Kapitel 14

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„Kannst du dich aufsetzen?" wandte ich mich an ihn, als ich mit seinen Wunden fertig war und räumte alles wieder weg. Nickend, leicht stöhnend setzte er sich auf und stützte sich mit seinen Armen auf der Liege ab. Sofort fingen seine Arme zu zittern an. Ihm fehlte einfach die Kraft dafür. „Vergiss es. Leg dich wieder hin" murrte ich und stellte das Kopfteil der Liege höher, damit er fast aufrecht saß. Ich quetschte die Kartoffeln und vermischte alles miteinander auf dem Teller.

„Iss" befahl ich ihm und stellte ihm den Teller samt Gabel auf seinen Schoß. Kurzzeitig spürte ich minimal Mitleid mit ihm, als ich seinem leeren, ausdruckslosen Blick begegnete, mit dem er mich anschaute. Er musste wahnsinnige Schmerzen haben. Ergeben seufzte ich auf und setzte mich zu ihm auf die Liege. „Gib schon her" nahm ich ihm die Gabel und den Teller ab und fütterte ihn. Gierig schlang er das Essen regelrecht herunter.

„Mach langsam. Es isst dir keiner etwas weg" meinte ich nun, zum ersten Mal heute, etwas sanfter zu ihm, „Sonst muss ich mich nachher noch um die Bauchschmerzen kümmern, die du bekommen wirst".

„Das würdest du auch sehr gut machen" erwiderte er leise und sah mich mit seinen tiefbraunen Augen an.

„Schleimer" konterte ich, musste aber doch für einen kleinen Augenblick grinsen. Ich glaubte, auch bei ihm den Anflug eines Grinsens zu erkennen. Nachdem er den ganzen Teller aufgegessen hatte, stellte ich sein Kopfteil runter.

„Ruhe dich etwas aus. Ich bin zwischendurch weg, aber ich schaue immer mal nach dir" erklärte ich ihm. Nickend schloss er erschöpft seine Augen. Für einen kurzen Moment betrachtete ich ihn. Irgendwas an ihm verunsichert mich. Ließ eine Seite zum Vorschein kommen, die praktisch niemand von mir kannte. Das machte mir Angst. Schließlich hatte ich diese Seiten vor langer Zeit begraben. Und so sollte es auch bleiben. Ich musste aufpassen, dass dies nicht schlimmer wurde.

Ich brachte den Teller weg und ging meinen Aufgaben nach. Ließ mich im „Garten" blicken und vertrieb mir dort etwas die Zeit. Befreite die Pflanzen vom Unkraut. Grub Erde um, damit sie neu bepflanzt werden konnte. Baute aus Holzresten kleine Gestelle, damit die Rankel Pflanzen an ihnen wachsen konnte. Half bei der Ernte und kam innerlich endlich wieder etwas zur Ruhe.

Nachdem ich im „Garten" fertig war, schaute ich nach dem Strubbelkopf, doch er schlief tief und fest. Ich beschloss, ein wenig trainieren zu gehen. So ging ich wieder runter und durchquerte die große Gemeinschaftshalle. Ich betrat den Raum dahinter. Hier hingen Boxsäcke an den Decken. Verschiedene Fitnessgeräte standen im ganzen Raum verteilt. Es gab Ringe aus Matten, auf denen einige ihre Kampfkünste erweiterten oder diese neu erlernten. Ich ging zu meinem Spind und holte mir meine Boxhandschuhe heraus. Zog diese über und sah mich im Raum um. Es waren nur wenige Männer hier.

Ich wärmte mich auf und trainierte an einem der Boxsäcke. Immer und immer wieder haute ich drauf. Ließ meine Fäuste fliegen und verausgabte mich regelrecht. Der Schweiß rann mir an den Schläfen herab. Meine Atmung ging nur noch stockend. Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn, als ich auf eine kleine Gruppe Männer aufmerksam wurde.

Der Boss, Billy und Ken standen dort. Ich spitzte meine Ohren und boxte zur Tarnung weiter.

Boss: „Bis dahin brauche ich Infos von ihm"

Ken: „Wie stellst du dir das vor? Du hast Tamara dein Wort gegeben und die ist unberechenbar. Ich meine, sie hat Lex kalt gemacht ohne mit der Wimper zu zucken"

Billy: „Sie kann nicht 24 Stunden bei ihm sein und das ist sie nicht. Sie rechnet damit, dass sie noch 6 Tage hat"

Boss: „Genau. Sie wird kein Problem darstellen. Immerhin war es ihr auch völlig egal, als er das erste Mal verschwand. In 5 Tagen kommen sie am frühen Morgen. Janson wird ihn persönlich in Empfang nehmen. Der Wüstentyp muss verdammt wertvoll für ANGST sein, soviel wie sie für ihn springen lassen. Sollte etwas bei der Übergabe schief gehen, tötet ihn. Der Typ macht mir zu viel Ärger und geht mir langsam auf die Eier. Die Leute werden unruhig. Am liebsten würde ich ihn sofort umbringen, doch die Belohnung können wir uns nicht durch die Lappen gehen lassen. Kapiert?"

Billy: „Alles klar Boss"

Ken: „Jawohl" und damit trennten sich ihre Wege. Es dauerte einen Augenblick, bis ich das ganze Ausmaß der gesagten Worte sortiert und verstanden habe. Sie wollen den Strubbelkopf an ANGST ausliefern. Wollen eine fette Belohnung kassieren. Ihn töten. Was verdammt macht ihn so wertvoll? So wertvoll, dass ANGST persönlich kommt? Und wie konnte der Boss sie kontaktieren? War er deswegen weggewesen? War er bei ANGST gewesen?

Ich wusste nicht viel über ANGST. Nur das sie Eltern töten und deren Kinder mitnahmen. Das diese Immun waren. Das sie hofften, mit deren Hilfe ein Heilmittel herstellen zu können. Doch das Ganze zog sich schon über viele Jahre. Vielleicht wusste Paul mehr. Sein Gehirn war manchmal wie ein Schwamm. Saugte alles auf. Alles blieb hängen.

Ich schmiss die Handschuhe in den Spind, wischte mir mit den Arm den Schweiß von meiner Stirn und lief nach oben. Beorderte dabei Paul auf die Krankenstation. Oben angekommen, vergewisserte ich mich, dass der Strubbelkopf schlief und ließ mich auf meinen Schreibtischstuhl fallen. Wassertrinkend wartete ich ungeduldig auf Paul. Warum war ich so ungeduldig? Wollte doch nur mehr über ANGST wissen. Endlich kam er.

„Was ist denn?" murrte er mich an. Warum war er sauer? Ach ja... Bestimmt wegen vorhin.

„Tut mir leid..." murmelte ich und schloss hinter ihm die Tür. Mit dem entschuldigen hatte ich es ebenfalls nicht so.

„Schon okay. Was gibt es denn?" erkundigte er sich und setzte sich auf meinen Schreibtisch, während ich mich wieder auf den Stuhl setzte.

„Was weißt du über ANGST?" fragte ich ihn leise und er sah mich erstaunt an.

„Warum fragst du?"

„Weil... Möchte einfach wissen, was die so machen. Ich weiß praktisch nichts über sie. Reine Neugier" versuchte ich mich herauszureden. Ich sah ihm an, dass er mir kein Wort glaubte, doch er fragte nicht weiter nach. Er wusste, ich konnte verdammt stur und hartnäckig sein.

„Nun. Sie sind brutal und herzlos. Eiskalt und gefährlich. Sie schrecken vor nichts zurück. Sie gehen über Leichen und das sind nicht gerade wenig Leichen. Sie holen immune und nicht immune Kinder. Sie führen an ihnen Experimente durch. Schreckliche Experimente. Quälen sie mit Schmerzen. Quälen sie mit Ängsten. Berauben sie ihrer Erinnerung. Benennen sie um, sobald sie bei Angst ankommen. Stecken sie in Labyrinthe und beobachten sie 24 Stunden am Tag. Viele sterben dabei. Viele gehen daran zugrunde. Doch sie machen weiter. Immer und immer weiter. Beteuern, dass es nur dem Wohle der Menschheit dient. Das es nur um das Heilmittel geht. Doch die Kinder sind ihnen dabei völlig egal" erklärte er leise und das gehörte ließ mich schlucken.

„Woher weißt du das alles? Weißt du das sicher oder sind das Gerüchte? Ist es Kindern je gelungen, von da zu fliehen? Erfolgreich gelungen?" fragte ich leise weiter.

„Ich weiß es mit ziemlicher Sicherheit. Und ich befürchte, dass war noch lange nicht alles. Wer weiß, was sie ihnen noch antun. Es gibt Gerüchte, dass es eine kleine Gruppe gelungen ist, aus dem Labyrinth zu fliehen. Aber niemand kann das bestätigen. Niemand hat sie gesehen. Es gibt da einen Sicherheitschef. Ich glaube, Janson heißt der, der soll die Gruppe angeblich jagen. Auf seinem Weg macht er vor niemandem Halt. Er tötet alles, was ihm vor die Linse kommt. Auch von hohen Belohnungen ist die Rede, wenn man die Gruppe ausliefert. Aber ich bezweifle, dass man die Übergabe überlebt" führte er seine Erzählung weiter. Wenn das stimmen sollte, was er da erzählt, waren wir alle in Gefahr. Wenn ich das richtig verstanden habe, kommt ANGST her. Hier her zu uns. Zu unserem sicheren Ort. 

Die Lichter in der Dunkelheit (Maze Runner, Newt FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt