Kapitel 66

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„Nun reicht es mir" vernahm ich Gally seine aufgebrachte Stimme 2 Tage später und hörte, wie er das Zimmer verließ. Kurz darauf kam er mit Minho und Bratpfanne zurück. „Die beiden bleiben bei Newt und du kommst mit mir mit!" befahl Gally mir, doch ich schüttelte nur den Kopf. „Widerspruch zwecklos Engel" knurrte er mich leise an und ehe ich mich versah, hatte er mich über seine Schulter geschmissen.

„Gally! Lass mich runter!" fauchte ich ihn an, doch er dachte gar nicht daran. Verzweifelt trommelte ich auf seinen Rücken herum, doch er verließ einfach das Zimmer. Seufzend ließ ich meine Arme sinken und wartete auf dem Moment, wo er mich absetzen würde. Er lief mit mir irgendwelche Treppen hoch und mir wurde bewusst, dass ich gar nicht wusste, wo wir sind. Er drückte eine schwere Tür auf und lief mit mir hinaus. Setzte mich ab und sah mich verzweifelt und traurig aus seinen grünen Augen an. Augenblicklich war meine Wut verpufft, trotzdem verschränkte ich trotzig meine Arme vor der Brust und versuchte ihn wütend anzufunkeln.

„Engel... Hör mir zu, bevor du ausflippst. Du sitzt seit über 2 Tagen bei ihm. Bist nicht einmal von seiner Seite gewichen. Er weiß, dass du bei ihm bist. Er weiß, dass du da bist. Er spürt es. Doch du darfst dich dabei nicht verlieren. Du hast seitdem nichts mehr gegessen. Du hast seitdem nicht mehr geschlafen. Du warst nicht einmal an der frischen Luft. Du hast dich nicht einmal umgeschaut. Wir sind am Meer Engel. Schau dich nur um. Das Meer, welches du so liebst. Welches du unbedingt noch einmal sehen wolltest. Wir sind hier. Zusammen, doch du bemerkst es nicht. Schließt mich und alle anderen komplett aus. Tue mir das nicht an... Bitte nicht... Ich brauche dich doch auch. Wir brauchen dich. Newt braucht dich. Doch so machst du dich kaputt" erklärte er und wurde mit jedem Wort leiser. Sah es in seinen Augen schimmern. Sah, wie er verzweifelt die Tränen versuchte zu unterdrücken. Sah seine Angst, mich zu verlieren und das ließ auch meine Tränen laufen.

„Es tut mir leid..." hauchte ich schluckend tonlos und ließ den Kopf hängen. Augenblicklich zog er mich in seine Arme und legte diese beschützend und tröstend um mich. Weinend verbarg ich mein Gesicht in seinem Hals und krallte mich an seinem Shirt fest. Ließ meine ganze Verzweiflung und Angst heraus. So vieles hatte sich in den letzten Tagen angestaut und erst jetzt merkte ich, wie sehr Gally mir gefehlt hatte. Wie muss es da erst ihm ergangen sein?

Es dauerte lange, bis ich mich beruhigt hatte und noch länger, bis wir uns einander lösten.

„Komm" flüsterte er mir zu und nahm meine Hand. Führte mich ein paar Meter und erst jetzt sah ich mich um. Wir waren auf einem Dach. Direkt vor uns lag das Meer. Friedlich sah es aus, doch das täuschte. Kraftvoll und tosend konnte es werden. Ein Wassertropfen war dafür zu schwach, doch Milliarden Wassertropfen hatten unendlich viel Kraft und konnten schlimmes anrichten. Er ließ sich auf eine Decke nieder und ich setzte mich zwischen seine Beine. Lehnte mich an seine starke Brust und sah hinauf in den Himmel. Die Sonne würde bald untergehen und wir würden hautnah einen Sonnenuntergang am Meer erleben. Viele, viele Jahre war es her, dass ich einen sah.

„Es ist wunderschön..." hauchte ich leise und verschränkte meine Finger mit seinen, die er um mich gelegt hatte.

„Nicht so wunderschön wie du" hörte ich ihn verschmitzt grinsen und entlockte so auch mir ein grinsen.

„Spinner" neckte ich ihn, was ihn leise lachen ließ.

„Schön brav den Mund aufmachen" befahl er und fing an, mich zu füttern. Erst jetzt spürte ich, wie viel Hunger ich doch hatte. Ich schlang dankbar alles herunter, was er mir reichte und hatte bald das Gefühl, das ich platzen würde. Schmunzelnd kraulte er sanft meinen Bauch, während wir der Sonne zusahen, wie sie langsam hinter dem Meer verschwand und die Welt in Dunkelheit einhüllte.

„Wie geht es eigentlich Thomas?" erkundigte ich mich und ließ meine Fingerspitzen über seinen Arm streicheln.

„Von Tag zu Tag besser. Seine Wunde scheint gut zu verheilen, aber er ist immer noch bewusstlos" erwiderte er leise.

„Ich schaue später noch mal nach ihm. Hab ihn völlig vergessen" erklärte ich schuldbewusst.

„Das ist doch völlig okay. Sind ja auch noch andere hier, die nach ihm schauen können" erwiderte er und nickend wurden meine Augenlider immer schwerer. So schwer, dass sie nur kurz danach zu blieben.

„Gally? Tamara? Ihr müsst aufwachen" vernahm ich leise Sondre seine Stimme und öffnete blinzelnd meine Augen. Hielt mir meine Hand schützend vor diese, denn die Sonne blendete mich.

„Was los...?" murmelte Gally verschlafen, doch seine Augen blieben zu.

„Jonas, Sharon und Amy sind da" erklärte er uns aufgeregt und plötzlich waren wir hellwach. Sie hatten es geschafft! Schnell rappelten wir uns auf und während Gally meine Hand nahm, liefen wir flink die Treppe herunter ins Freie. Dort standen die 3, müde und erschöpft sahen sie aus, aber sie hatten es geschafft und nur darauf kam es an. Wir umarmten uns alle und ließen uns erzählen, was sie unterwegs erlebt haben.

„Wir sind rund um die Uhr gefahren. Immer abwechselnd. Wir trauten uns nicht, eine Unterkunft für die Nacht zu suchen. Überall sind Cranks. So unglaublich viele Cranks. Außerdem hatten wir Angst, dass wir es nicht rechtzeitig schaffen würden" erklärte Sharon.

„Ihr habt es geschafft. Brenda wird euch kurz untersuchen und wenn ihr gesund seid, werden wir in wenigen Stunden aufbrechen. So lange könnt ihr euch stärken und ausruhen" erklärte Vince und winkte Gally und mich zu sich. Gally sein Händedruck verstärkte sich und wir stellten uns zu ihm. „Wir können leider nicht länger warten. Wir müssen aufbrechen. Wir dürfen kein weiteres Risiko eingehen. Ihr habt hier Nahrung und Waffen für einige Wochen. Vielleicht kann ich in ein paar Wochen nach dem rechten schauen kommen, doch das kann ich nicht versprechen" erklärte er uns leise und man sah ihm an, dass es ihm schwerfällt.

„Das ist schon okay. Wir kommen klar. Wie immer. Sieh zu, dass du die anderen in Sicherheit bringst" erwiderte ich und ließ mir von Gally zeigen, wo ich Thomas finden konnte. Er lag ein Raum neben unseren. Ich setzte mich zu ihm und schaute mir seine Naht an. Sie schien sich nicht entzündet zu haben. Das war gut. Seine Atmung war stabil und Fieber hatte er auch keines. 

Die Lichter in der Dunkelheit (Maze Runner, Newt FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt