auch ich endlich ein und nach einer viel zu kurzen Nacht fühlte ich mich wie gerädert. Ich ließ meinen Blick durch den Gemeinschaftsraum schweifen, doch dieser war leer. Es waren schon alle ausgeflogen. Gähnend rollte ich mich aus der Hängematte raus, zog meine Schuhe an und folgte den Stimmen nach draußen.

Ein paar kleine Kinder spielten am Strand und bauten Sandburgen. Ein paar der Jugendlichen fuhren mit kleinen Ruderbooten aufs Meer hinaus. Es sah aus, als wenn sie Angeln wollten. Viele waren am Bauen. Auch Gally war unter ihnen. Sie werkelten gerade an der zukünftigen Krankenstation herum. Das Grundgerüst und die Balken standen schon. Er schien den anderen zu erklären, was die nächsten Schritte waren, zumindest hingen sie gespannt an seinen Lippen.

Von Thomas und Minho fehlte jede Spur. Vermutlich waren sie sehr früh aufgebrochen, um die Insel zu erkunden. Damit waren sie voll in ihrem Element, wenn man ihren Erzählungen aus dem Labyrinth zugehört hatte.

Auch Newt konnte ich nirgendwo entdecken. Ging er mir aus dem Weg? Oder hatte er auch schon eine Beschäftigung gefunden? Vielleicht half er beim Obst- und Gemüseanbau mit, so wie er es auf der Lichtung getan hatte. Ich brachte meinen halbvollen Teller weg, wirklich Hunger hatte ich keinen und machte mich auf die Suche nach ihm. Ich suchte alles ab. Von den Gemeinschaftshütten, über den Strand bis hin zu den Feldern. Doch ich konnte ihn nirgendwo entdecken. Seufzend ließ ich den Kopf hängen. Vielleicht begleitete er ja Thomas und Minho.

„Tamara" hörte ich da Lucy rufen und drehte mich zu ihr herum. Lachend kam sie auf mich zugerannt, bis sie stolperte und unsanft auf der Erde aufkam.

„Aua!" schrie sie leise auf. Flink eilte ich zu ihr hin.

„Wo hast du dir wehgetan?" erkundete ich mich bei ihr und musterte sie von Kopf bis Fuß. An ihrer Hand waren Hautabschürfungen zu erkennen und ihr Knie blutete. Vorsichtig nahm ich sie auf den Arm und wischte ihr die Tränen ab. „Weißt du, ob ihr hier irgendwo Verbandsmaterial habt?" Schniefend zeigte sie auf eine kleine Hütte, während ich mit ihr dorthin ging. Nachdem auf mein Klopfen hin niemand reagierte, ging ich einfach rein und schaute mich um. Ein Schreibtisch stand am Fenster und ein Stuhl davor. An der gegenüberliegenden Wand stand eine Liege, auf diese setzte ich Lucy. „Nun versorgen wir deine Wunden und dann geht es dir bestimmt gleich besser" versuchte ich sie aufzumuntern, als hinter mir die Tür aufging. Erschrocken drehte ich mich um und sah in die schönsten braunen Augen, die es gibt.

„Ich hab euch hier reingehen sehen. Was ist passiert?" erkundete sich Newt besorgt.

„Ich bin hingefallen..." wimmerte Lucy und zeigte auf ihr Knie.

„Oh weh. Das sieht schmerzhaft aus" erwiderte er leise und strich ihr tröstend durchs Haar. „Kann ich dir irgendwie helfen?" fragend schaute er mich an.

„Ja. Ich brauche Wasser und Tücher, um die Wunden zu säubern. Kannst du welches besorgen?" fragte er ihn und durchsuchte die Hütte nach Verbandsmaterial. Nickend ging er wieder raus und ich legte den Verbandskasten neben Lucy auf die Liege. Nur wenige Augenblicke später kehrte er zurück und stellte eine Schüssel mit Wasser und Tücher dazu. Dankbar nickte ich ihm zu und sah Lucy an.

„Das könnte jetzt ein wenig wehtun..." erklärte ich ihr und tunkte eines der Tücher ins Wasser. Newt setzte sich auf die Liege und nahm Lucy auf den Schoß. Schnell kuschelte sie sich an ihm, während er ihr beruhigend zusprach und über den Rücken streichelte. Er konnte wirklich gut mit Kindern umgehen.

Vorsichtig und doch zügig säuberte ich ihre Wunden. An der Hand reichte das aus, dort waren nur kleinere Hautabschürfungen. Doch am Knie bedarf es ein Pflaster.

„Möchtest du die ein cooles Pflaster aussuchen, mit dem du nachher angeben kannst?" erkundigte ich mich bei ihr und zeigte ihr die spärliche Auswahl, die ich gefunden hatte. Aufmerksam schaute sie sich die Pflaster an und entschied sich für ein rosafarbenes mit bunten Ballons. Behutsam bedeckte ich mit diesem die Wunde.

„Und schon sind wir fertig. Du warst sehr tapfer Curley Sue" lächelte ich sie aufmunternd an und ein kurzes, stolzes Lächeln huschte über ihre Lippen. Schmunzelnd räumte ich alles wieder an seinem Platz, während Newt mit ihr auf dem Arm aufstand. Unschlüssig, etwas überfordert stand ich im Raum. Wusste nicht genau, was ich sagen sollte. Er hielt mir lächelnd seine freie Hand hin und sofort ergriff ich diese. Hielt sie fest umschlossen, während sich eine angenehme Wärme in mir ausbreitete.

„Wollen wir Paul suchen gehen, damit du ihm dein tolles Pflaster zeigen kannst?" fragte er Lucy, während wir die Hütte verließen.

„Oh ja. Er arbeitet manchmal auf den Feldern und wenn er da nicht ist, baut er an einer Hütte" erklärte sie uns und schaute sich suchend um. „Da ist er" lachte sie und zappelte, bis Newt sie absetzte. Humpelnd lief sie zu Paul und zeigte ihm stolz ihr Pflaster.

„Das ist ja rosa. Total cool" meinte er schmunzelnd zu ihr und nickte uns dankbar zu.

„Sicher seine Lieblingsfarbe" lachte Newt leise, dann sah er mich an. „Komm. Ich möchte dir etwas zeigen" meinte er und lief los. Neugierig folgte ich ihm, wenn auch etwas traurig, dass er nicht wieder meine Hand nahm. 

Die Lichter in der Dunkelheit (Maze Runner, Newt FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt