Kapitel 40

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Lange saßen wir noch am wärmendem Lagerfeuer. Lauschten den Liedern, von denen mir viele fremd waren. Andere unterhielten sich oder hingen ihren eigenen Gedanken nach. Die kleineren Kinder wurden zwischendurch ins Bett gebracht, nachdem eines nach dem anderen eingeschlafen ist. Wenn ich nicht gerade den Liedern lauschte, unterhielt ich mich mit Mary.

Nur Newt hatte während der letzten Stunden geschwiegen. Er hatte seine Beine angezogen und seine Arme drumherum gelegt. Starrte unentwegt ins Feuer und rührte sich nicht.

„Ist alles okay?" fragte ich ihn leise, nachdem ich mich zu ihm heruntergebeugt hatte. Kurz zuckte er erschrocken zusammen, dann nickte er lediglich. Mir fiel auf, dass er leicht zitterte, obwohl das Feuer Wärme spendete. Auch Mary schien dies aufzufallen, denn sie hielt mir eine Wolldecke hin. Dankend nahm ich diese und wickelte sie um den Strubbelkopf. Er rutschte ein Stück nach hinten, so dass er nun zwischen meinen Beinen saß und lehnte sich an. Ich legte meine Hand auf seine Schulter und widmete meine Aufmerksamkeit erneut dem Sänger. Seine Augen waren die meiste Zeit geschlossen. Er sang mit viel Gefühl. Deutlich konnte man den Schmerz und die Sehnsucht in einigen Liedern heraushören. Doch in anderen Liedern schwang Hoffnung und Glauben mit.

Hoffnung und Glauben, dass dieser Wahnsinn eines Tages endet. Das irgendwann ein normales Leben möglich ist. Ein sicheres Leben, in dem man nicht ständig um sein Überleben kämpfen muss. In der man keine Angst haben muss, sich mit dem Brand anzustecken. In der man seine Familie und Freunde nicht vor Cranks beschützen muss. Irgendwo tief in mir habe auch ich diesen Traum vergraben, doch ich weiß auch, dass nicht alle Träume in Erfüllung gehen können.

Als mein Blick abermals auf den Strubbelkopf fiel, lag sein Kopf auf meinem Oberschenkel. Seine Augen waren geschlossen. Es war spät geworden, Zeit fürs Bett.

„Strubbelkopf?" flüsterte ich leise an seinem Ohr und er öffnete die Augen. Er hatte noch nicht geschlafen, vermutlich hing er seinen Gedanken nach, wie die meisten von uns. „Komm. Wird Zeit schlafen zu gehen". Nickend stand er auf und gab Mary die Decke wieder. Ich tat es ihm gleich und winkend schlichen wir ins Zelt hinein. Wollte Lucy nicht wecken. Ich knipste eine kleine Taschenlampe, damit wir etwas Licht hatten und kletterten in unsere Schlafsäcke. Kuschelten uns tief hinein. Noch immer hatte er kein Wort gesagt. Es erinnerte mich an die eine Nacht in der Wüste und sofort zog sich mein Herz schmerzhaft zusammen.

„Ist wirklich alles okay?" erkundigte ich mich noch einmal leise und löschte das Licht. Drehte mich auf die Seite, damit ich ihn anschauen konnte, doch ich erkannte nur seine Umrisse. Er lag auf dem Rücken und starrte an die Decke. Es dauerte einen Augenblick, dann nickte er und schloss seine Augen. „Du kannst mit mir reden..." versuchte ich mein Glück weiter.

„Alles gut..." erwiderte er kaum hörbar. Leise seufzend schloss ich meine Augen, wohlwissend, dass er mich anlog. Ich versuchte trotzdem zu schlafen. Doch es gelang mir nicht so richtig. Von draußen hörte man leise, wie die anderen sich am Feuer noch unterhielten. Das knistern vom Lagerfeuer konnte man ebenfalls hören. Doch es wurde nicht mehr gesungen. Auch die Gitarre vernahm ich nicht mehr.

„Ich vermisse sie... Meine Hoffnung schwindet, dass ich sie je wiedersehe..." vernahm ich eine ganze Weile später leise die Stimme des neben mir liegenden und ich öffnete meine Augen. Auch er lag nun mit dem Gesicht in meine Richtung. Seine Augen waren geöffnet und ruhten auf mir.

„Wir werden sie finden. Du musst nur daran glauben" erwiderte ich leise und versuchte ihn aufmunternd anzulächeln.

„Und wenn nicht? Wenn ANGST sie mittlerweile geschnappt hat? Wenn alles umsonst war?" fragte er mich verzweifelt und ich glaubte herauszuhören, dass er mit den Tränen kämpft.

„So darfst du nicht denken, hörst du? Es geht ihnen gut und wir werden sie finden. Sie haben sich sicher nicht schnappen lassen" versuchte ich ihm Trost zu spenden. Rutschte etwas an ihn heran und legte meinen Arm um ihn.

„Und wenn sie gar nicht mehr leben...?" hauchte er tonlos. Er musste wirklich sehr an seine Freunde hängen. Schmerzhaft zog es in meinem Herzen, wenn ich ihn so leiden sah. Ein Gefühl, dass ich so nicht kannte.

„Gib die Hoffnung nicht auf Newt. Wenn sie auch nur ansatzweise den gleichen Überlebenswillen wie du haben, dann werden wir sie finden und es wird ihnen gut gehen. Pass auf. Wir ruhen uns hier noch 2 bis 3 Tage aus. Dann packen wir unsere Sachen und ziehen weiter. Suchen sie, bis wir sie gefunden haben. Bis ihr wieder vereint seid" erklärte ich ihm leise und strich ihm dabei unbewusst durchs Haar.

„Ich weiß nicht, was ich die letzten Wochen ohne dich getan hätte..."

„Du hättest genauso gekämpft und wärst genauso weit gekommen"

„Nein, wäre ich nicht... Nicht ohne dich..." hauchte er leise. Das gesagte ließ mich unmerklich schlucken. Seltsam warm wurde es in meiner Herzgegend. Seine Worte berührten mich, auch wenn ich dies nie zugeben würde.

„Quatsch nicht so ein Blödsinn Strubbelkopf" erwiderte ich daher schlicht.

„Es ist die Wahrheit..." flüsterte er und versuchte sich an mich heran zu kuscheln, was aufgrund unserer Schlafsäcke nicht wirklich möglich war. Leise seufzte er auf.

„Bist du immer so kuschelbedürftig?" fragte ich sehr viel rauer als beabsichtigt. Augenblicklich spannte er sich an und hielt in seinen Bewegungen inne. Sofort tat mir mein harter Ton leid. Irgendwas löste dieser Kerl in mir aus und ich konnte mir einfach nicht erklären, was es war. Warum ich ihn so nah an mich heranließ. Niemand, außer vielleicht Curley Sue, kam in den letzten Jahren so nah an mich heran. Körperlich genauso wie seelisch.

„Das war nicht böse gemeint..." versuchte ich mich für meinen rauen Ton zu entschuldigen. Ich öffnete meinen und seinen Schlafsack und sah ihn an. „Komm her..." ich hielt meinen Schlafsack auf, in dem er nun hineinschlüpfte. Da ich diesen nun nicht mehr zubekam, nutzte ich seinen Schlafsack, um uns beide zuzudecken. Er kuschelte sich in meine Arme und ich konnte förmlich spüren, wie er sich wieder entspannte.

„Du bist ein komischer Kauz..." ich legte meine Arme um ihn und drückte ihn sanft an mich. Wenn es im half, bei was auch immer.

„Sollte das ein Kompliment sein?" fragend schaute er mich an und grinste mich dabei schief an.

„Weiß nicht... Vermutlich..." erwiderte ich verlegen grinsend. Sollte das eines sein?

„Na dann Dankeschön" schmunzelnd legte er seinen Kopf auf meine Schulter und seine Arme um mich.

„Schlaf gut du Kauz" ebenfalls schmunzelnd lehnte ich meinen Kopf an seinen Haarschopf und schloss meine Augen.

„Du auch Tammy" hauchte er leise und nur wenige Augenblicke später vernahm ich seinen gleichmäßigen Atem, was mich vermuten ließ, dass er schlief. Wieder hatte er mich Tammy genannt. Irgendwie mochte ich es...

Die Lichter in der Dunkelheit (Maze Runner, Newt FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt