Kapitel 5

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Ein paar Stunden später, es war schon Abend, ließ ich mich auch mal wieder auf der Krankenstation blicken. Hatte den blonden Strubbelkopf tagsüber einfach vergessen. Er war immer noch bewusstlos. Sein Puls war unglaublich niedrig, schwer zu erfühlen. Seine Temperatur hielt sich hartnäckig bei 39,4 Grad. Dass Antibiotika schien noch nicht anzuschlagen oder es war einfach zu spät dafür. Ich säuberte seine Platzwunde und wechselte einmal alle Verbände. Die Platzwunde hat kein neues Eiter gebildet, dass war ein gutes Zeichen, wenn auch nur ein kleines. Auch eine neue Infusion, inklusive Antibiotikum, schloss ich an.

„Sturer Esel" maulte ich ihn an, als ich sein Gesicht eincremte. Es war nicht mehr so rot wie gestern. Dafür konnte man nun deutlicher sein blasses Gesicht erkennen. Ich aktualisierte seine Krankenakte, löschte das Licht und verzog mich in mein Zimmer. Der Boss war mittlerweile weg und ich wollte Lex aus dem Weg gehen, so gut es ging. Ich zog mich um und knipste das kleine Nachtlicht neben meinem Bett an. Mit einem Buch bewaffnet kuschelte ich mich ins Bett und las, bis mir irgendwann die Augen zufielen.

„Er ist von ANGST" hörte ich jemanden wie aus weiter ferne fluchen und öffnete blinzelnd meine Augen. Lex stand neben meinem Bett und starrte mich wütend nieder. Was macht der Arsch in meinem Zimmer?

„Was ist los?" nuschelte ich verschlafen und setzte mich langsam auf.

„Der halbtote Typ ist von ANGST. Ich habe ihn gescannt. Er wird uns eine fette Belohnung einbringen, vorausgesetzt, er überlebt. Der Boss wird darüber sehr erfreut sein" grinste er mich schmierig an. Er ist von ANGST? Ist er Immun? Ist es ihm gelungen zu fliehen? Sie werden ihn sicher suchen. Werden vermuten, dass wir ihm geholfen haben. Das wir ihn versteckt haben. Das könnte böse enden.

„Nun mach mal halblang. Was glaubst du denn, was passiert, wenn ANGST herkommen und ihn so sehen? Sie werden denken, wir haben ihn so zugerichtet und das an uns auslassen. Darauf habe ich kein Bock und der Boss sicher auch nicht" erklärte ich ihm deutlich.

„Ich habe hier das sagen und du hast dich nach mir zu richten, schon vergessen? Ich gebe dir 2 Tage. Dann ist der Boss zurück und wird Erfolge sehen wollen. Sieh zu du kleines Miststück" fauchte er mich an und verließ mein Zimmer mit einem lauten Knallen meiner Tür.

„Pisser" brüllte ich ihm nach und hörte ihn in der Ferne lachen. Ich konnte ihn nicht ab. Er war mir vom ersten Tag an suspekt. Vor mich hin fluchend zog ich mich an, bis es bei mir klick machte. Er hat ihn gescannt. Er war auf der Krankenstation. Auf meiner Krankenstation, wo ihm der Zutritt verwehrt ist. Na warte, der kann was erleben. Ich hatte plötzlich ein ungutes Gefühl und rannte zur Krankenstation. Diese lag eine Etage tiefer. Ich riss die Tür auf und sah mich prüfend um. Es sah alles aus, wie immer. Alles lag an seinem Platz. Ich kontrollierte alles zweimal, doch das ungute Gefühl blieb.

„Vielleicht werde ich ja doch verrückt" murmelte ich vor mich hin, als mein Blick auf den Strubbelkopf fiel, „Was meinst du dazu? Nichts? Auch gut, habe eh keine Lust auf Konversation". Wieder einmal kontrollierte ich seine Werte. Es ging ihm täglich schlechter, doch es schien, als wenn er den Kampf noch nicht aufgeben wollte. Als wenn ihm irgendwas am Leben erhielt. Doch war es das wert? War dieser Kampf nicht umsonst?

„Lass einfach los... Es wäre besser für dich..." flüsterte ich leise, ohne darüber nachzudenken. Plötzlich zuckten seine Finger an der rechten Hand, dessen Handgelenk ein Lederarmband zierte und leise stöhnte er auf. Wachte er jetzt auf oder ließ er jetzt tatsächlich los?

Noch einmal vernahm ich sein leises stöhnen, als mich plötzlich zwei große, tiefbraune Augen anschauten. So dunkelbraun, dass man meinen könnte, sie seien eins mit den Pupillen. Eindringlich war sein Blick. Keine Angst lag in ihnen. Dafür konnte ich Kampfwillen und Entschlossenheit erkennen.

Seine Lippen bewegten sich leicht. Es schien, als wenn er etwas sagen wollte. Ich beugte mich zu ihm herunter, jedoch konnte ich meinen Blick nicht von seinen Augen lösen. Zogen mich regelrecht in ihren Bann.

„Kämpfen..." hauchte er kaum hörbar, dann schlossen sich seine Augen und sein Kopf fiel zur Seite. Er war wieder bewusstlos geworden. Oder hatte ich mir das alles nur eingebildet. Hatte er mich gehört? Das konnte unmöglich sein. Grübelnd betrachtete ich ihn eine Weile.

„Du hast deine Entscheidung getroffen. Das akzeptiere ich. Hoffe nur, dass du mit den Konsequenzen leben kannst..." murmelte ich mehr zu mir, als zu ihm. Ich gab in seine neue Infusion eine weitere Lösung Antibiotikum und zusätzlich ein Fiebermittel. Ich musste sein Fieber runterbekommen. Das trocknet ihn nur zusätzlich aus. Ich versorgte seine Wunden und notierte mir wieder alles.

Anschließend ließ ich mich auf meinen Schreibtischstuhl fallen und beschloss, ihn erstmal nicht mehr aus den Augen zu lassen. Wer weiß, wozu Lex noch imstande war oder auf was für Ideen er kommt, wenn er hier alleine auf ihn trifft. Ich darf ihm auf keinen Fall erzählen, dass er kurz wach war. Auch wenn mich das kaltlassen sollte, war mein Ehrgeiz für den Moment geweckt. Ich wollte ihn heilen. Ich wollte ihn wieder auf die Beine bringen.

Gleichzeitig wusste ich, dass er damit vermutlich sein Todesurteil unterschrieben hat. Sobald er aufwachen würde, würde es für ihn nur noch schlimmer werden. Sie werden ihn nicht verschonen. Egal, wie schlecht sein Zustand dann auch sein wird. Gerade das würden sie noch zusätzlich ausnutzen. Sie werden ihn quälen. Sie werden ihn foltern. Sie werden ihm die Hölle auf Erden bereiten. Sie sind skrupellos. Sie sind brutal. Sie sind herzlos. Und wenn sie irgendwann mit ihm fertig wären, würden sie ihn an ANGST übergeben und eine fette Belohnung kassieren.

Was solls. Besser so, als wenn wir noch jemanden durchfüttern müssten. Wir brauchten jeden Mann hier. Brauchten jede Frau und jedes Kind, dass hier war. Doch es wurde im Laufe der Zeit immer schwerer, alle mit Nahrung und Wasser zu versorgen. Meistens reichte es nur für das nötigste. Wie hieß es so schön? Zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel. Das traf es ganz gut.

Nach einer Weile konnte ich nicht mehr stillsitzen. So schnappte ich mir das Putzzeug und fing an, die Krankenstation auf Hochglanz zu polieren. Ich hasste putzen. In meinem Zimmer herrschte immer Chaos. Überall lag etwas rum. Doch meine Krankenstation musste sauber sein. Mein Ehrgeiz ließ da gar nichts anderes zu. Nicht auszudenken, wenn sich einer unserer Leute durch verkeimte Instrumente eine Entzündung einfingen würden. Dann wäre ich diesen Job hier mit Sicherheit los. Und mein Leben vermutlich auch.

Die Lichter in der Dunkelheit (Maze Runner, Newt FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt