Kapitel 64

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*Perspektivenwechsel*

Stimmen. Verschiedene Stimmen. Laute Stimmen. Leise Stimmen. Aufgebrachte Stimmen. Beschwichtigende Stimmen. Verzweifelte Stimmen. Bittende Stimmen. Weinende Stimmen. Wütende Stimmen. Tröstende Stimmen. Durcheinander hallten die Stimmen in meinem Kopf. Konnte nicht verstehen, was sie sagten. Wie durch Watte vernahm ich sie. Watte. Mein ganzer Kopf fühlte sich an, als wenn er mit Watte ausgestopft wäre. Dunkel. Es war so unglaublich dunkel hier. Schwarz. Schwarz wie die Nacht.

Manchmal, völlig unvorbereitet, erschien ein heller Lichtstrahl. Heller, als alles, was ich kannte. Hell und klar. Nur kurz war er zu erkennen, bevor die Dunkelheit ihn wieder verschluckte. Verschluckte und mit sich in die Tiefe riss.

Ich war hungrig. So unglaublich hungrig. Ich war schon oft hungrig. Doch dieser Hunger war anders. Unbändig. Unzähmbar. Unstillbar. Hungrig nach Fleisch. Hungrig nach lebendem Fleisch. Hungrig nach Blut. Hungrig nach mehr. Und er wurde immer größer. Immer stärker. Ich war machtlos. Konnte nicht gegen ihn ankämpfen.

„Gehe nicht dahin, wohin ich dir nicht folgen kann, Strubbelkopf..." leise hallten die Wörter in meinem Kopf nach. Und mit der wunderschönen Stimme kam der helle Lichtschein zurück. So hell, dass es mich blendete. So kraftvoll, dass er die Dunkelheit für einen kurzen Moment vertrieb. Die verzweifelte Stimme... irgendwie kam sie mir bekannt vor, doch ich konnte sie nicht zuordnen. Sie wirkten vertraut. Sie klangen traurig. Ihre Stimme... Sie hatte etwas Liebevolles in sich. Und sie brachte mir das Licht zurück. Mein Licht. Doch im selben Augenblick war es wieder verschwunden. Es wurde wieder dunkel und riss mich mit. Hinab in die Tiefen. Nein, gehe noch nicht! Bleib bei mir!

Ich konnte sie atmen hören. Ich konnte sie reden hören. Sie waren hier. Hier in meiner Nähe. Ich konnte sie riechen. Ich konnte sie regelrecht schmecken. Spürte den leckeren Geschmack von Fleisch auf meiner Zunge und es weckte meine Gier. Gier nach Fleisch. Noch mehr Fleisch. Immer mehr Fleisch. Unersättlich.

„Ich habe dir versprochen, dass ich dich zu deinen Freunden bringe. Dass ich dich beschütze. Dass wir einen sicheren Ort finden werden. Und ich habe vor, meine Versprechen zu halten. Aber das schaffe ich nicht alleine. Dazu brauche ich deine Hilfe. Pauls Hilfe und Lucys Hilfe. Nur zusammen können wir es schaffen. Gib nicht auf. Bitte nicht. Deine Zeit ist noch nicht gekommen. Nicht heute. Nicht morgen. Nicht in absehbarer Zeit" holte mich die engelsgleiche Stimme aus der Dunkelheit zurück. Brachte mir mein so geliebtes helles Licht wieder. Holte mich ins hier und jetzt zurück. Ich erinnere mich an den Moment, wo sie dies zu mir gesagt hatte. Es war in der Brandwüste gewesen. In der Nacht, als ich Idiot daran gedacht hatte, ob es nicht besser wäre, zu sterben. Sie hatte mich davor bewahrt. Sie hatte mich davor gerettet. Wieder einmal gerettet. Sie hielt mich am Leben. Der Lichtstrahl schien zu kämpfen. Schien die Dunkelheit besiegen zu wollen. Doch war er so stark? So stark, dass er es tatsächlich schaffen konnte? Würde er die Dunkelheit besiegen können? Ich glaubte nicht daran und schon wurde es wieder finster um mich herum. Alles Leben schien ausgehaucht. Nur das Verlangen, meinen Hunger zu stillen, war noch da. Stärker, als jemals zuvor. Stärker, als alles, was ich bisher erlebt hatte. Das Licht wäre niemals stark genug. Alleine war es viel zu schwach. Die Dunkelheit würde siegen. Ich konnte es fühlen. Ich konnte es spüren. Sie nahm mich immer mehr ein. Ließ mich immer weiter hinab driften. Hinab in eine Welt, in die ich nicht hineingehörte. In der ich nicht hineingehören wollte. Sie würde mich brechen. Sie würde mich zerstören. Sie war schon dabei. Ich verlor mich selber an die Dunkelheit. Ich verlor mich selber an die Gier. Ich verlor mich selber an den Hunger.

„Quatsch keinen Scheiß. Wir werden alle zusammen hier rauskommen. Sie werden dich nicht bekommen. Nicht, solange ich lebe" heller als jemals zuvor kehrte der Lichtschein zurück. Zurück in die dunkle Welt, in der ich gefangen war. Aus der es kein entkommen gab. Gedanklich sah ich den Tunnel vor mir. Den Tunnel, aus dem Lucy, Paul, Tammy und ich geflohen sind. Als ich völlig erschöpft und am Ende meiner Kräfte zusammengebrochen bin. Doch Tammy ließ mich nicht zurück. Knallte mir die Wörter an den Kopf und zog mich hoch. Keine Ahnung, woher sie die Kraft dafür aufbrachte, doch sie schaffte es. Sie hatte mich daraus geholt. Mein Licht hat mich immer und immer wieder gerettet. Mein persönliches Licht. Während meine Gedanken immer schneller an mir vorbeirasten, wurde der Lichtschein immer heller. Heller und stärker. Schien kräftig und warm auf mich herab. Verscheuchte die Dunkelheit und ließ mich ein wenig Hoffnung spüren. Vielleicht konnte es das Licht doch schaffen? Tammy hatte immer gesagt, zusammen schaffen wir das. Zusammen.

Plötzlich kam mir ein Geistesblitz. Vielleicht war das Licht ein Zeichen? Ein Zeichen von Tammy, dass es nun an mir war, zu kämpfen. Das es nun an mir lag, wer gewann. Vielleicht konnte ich die Dunkelheit besiegen? Zusammen mit dem Licht die beunruhigende Finsternis vertreiben?

Meine Gedanken fuhren Achterbahn. Immer schneller und schneller drehten sie sich im Kreis, dass mir schwindlig davon wurde. Ich dachte an Tammy. An all die Momente, die ich mit ihr hatte. Wie sie mich getröstet hat. Wie sie mich verarztet hat. Wie sie sich um mich gesorgt hat. Wie sie mir Hoffnung schenkte. Wie sie mir Kraft gab. Wie sie mir Mut machte. Wie sie mich wärmte. Wie sie mich auffing. Wie sie mit mir gekuschelt hat. Wie sie mich aufheiterte. Wie wir uns geküsst haben. Mit jedem weiteren Gedanken schien der Lichtschein stärker zu werden. Kraftvoll und energisch vertrieb er die Dunkelheit Stück für Stück und gewann langsam die Oberhand.

„Gehe nicht dahin, wohin ich dir nicht folgen kann, Strubbelkopf..." verzweifelt erklang ihre Stimme immer und immer wieder in meinem Kopf. Sie hatte mich nicht vergessen. Das spürte ich genau und ich wollte nicht gehen. Ich wollte sie nicht verlieren. Ich wollte sie nicht verlassen. Niemals. Sie gehörte doch zu mir. Mein Herz gehörte ihr. Ihr ganz alleine.

Und ich kämpfte. Kämpfte zusammen mit dem wunderschönen Licht gegen die drohende Dunkelheit an. 

Die Lichter in der Dunkelheit (Maze Runner, Newt FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt