Kapitel 2

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„Tamara" hörte ich da eine mir vertraute Stimme.

„Hey Curley Sue" winkte ich dem kleinen Mädchen zu. Sie hatte schwarze Haare und wunderschöne Locken. Eigentlich hieß sie Lucy, doch wegen ihren Locken nannte ich sie gerne Curley Sue. Sie war 4 Jahre alt und wurde von uns zusammen mit ihrem großen Bruder aufgegriffen. Sie war so unschuldig und rein. Hatte immer ein Lächeln auf den Lippen. Sie eroberte die Herzen der Menschen in ihrer Nähe im Sturm. Sie war ein kleiner Wirbelwind und verdammt neugierig.

„Wer ist das?" fragte sie und zeigte auf den Strubbelkopf auf der Liege hinter mir.

„Weiß ich nicht" erwiderte ich wahrheitsgemäß.

„Hat er aua? Dann muss ich pusten. Dann geht aua ganz schnell weg" heftig nickte sie dabei, dass ihre Locken nur so hin und herflogen.

„Manches Aua geht nicht durch pusten weg, kleines" versuchte ich ihr zu erklären.

„Aber man muss es versuchen" erwiderte sie und schlüpfte an mir vorbei, um ins Krankenzimmer zu gehen. Doch ich hielt sie fest.

„Nicht so schnell. Du darfst da nicht rein. Wir wissen nicht, wer das ist" erklärte ich ausdrücklich und schloss die Tür.

„Okay. Warum ist er gefesselt? Fällt er sonst aus dem Bett?" fragte sie mich weiter aus. Seufzend hob ich sie auf meinen Arm und ging mit ihr in die große Halle. Dort standen viele Tische und Bänke, an denen die meisten Leute gerade Abendbrot aßen. Etwa 200 Menschen lebten hier. Suchten hier Unterschlupf und Schutz. Schutz gab es, doch zu einem hohen Preis.

„Er ist gefesselt, weil wir ihn nicht kennen. Er könnte gefährlich sein" erklärte ich weiter. Ich setzte sie auf die Bank und holte uns 2 Teller mit Essen. Ließ mich neben sie nieder und zusammen ließen wir es uns schmecken.

„Aber er sieht gar nicht gefährlich aus. Er ist bestimmt ganz lieb. So wie du!" erwiderte sie ausdrücklich und schaute mich mit ihren großen Kulleraugen an.

„Ich bin nicht lieb Lucy. Und Menschen müssen nicht immer gefährlich aussehen, um gefährlich zu sein. Man sieht es ihnen nicht an. Du musst immer vorsichtig sein. Du darfst niemanden trauen. Hörst du? Sei stets auf der Hut. Bleibe wachsam!" erklärte ich ausdrücklich und erwiderte ihren Blick. Eine Weile schien sie zu überlegen.

„Doch Tamara. Du bist lieb. Zu mir bist du immer lieb. Und ich traue dir. Das tue ich" wissend nickte sie. Sie wusste nicht, wovon sie sprach. Eine vierjährige versteht das ganze Ausmaß hier nicht. Sie konnte die gesamte Bandbreite unmöglich begreifen.

„Iss auf und dann gehst du zu deinem Bruder, verstanden?" erwiderte ich genervt, räumte meinen Teller weg und ließ sie alleine sitzen. Ich verließ das Lagerhaus und ging in die viel kleinere Lagerhalle nebenan. Hier pflanzten wir Obst und Gemüse an. Die ganze Halle ist voll damit. Nicht gerade optimale Bedingungen für Pflanzen, aber es wollen 200 Menschen ernährt werden. Doch nicht immer reichte es aus. Wasserknappheit und die Hitze machten uns immer wieder das Leben schwer. Manchmal half ich hier im Garten mit aus. Wenn ich auf andere Gedanken kommen wollte. Wenn ich Langeweile hatte, oder auch einfach nur, wenn ich Lust hatte. Hilfe war immer willkommen. Ich sah nach den Bohnen, sie sahen gut aus. Es würde nicht mehr lange dauern, dann konnte wir sie ernten. Ich holte mir einen Eimer und begann die Pflanzen vom Unkraut zu befreien. Schnell vergaß ich dabei die Zeit.

„Sie tun ihm weh!" weinend kam Lucy auf mich zugerannt. Ihre Worte drangen gar nicht wirklich in meinen Kopf vor.

„Was machst du hier? Du darfst das Lagerhaus nicht verlassen. Das weißt du doch" schollt ich sie leicht. Zwar wurde das Gelände bewacht, doch man wusste nie.

„Sie tun ihm weh!" schniefend kam sie vor mir zum Stehen.

„Wem?"

„Dem Mann im Bett. Der mit den Fesseln" schluchzte sie. Warum konnten diese Idioten nicht besser aufpassen? Eine vierjährige sollte sowas nicht sehen müssen.

„Habe ich dir nicht erst vorhin gesagt, dass du da nichts zu suchen hast? Was hast du da gemacht?" fragte ich sie vorwurfsvoll, doch sie dachte gar nicht daran, mir darauf zu antworten.

„Tamara. Sie tun dem Mann weh. Du musst ihm helfen. Die sollen damit aufhören" schluchzte sie und seufzend hob ich sie auf den Arm.

„Na schön..." genervt ging ich mit ihr zurück in das Lagerhaus und setzte sie dort auf den Treppen ab. „Du gehst jetzt ohne Umwege zu Paul. Dein Bruder sucht dich sicher schon. Hast du mich verstanden?" eindringlich sah ich sie an. Schniefend nickte sie und schlich die Stufen hoch. Ich ging in die entgegengesetzte Richtung und betrat die Krankenstation. Lex bearbeitete den Unterarm vom Strubbelkopf gerade mit dem Messer. Das Blut lief an dessen Arm herab und tropfte auf den Boden.

„Was wird das?" fragte ich forsch und funkelte ihn an.

„Der Boss will, dass er aufwacht. Ich soll nachhelfen" grinste er mich fies an und bohrte das Messer etwas tiefer in den schmalen, blassen Arm.

„Du kannst dich von meiner Krankenstation verpissen und dem Boss einen schönen Gruß von mir bestellen. Wenn er ihn lieber tot haben möchte, soll er es sagen. Dann kann ich mir die Medikamente für andere Menschen sparen. Und nun verpiss dich" knurrte ich ihn an und trat auf ihn zu.

„Schon gut Kampfzwerg" ergeben hob er die Hände und verließ das Zimmer. Wütend schlug ich die Tür zu und sah mir die Schweinerei auf dem Boden an. Wischen stand heute eigentlich nicht auf meinen Plan. Dämlicher Vollidiot.

Ich trat zur Liege und schaute mir den Arm an. Ein etwa 7cm langer Schnitt zierte seinen Unterarm. Es war nur an einem Ende etwas tiefer. Mit etwas Glück würde er nur eine kleine Narbe davontragen. Doch warum machte ich mir darum Gedanken. Mir doch egal, wie er aussieht. Ich nahm einen neuen Verband und legte diesen fest um die Wunde, um die Blutung zu stoppen. Anschließend nahm ich mir einen Lappen und reinigte die Liege und den Boden von dem frischen Blut.

Ich löste die Fesseln an seinen Handgelenken und nahm die leere Infusion ab, anschließend zog ich ihm sehr umständlich die Jacke aus und schloss eine neue Infusion an. Auch die Fesseln legte ich ihm wieder an. Er ließ alles mit sich geschehen, ohne auch nur eine Reaktion zu zeigen. Ich betrachtete sein Gesicht. Obwohl es rot war, konnte man erahnen, wie blass er darunter war. Es sah wirklich nicht gut aus. Ich brachte seine Krankenakte auf den neuesten Stand und ließ mich auf meinen Schreibtischstuhl sinken. 

Die Lichter in der Dunkelheit (Maze Runner, Newt FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt