Kapitel 13

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Durch leises stöhnen und wimmern wurde ich gefühlt nur wenige Stunden später wieder. Ich setzte mich auf und rieb mir verschlafen durchs Gesicht.

„Tommy..." stöhnte es leise aus Richtung Liege. Mühsam rappelte ich mich vom Fußboden auf und ging zu ihm. Seine Augen waren geschlossen. Unruhig wälzte er sich hin und her. Schweißtropfen liefen an seinem Gesicht herab. Seine Haare klebten ihm im Gesicht. Seine Atmung war schnell und unregelmäßig. Immer wieder keuchte er leise einen Namen. Immer wieder den selben Namen. Tommy.

Vorsichtig rüttelte ich ihn, doch er reagierte nicht.

„Hey Strubbelkopf, es ist nur ein Traum" sanft strich ich ihm seine Haare aus dem Gesicht. Er streckte seinen Arm in die Luft, als wenn er nach etwas, oder jemanden, greifen möchte. Instinktiv griff ich nach seiner Hand und drückte diese leicht. Redete beruhigend auf ihn ein. Er wurde nicht wach, doch mit der Zeit wurde er ruhiger und seine Atmung normalisierte sich wieder. Ich wollte ihm meine Hand entziehen, doch er hielt diese fest umklammert. Je mehr ich sie versuchte zu lösen, umso fester hielt er sie umschlossen.

„Dein scheiß ernst?" motzte ich ihn genervt an, obwohl er tief und fest schlief. Ich ließ mich neben ihn auf den Stuhl fallen und legte meinen Kopf gähnend auf die Liege neben unseren verschränkten Händen. Fieberhaft überlegte ich, wie ich meine Hand wiederbekomme. Ich könnte Gewalt anwenden. Er würde wach werden, aber ich hätte meine Hand wieder. Ich könnte ihn anschreien...

Das nächste, was ich mitbekam, war wie jemand leise kicherte. Meine Augenlider waren schwer wie Blei und ich wollte sie nicht öffnen. Viel zu müde war ich noch. Mein Rücken schmerzte und in meinem Kopf pochte es.

„Sie halten Händchen Paul. Sie haben sich bestimmt ganz lieb" vernahm ich nun Lucys Stimme und wieder kicherte sie.

„Ganz gewiss nicht..." brummte Paul und er schien sauer zu sein.

„Wer hat sich lieb?" murmelte ich verschlafen, ließ meine Augen jedoch weiterhin geschlossen.

„Na du und Strubbelkopf. Ihr haltet Händchen. Wie Maria und Lukas. Knutscht ihr auch immer so rum?" kicherte sie weiter. Mein Gehirn brauchte einen Augenblick um diese Informationen zu verarbeiten. Ich riss meinen Kopf hoch und starrte den Strubbelkopf an. Verschlafen, als wäre er auch erst gerade aufgewacht, erwiderte er meinen Blick. Ich ließ die Augen zu unseren Händen wandern, diese lagen immer noch ineinander verschränkt auf der Liege. Ich entriss ihm meine Hand und starrte zu Lucy.

„Quatsch nicht so eine scheiße" murrte ich sie an und wandte mich an Paul, „Was wollt ihr?".

„Ich wollte mich bei dir bedanken. Das du sie gefunden hast. Das du sie gerettet hast. Was du getan hast. Sie hat es mir erzählt" erklärte er leise.

„Passt schon. Noch was?" fragte ich genervt nach. Er schüttelte den Kopf und wandte sich zum Gehen ab, als Lucy das Wort ergriff.

„Darf ich dir wieder helfen, wenn du sein aua gesund machst?"

„Nein und nun raus hier. Alle beide" ich schob sie unsanft zur Tür raus und knallte diese hinter ihnen zu.

„Die kleine kann nichts für deine Laune..."

„Du solltest deine Schnauze halten, wenn du keine Ahnung hast" fauchte ich den Strubbelkopf an und verließ das Zimmer. Knallte wieder die Tür zu und ging in mein Zimmer. Holte mir frische Klamotten und verschwand unter die Dusche. Ließ das angenehme kühle Wasser über meine Haut laufen und atmete mehrmals tief durch. Das pochen ließ langsam nach. Als ich etwas später angezogen war, kämmte ich meine langen Haare und ließ sie offen, damit sie besser trocknen können.

„Mach den Teller voll, ich habe Hunger" erklärte ich kurz danach Sam, dem Essenverteiler.

„Das geht nicht. Du kennst die Vorschriften" erwiderte er.

„Sam, ich habe seit gestern Mittag nichts mehr gegessen wegen Lucy. Ich habe Kopfschmerzen und schlechte Laune. Sieh zu" fauchte ich ihn an.

„Na schön... Aber das bleibt unter uns" forderte er mich leise auf und nickend sah ich zu, wie er den Teller mit Kartoffeln, Bohnen und Soße vollmachte. Ich schnappte mir den Teller und ging hoch ins Krankenzimmer. Stellte den Teller geräuschvoll auf den Schreibtisch ab.

„Erst Essen oder erst Wunden versorgen?" knurrte ich den Strubbelkopf an, ohne ihn anzuschauen.

„Wunden... Schmerzen" erwiderte er leise, fast so, als hätte er Angst vor mir. Gut so. So sollte es auch sein. Er ist unser Gefangener. Mehr nicht. Steht mit einem Bein im Grab. Wobei hier niemand ein Grab für ihn schaufeln würde.

Ich suchte alles zusammen, was ich brauchte und stellte mich neben ihn. Misstrauisch beobachtete er mich dabei, wie ich den leeren Infusionsbeutel abnahm und einen vollen anschloss. Wie ich etwas auf eine Spritze aufzog und diese in den Beutel spritzte. Für eine Millisekunde wanderte mein Blick zu seinen Augen. Die pure Panik und Angst lag in ihnen, als sein Blick auf die Spritze fiel. Er hatte nicht vor mir Angst. Nicht solche Angst, wie vor der Infusion und der Spritze.

„Schmerzmittel" erklärte ich knapp und deutete auf die Spritze. Diese entsorgte ich und zog seine Decken bis zur Hüfte herunter. Er sah noch abgemagerter aus, als an dem Tag, wo wir ihn gefunden haben. Deutlich stachen seine Rippen hervor. Doch auch ein angedeutetes Sixpack war zu erkennen. Sein Körper war übersäht mit getrocknetem Blut der letzten Tage. Seufzend holte ich eine Schüssel und gab warmes Wasser hinein. Nahm mir Seife und einen Waschlappen. Stellte die Schüssel auf einen kleinen Wagen neben ihn und nahm seinen Arm.

„Ich versuche vorsichtig zu sein..." erklärte ich kurz und fing vorsichtig an, seinen Arm zu säubern. Nach und nach wusch ich seinen ganzen Körper. Nur seine Boxershorts durfte er anbehalten. Wir wollen es ja schließlich nicht übertreiben. An manchen Stellen musste ich ein wenig mehr schrubben, bis sich das Blut endlich löste. Immer wieder verzog er schmerzverzerrt das Gesicht. Mehrmals musste ich das Wasser wechseln, weil er nicht nur voller Blut, sondern auch voller Dreck war.

„Hebe mal deinen Kopf an" erklärte ich ihm, nachdem ich mit seinem Körper fertig war. Er tat es und ich stellte die Schüssel unter seinem Kopf. Er fing vor Anstrengung zu zittern an. Ich stützte seinen Kopf zusätzlich mit meiner Hand und mit einem kleinen Becher übergoss ich seine Haare mit dem Wasser, bis alle nass waren. Dann schäumte ich seine Wuschelhaare mit Shampoo ein und spülte sie aus. Sie waren noch nicht ganz sauber, daher wiederholte ich das ganze noch einmal. Anschließend stellte ich die Schüssel wieder auf den Wagen und nahm ein Handtuch. Rubbelte seine Haare etwas trocken. Er war schon etwas rot im Gesicht. Den Kopf so zu halten, verlangte vermutlich alles von ihm ab. Vorsichtig legte ich seinen Kopf auf das Kissen ab. Anschließend deckte ich ihn wieder zu.

„Danke..." hauchte er leise.

„Ich habe das nicht für dich getan. Ich brauche meine Krankenstation nicht auf Hochglanz polieren und desinfizieren, wenn hier so ein Dreckschwein wie du liegt" erklärte ich genervt und fing an, seine Wunden zu säubern.

„Okay..." erwiderte er nur und ich konnte aus den Augenwinkeln erkennen, wie er mich beobachtete. 

Die Lichter in der Dunkelheit (Maze Runner, Newt FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt