Kapitel 68

838 48 96
                                    

Sanft streichelte ich Newt durch seine blonde Mähne, während ich durch das kleine Fenster den Sonnenaufgang beobachtete. Er läutete den 5. Tag im sicheren Hafen ein. Die Sonnenaufgänge und die Sonnenuntergänge waren hier wunderschön. Ich wünschte, dass Newt sie sehen könnte. Das er spüren konnte, wie die helle Scheibe am Himmel immer wärmer wurde, je höher sie am endlosen Himmel empor stieg. Das er sehen konnte, wie sie die Erde in ein helles, wunderschönes Licht tauchte. Es würde ihm bestimmt gefallen.

Mein Blick wanderte in das schmale Gesicht des vor mir liegenden. Er hatte in den letzten Monaten abgenommen. Deutlich konnte ich das in seinem Gesicht erkennen. Und noch etwas fiel mir auf. Seine schwarzen Venen und Adern. Irgendwas war anders. Sie schienen blasser zu werden. Oder täuschte das in dem wenig beleuchtetem Zimmer? Aber vielleicht irrte ich mich ja nicht. Vielleicht wirkte das Serum ja doch noch. Vielleicht brachte es mir meinen Strubbelkopf zurück.

Erschrocken zuckte ich heftig zusammen, als die Tür aufgerissen wurde.

„Wir bekommen Besuch. Ein Berk nähert sich uns" erklärte Bratpfanne aufgebracht und warf mir ein Gewehr und meine Pistole zu. Geschickt fing ich beides auf, während sämtliche Alarmglocken in mir zu schrillen anfingen. Ein Berk? Vince konnte das nicht sein. Er sprach von Wochen und vielleicht und nicht von Tagen. Ein letzter Blick zu Newt, dann rannte ich hinter Bratpfanne raus. Minho hatte sich hinter einem Auto in Stellung gebracht, während Gally in der Baracke hinter einem Fenster stand. Bratpfanne ging hinter einem Felsen in Deckung, während ich mich hinter mehreren Tonnen versteckte. Leise konnte ich das schwere Brummen des Berks hören und in mir kochte Wut auf. War es doch noch nicht vorbei? Hatten Janson und Paige überlebt? Würde nun alles von vorne losgehen? Würden sie sich nun rächen? Egal, wer dort gleich ausstieg, ich würde Newt und die anderen mit meinem Leben beschützen, wenn es sein musste. Das schwor ich mir.

Das Brummen wurde lauter und der Berk flog einmal über uns im Kreis herum. Schnell zogen wir unsere Köpfe ein, damit sie uns nicht entdeckten und warteten ab. Vielleicht würde er ja einfach weiterfliegen. Doch den Gefallen taten sie uns nicht, denn schon setzten sie zur Landung an. Mein Blick fiel auf Gally, er wirkte bis zum äußersten angespannt und bedeutete mir, abzuwarten. Nickend konzentrierte ich mich wieder auf die vor uns liegende Gefahr, als sich die Klappe langsam öffnete. Auch ich war angespannt. Mein Finger am Abzug der Waffe. Bereit zum Schießen, wenn es sein musste. Ich würde keine Sekunde zögern.

Doch als die Klappe geöffnet war, verschlug es mir kurzzeitig die Sprache. Damit hätte ich nun wirklich nicht gerechnet. Nicht mit ihm.

„Thomas du Strunk. Was machst du hier?" rief ihm Minho entgegen, während wir aus unseren Verstecken hervorkamen und zum Berk gingen.

„Als ob ich euch Strünken lange Erholung vor mir gönnen würde" lachte Thomas ihn an und umarmte Minho, Bratpfanne und mich zur Begrüßung, während er Gally nur kurz zunickte. Sie schienen sich nicht besonders zu mögen. Ich musste unbedingt mit Gally reden, woher sie sich kannten.

„Und vorbei ist es mit der Ruhe" grinste Bratpfanne. Auch Vince und Jorge stiegen aus dem Berk und begrüßten uns.

„Wo ist Newt? Ich muss zu ihm. Er lebt doch noch...?" flüsterte Thomas nun immer leiser werdend. Natürlich war er wegen seinem Freund hier. Wie es Minho und Bratpfanne vorhergesagt hatten.

„Ja, er lebt. Seine Vitalfunktionen stabilisieren sich langsam, aber sicher. Ich weiß nur nicht mit Sicherheit, ob man das als gutes Zeichen deuten konnte..." erwiderte ich leise und führte ihn zu Newt. Er setzte sich zu ihm auf das Bett und nahm seine Hand. Betrachtete ihn für einen Augenblick schweigend. Gerade wollte ich sie beide alleine lassen, als er nun mich anschaute.

„Das Heilmittel war die ganze Zeit so nah. So nah... Keiner hat es geahnt. Keiner hat es gewusst. Millionen Untersuchungen und Experimente, doch das hat keiner gesehen... Keiner hat es kommen sehen... Ich hätte sie retten können. Ich hätte ihm das ersparen können... Doch ich konnte nicht. Wusste es einfach nicht..." erklärte er leise und in seinen Augen schimmerte es verdächtig.

„Ich verstehe nicht... Was meinst du?" erwiderte ich und sah ihn fragend an. Es gab doch kein Heilmittel. Würde es nie geben. Er sprach in Rätseln.

„Das Heilmittel... Ich trage es in mir..." erklärte er leise und zog aus seiner Hosentasche eine kleine Phiole mit einer hellblauen Lösung darin heraus. Es sah wie das Serum aus.

„Hatte Teresa Recht? Mit deinem Blut kann man das Heilmittel herstellen...?" fragte Bratpfanne ungläubig nach. Nickend betrachtete Thomas die Phiole in seiner Hand.

„Du willst damit sagen, dass du das Heilmittel in deiner Hand hältst?" fragte nun Minho genauso ungläubig und starrte die Phiole an. Wieder nickte Thomas nur. „Dann gib es ihm verdammt noch mal!".

„Es ist die einzige Phiole, die wir haben. Teresa hat sie Thomas auf dem Dach der Zentrale in die Hand gedrückt, bevor... Ihr wisst schon. Doch niemand konnte es austesten. Niemand kennt die Auswirkungen davon. Niemand kennt die Nebenwirkungen. Vielleicht ist es kein Heilmittel, sondern nur leere Hoffnung. Was ist, wenn es nach hinten los geht? Wenn es alles nur verschlimmert?" wandte Vince seine Bedenken ein. Ich brauchte eine Weile, um alles gesagte zu realisieren. Heilmittel. Thomas hatte vielleicht das Heilmittel. Vielleicht würde Newt wieder gesund werden. Ich fing zu zittern an, das war gerade zu viel. Niemals hätte ich mit so etwas gerechnet.

„Das werden wir nur erfahren, wenn wir es ausprobieren" meldete sich nun Bratpfanne zu Wort und Minho nickte zustimmend. Was, wenn Vince recht hatte? Wenn es seinen Zustand nicht verbessern, sondern verschlimmern würde?

Aber vielleicht war es auch seine letzte Chance. Seine letzte Chance auf Heilung. Seine letzte Chance auf ein Leben. Seine letzte Chance auf ein gesundes Leben. Ein Leben in Sicherheit. Zusammen mit seinen Freunden. Zusammen mit mir. Dürften wir ihm die Chance verwehren, aus Angst, ihn endgültig zu verlieren? Doch wenn es nach hinten los ging, hätten wir ihn auf den Gewissen... Wir hätten ihn getötet... Hätten alles nur noch schlimmer gemacht... Für ihn... Und für uns...

Erschrocken zuckte ich zusammen, als mir jemand sanft meine Tränen aus dem Gesicht strich. Tränen, die ich nicht bemerkt hatte. Langsam hob ich mein Kopf und blickte in warme, grüne Augen, die mich besorgt musterten. Noch immer zitternd kuschelte ich mich in seine Arme, was mir einen überraschten und erstaunten Blick von Thomas einbrachte.

„Was meinst du dazu?" fragte mich dieser und ich ließ meinen Blick zu Newt wandern. Betrachtete ihn einen Augenblick, dann sah ich entschlossen Thomas an.

„Er ist der stärkste Kämpfer, den ich kenne. Er hat einen unglaublich großen Überlebenswillen, den ich so vorher noch nie gesehen habe. Und immer wieder hat er mich damit überrascht. Auch in den letzten Tagen. Seine Wunde heilt sehr gut. Seine Atmung wird stärker und ich bilde mir ein, dass seine schwarzen Venen allmählich verblassen. Vielleicht hat er dies dem Serum zu verdanken. Vielleicht bilde ich es mir auch nur ein. Jedenfalls. Wenn es jemand verdient hat zu leben, dann er. Gib es ihm. Er wird kämpfen. Er wird weiter dagegen ankämpfen. Und wenn es jemand schafft, den beschissenen Brand zu besiegen, dann er. Dessen bin ich mir sicher" erklärte ich bestimmend. Kurz ließ er meine Worte sacken, dann nickte er mir zu und steckte die Phiole in die dafür vorgesehene Spritze. Anschließend spritze er ihm die hellblaue Flüssigkeit in seinen Oberarm. Angespannt hielt ich die Luft an, während Gally mich fester an sich drückte.

Die Lichter in der Dunkelheit (Maze Runner, Newt FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt