Kapitel 57

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„Hat jemand Vorschläge, wie wir reinkommen wollen? Wo wir es die letzten Monate auch nicht geschafft haben..." fragte Jonas in die Runde, nachdem wir uns alle um einen großen, runden Tisch versammelt hatten. Doch als Antwort erhielt er nur grübelnde, überforderte Gesichter. Wir würden es niemals unbemerkt hineinschaffen. Nicht mal in die Nähe des Gebäudes würden wir es schaffen.

„Ich habe einen Weg gefunden, wie ich ihre Elektronik durch ein Störsignal einschränken kann. Allerdings weiß ich nicht, wie lange es anhält und was es alles beeinflusst" erklärte Locke. Das war ein großes Risiko. Etliche Stunden diskutierten wir hin und her. Entwarfen Pläne und warfen sie wieder über Board. Erstellten neue Pläne und änderten diese wieder ab. Egal, wie sehr wir unsere Köpfe auch anstrengten, es kam kein Plan raus, der zufriedenstellend war. Es würde Opfer geben, dessen waren wir uns ziemlich sicher. Aber wir würden es trotzdem versuchen. Es war unsere einzige Chance. Unsere letzte Chance.

„Locke. Du kümmerst dich um die Elektronik. Versuchst diese so lange zu stören, wie es geht. Sondre, du bleibst bei Locke und hilfst ihm. Wenn ihr nichts mehr ausrichten könnt, verschwindet ihr sofort. Amy, du besorgst ein Fahrzeug, in dem alle Probanden platz finden und wartest am Lagerhaus auf uns. Jonas, Sharon, ihr kümmert euch draußen um die Wachen, anschließend geht ihr zu Amy. Milosch, Derek, ihr kommt mit Tamara und mir mit. Gebt uns Rückendeckung. Sollte es für irgendjemanden eng werden, zögert nicht, verschwindet sofort. Geht kein weiteres Risiko ein. Alles klar?" fragte Gally in die Runde, während wir uns alle ein von Locke selbstgebautes Funkgerät in die Ohren steckten, damit wir alle in Kontakt standen.

„Verstanden" erwiderten alle und ich musste schmunzeln. Gally hatte das Kommando übernommen und alle würden ihm ohne zu zögern folgen.

„Hier. Zieh das an" wandte sich Milosch an mich und reichte mir eine Wachuniform von ANGST. Schnell zog ich diese über und auch Gally, Milosch und Derek zogen ihre an. Diese Uniformen hatten wir schon vor Monaten besorgt. Zusammen mit dutzenden Waffen von ANGST.

Ich sah aus den Augenwinkeln, wie Gally zu Locke ging und leise mit ihm redete. Ich verstand nur einzelne Brocken, doch aus diesen konnte ich mir alles zusammenreimen. Er bat Locke darum, dass dieser Sondre gesund hier rausbringt und Locke gab ihm sein Wort darauf.

Wir rüsteten uns mit Waffen aus und betrachteten uns alle. Wir sahen wirklich aus, als wenn wir für ANGST arbeiten würden. Nichts unterschied uns von deren Wachen. Zumindest hofften wir so, dass wir reinkommen würden. Der Rest würde sich dann schon ergeben.

Locke und Sondre gingen in den Keller, wo sich Locke mit seinen ganzen Computern eingerichtet hatte, während Amy sich auf den Weg machte, um ein Fahrzeug aufzutreiben.

„Viel Glück" wünschte uns Sharon, dann ging sie mit ihrem Mann los und wartete auf Gally's Befehl, dass es los ging.

„Tamara, kann ich dich kurz sprechen?" vernahm ich Gally und nickend stellte ich mich zu ihm.

„Was gibt's?" erkundigte ich mich, während er meine Hand in seine nahm und diese festhielt.

„Ich will, dass du an meiner Seite bleibst. Ich will dich sehen können. Verstanden?" knurrte er mich leise an und ich zog eine Augenbraue hoch, auch wenn er dies aufgrund meiner Maske nicht sehen konnte. „Das ist keine bitte!" fuhr er fort.

„Gally..." wollte ich zum antworten ansetzen, doch er unterbrach mich.

„Engel. Ich würde es mir nie verzeihen, wenn dir etwas passiert. Wenn dir etwas zustößt. Ich will dich nicht verlieren. Ich kann dich nicht verlieren. Ich weiß, du kannst dich wehren. Ich weiß, du kannst auf dich aufpassen. Aber ich würde mich besser fühlen, wenn du an meiner Seite bist. An meiner Seite, wo ich dich beschützen kann..." erklärte er sich leise. Deutlich konnte ich seine Sorge heraushören. Seine Sorge um mich.

„Ich bleibe an deiner Seite Grünauge. Einer muss schließlich deinen heißen Knackarsch beschützen" grinste ich schief und leise lachte er auf. Gerade wollten wir wieder zu Derek und Milosch zurück, als wir draußen Lärm vernahmen. Es klang nach verdammt vielen Menschen und Autos. Schnell rannten wir zu den Fenstern und schauten hinaus.

Hunderte, ja tausende Menschen waren auf den Straßen unterwegs. Zogen ins Stadtinnere. Richtung der Hauptzentrale von ANGST. Ein Lkw fuhr vorbei und auf der Ladefläche stand Lawrence mit einem Megafon. Rief den Menschen um ihn herum zu, dass der große Tag gekommen war. Das sie heute ANGST stürzen würden. Das sie es heute beenden würden und die Menschen folgten ihm jubelnd. Bereit, ihr Leben für Lawrence zu geben. Zu allem bereit.

„Scheiße..." hörte ich Milosch neben mir entsetzt murmeln und sprach damit aus, was wir alle dachten. Es würde knapp werden. Verdammt knapp.

„Noch könnt ihr euch umentscheiden und fliehen" wandte Gally das Wort an uns und sah uns der Reihe nach an.

„Vergiss es. Jetzt oder nie" erwiderte Derek ohne zu zögern und wir stimmten ihm zu. Jetzt oder nie. Das war eine einmalige Chance, die wir uns nicht entgehen lassen konnten. Das war eine einmalige Chance, die wir uns nicht entgehen lassen dürfen.

„Lawrence hat uns einen gewissen Vorteil verschafft. ANGST ist abgelenkt und konzentriert sich für den Moment auf ihn. Das ist unser Moment" erklärte ich und nickend gab Gally über Funk den anderen Bescheid, dass es los ging.

Wir kletterten die Leiter hinab in das Abwassertunnelsystem unter der Stadt. Bis zum Bahnhof konnten wir uns hier unbemerkt fortbewegen. Zügig folgten wir den Tunneln, in denen uns kleine Lampen schummriges Licht schenkten. In aufwendiger Arbeit hatte Locke diese mit einigen Elektrikern angebracht. Das letzte kleine Stück mussten wir auf Gleisen rennen. Dort fuhren in kurzen, regelmäßigen Abständen Züge durch den Tunnel. Nirgends war genug Platz, damit man sich vor einem herannahenden Zug in Sicherheit bringen könnte, wenn man nicht schnell genug war. Nach einer kurzen Diskussion mit Gally, entschlossen wir uns, in zweier Gruppen diesen Abschnitt zu beschreiten. Er würde mit Milosch rennen und ich mit Derek. Ich wusste, dass passte Gally nicht, aber die beiden kannten diese Strecke nicht und das Risiko, dass sie die falsche Leiter erwischten, konnten wir nicht eingehen.

Wir warten einen Zug ab, dann rannten Gally und Milosch los, so schnell sie konnten. Ungeduldig wartete ich ab, bis sie sich über Funk meldeten. Nervös trat Derek von einem Fuß auf den anderen.

„Hey Herzensbrecher. Ganz ruhig. Folge mir einfach und ehe du dich versiehst, sind wir bei den anderen" versuchte ich ihn aufzumuntern. Er nickte mir zu, als ich von Gally über Funk hörte, dass sie angekommen sind. Ich nahm Derek seine Hand und wartete den Zug ab, der schon zu hören war. Als dieser an uns vorbeigefahren war, rannten wir los. So schnell uns unsere Beine trugen. Er war verdammt sportlich und durch seine Größe sehr schnell. Knapp einen Kilometer sprinteten wir durch den Tunnel, dann war die Leiter in Sicht, die uns nach oben ins Bahnhofsgebäude bringen würde.

„Da vorne hoch" rief ich ihm zu und zeigte auf die entsprechende Leiter. Nickend rannte er drauf zu und fing zu klettern an, als ich den nächsten Zug aus der Ferne hörte. Ich griff nach der Leiter und folgte ihm flink. Oben angekommen ruhte Gally sein Blick auf mir. Ich nickte ihm zu, anschließend warteten wir kurz ab, bis alle wieder zu Luft gekommen waren. Ich musste aufpassen, dass Gally es nicht übertrieb mit seiner Sorge um mich, sonst verliert er nachher das wirklich wichtige aus den Augen oder wurde unvorsichtig. 

Die Lichter in der Dunkelheit (Maze Runner, Newt FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt