Kapitel 31

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Als ich meine Augen das nächste Mal öffnete, war es immer noch dunkel. Ich sah mich um und mein Blick blieb an einem Umriss hängen. Strubbelkopf. Er saß immer noch auf seinem Schlafsack. Er war nicht zugedeckt und ich konnte sein zittern bis hier herhören. Okay. Nun reicht es mir aber endgültig. Ich krabbelte zu ihm rüber und hockte mich wieder vor ihn.

„Willst du sterben?" fragte ich ihn leise, aber direkt. Zum ersten Mal an diesem Tag sah er mich richtig an. Seine Augen. Leer und ausdruckslos starrten mich diese an. Kein Kampfwille war mehr in ihnen zu erkennen. Jeglicher Glanz aus ihnen war verschwunden. Müde und leer war sein Blick und ich erschrak. Hatte ich etwa ins Schwarze getroffen? „Newt...Warum...?" hauchte ich nur noch. Meine Stimme schien mich zu verlassen und zum ersten Mal sprach ich ihn direkt mit seinem richtigen Namen an.

„Lass mich einfach..."

„Das kann ich nicht..."

„Warum nicht...?"

„Weil du kämpfen wolltest. Weil du Leben wolltest. Weil du weißt, wofür du kämpfst. Weil du weißt, wofür du Leben willst. Und du hast gekämpft. Jede einzelne Minute. Hast dich wie ein Löwe ins Leben zurückgekämpft. Und nun willst du alles wegschmeißen? Jetzt willst du einfach hinschmeißen und aufgeben? Warum? Erkläre es mir. Ich verstehe es nicht" fragte ich ihn eindringlich und ignorierte meine Gänsehaut. Wusste nicht, ob es an ihm oder der Kälte lag.

„Ihr tut so viel für mich. Du tust so verdammt viel für mich. Hast mir das Leben gerettet. Mehrmals. Hast dich mehrmals für mich in Gefahr gebracht. Ihr alle seid nun in Gefahr. Wegen mir. Und ich? Ich halte euch nur auf. Ich schwäche die Gruppe ungemein. Ich bin eine Last für euch. Ballast, der euch zurückwirft. Ihr streitet und diskutiert ständig wegen mir. Das ist falsch. Ich will das nicht" erwiderte er leise und mein Herz zog sich bei seinen Worten zusammen. Ungewohnt schwer lag es in meiner Brust. Etwas, dass ich nicht kannte. Etwas, dass mir Angst machte. Etwas, womit ich nicht umzugehen wusste.

„Strubbelkopf... Fang du nicht auch noch an. Mag sein, dass wir was langsamer sind. Mag sein, das wir streiten und diskutieren. Mag sein, dass wir alle in Gefahr sind. Was solls? Im Lagerhaus waren wir auch in Gefahr. Und je schneller wir laufen, desto schneller wären wir erschöpft. Wären so also auch nicht wirklich schneller. Und es gibt schlimmeres als streiten. Wir beruhigen uns auch wieder. Ich habe dir versprochen, dass ich dich zu deinen Freunden bringe. Das ich dich beschütze. Das wir einen sicheren Ort finden werden. Und ich habe vor, meine Versprechen zu halten. Aber das schaffe ich nicht alleine. Dazu brauche ich deine Hilfe. Pauls Hilfe und Lucys Hilfe. Nur zusammen können wir es schaffen. Gib nicht auf. Bitte nicht. Deine Zeit ist noch nicht gekommen. Nicht heute. Nicht morgen. Nicht in absehbarer Zeit" flüsterte ich ihm eindringlich zu.

„Warum tust du das alles für mich?" flüsterte er und schaute mich fragend an. Das war die große Preisfrage.

„Wenn ich das nur wüsste... Ehrlich. Ich habe absolut keine Ahnung. Ich weiß nur, dass es sich richtig anfühlt..."

„Okay..." erwiderte er lediglich. Plötzlich fiel mir etwas ein.

„Außerdem gibt es noch einen Grund, warum du nicht aufgeben darfst" erklärte ich ihm.

„Der wäre?"

„Nun. Du schuldest mir noch einen Kasten Bier und auf den bestehe ich" grinste ich ihn schief an und schaffte es so tatsächlich, ihm ein kleines Grinsen zu entlocken. „Und nun raus aus den Klamotten. Wird Zeit dich wieder aufzutauen!" befahl ich ihm und zu meinem Erstaunen gehorchte er tatsächlich. Ich verband unsere beiden Schlafsäcke mit dem Reißverschluss miteinander, entkleidete mich bis auf die Unterwäsche und kuschelte mich anschließend hinein. Nachdem auch er drinnen lag, legte ich zusätzlich die Decken über uns und hielt meine Arme auf. Nach kurzem Zögern kuschelte er sich an meinen warmen Körper und ich zuckte zusammen. Er war eiskalt. Zitterte wie Espenlaub. Seine Zähne klapperten. Ich drückte ihn fest an mich, zog ihn dabei halb auf mich drauf und rieb ihm sachte über den Rücken. Versuchte so zusätzlich etwas Wärme zu erzeugen.

„Auch auf die Gefahr hin, dass dein Angebot von vorhin nicht mehr gilt...danke..." hauchte er leise.

„Es ist nur eine begrenzte Zeit gültig. Wenn die Zeit abgelaufen ist, wirst du es schon merken" grinste ich schief und lehnte meine Wange gegen seinen Haarschopf. „Halte nur durch, Strubbelkopf. Wir kommen hier raus. Wir alle zusammen" flüsterte ich gegen sein Haar. Für ein paar Minuten war es totenstill, so dass ich dachte, er wäre schon eingeschlafen. Plötzlich hob er seinen Kopf etwas an und seine braunen Augen suchten mich. Fanden mich. Sahen mich eine Weile nur an.

„Wir schaffen das" flüsterte er leise und sein Blick hatte sich verändert. Hoffnung lag nun in ihnen. Sein Kampfgeist schien zurückgekehrt zu sein. Ich nickte ihm zu und er betete seinen Kopf wieder auf meine Schulter. Bewegte diesen noch ein paar Mal hin und her. Als ob er nicht bequem lag. Als er mein Kinn an seinem Hinterkopf spürte, blieb er erst ruhig liegen, doch dann bewegte er seinen Kopf wieder. Was war los? Wollte er, dass ich wieder meine Wange an seinen Kopf lehnte? Warum sollte er das wollen? Ich testete es einfach aus und lehnte meine Wange gegen seinen Haarschopf. Augenblicklich blieb er ruhig liegen. Unmerklich schüttelte ich den Kopf. Verstand nicht, was er damit bezweckte. Doch weiter kam ich nicht mit meinen Gedanken, denn der so dringend benötigte Schlaf holte mich ein.

Die Lichter in der Dunkelheit (Maze Runner, Newt FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt