Kapitel 11

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Lucy hockte wimmernd vor einem Mann. Der Mann lag mit dem Rücken zu mir auf dem kalten Boden. Konnte nicht erkennen, wer das war. Ich sah, dass Lucy ihre Lippen bewegte, dass sie etwas sagte. Ihr Kopf zeigte dabei von dem Mann weg. War noch jemand im Raum? Mit einmal warf Lucy sich auf den Mann drauf. Es sah aus, als wenn sie ihn beschützen wollte. Doch wie konnte ein vierjähriges Kind einen Erwachsenen beschützen? Ihr Körper fiel zu klein und schmächtig.

Plötzlich trat jemand aus dem Schatten hervor. Lex. Bewaffnet mit einem Baseballschläger lief er auf die beiden zu und bevor ich reagieren konnte, holte er aus. Doch er zielte nicht auf den Mann. Er zielte auf Lucy. Er wollte sie erschlagen. Er wollte sie umbringen. Der liegende Mann umgriff Lucy, drehte sich mit Lucy von Lex weg und er kassierte die volle Wucht des Baseballschlägers auf seinem Rücken. Das alles dauerte nur wenige Sekunden.

Geistesgegenwärtig zog ich meine Waffe, entsicherte sie und riss im selben Augenblick die Tür auf.

„Lex!" rief ich aufgebracht und zielte auf ihn.

„Was willst du hier?" knurrte er mich wütend an.

„Dir deinen Schläger mit Anlauf ungebremst in den Arsch rammen" fauchte ich zurück. Leise vernahm ich Lucys jammern und ein leises männliches Stöhnen. Keuchend klang es. Schmerzverzerrt.

„Solange warte ich schon auf diese Gelegenheit" lachte er nun dreckig, zog seine Waffe und zielte damit auf die beiden am Boden, doch bevor er abdrücken konnte, drückte ich ab. Eiskalt. Ohne Reue. Beförderte ihn durch einen Schuss in die Brust ins Jenseits. Keuchend sackte er zu Boden.

„Mit dem Unterschied, dass ich diese Gelegenheit genutzt habe" knurrte ich und trat vor ihm. „Du bist so ein dämlicher Jammerlappen. Wir sehen uns in der Höhle" drohte ich ihm und trat seine Waffe mit dem Fuß beiseite. Anschließend drückte ich meinen Fuß auf seine Wunde, was ihn laut aufschrien ließ. Nur kurz darauf sackte er leblos in sich zusammen und blieb regungslos liegen. Schnell drehte ich mich um.

„Lucy?" rief ich und lief zu den beiden hin. Schniefend kam sie unter dem Mann, der mit dem Rücken zu mir lag, herausgekrabbelt und schmiss sich in meine Arme. Fest drückte ich sie an mich.

„Pssst Curley Sue. Es ist vorbei. Er wird dir nicht mehr wehtun. Nie wieder" wie ein Mantra widerholte ich diese Worte. Immer und immer wieder. In der Hoffnung, dass sie sie erreichen. Das sie ihre Wirkung nicht verfehlen. Ich ließ mich mit ihr auf den Boden sinken und zog sie auf meinen Schoß. Dabei fiel mein Blick auf den Mann am Boden. Langsam drehte er seinen Kopf. Deutlich sah man ihm große Schmerzen bei jeder Bewegung an.

„Du?" fragte ich überrascht, als mich die tiefbraunen Augen anschauten. Er hat Lucy beschützt. Der Strubbelkopf hat Lucy das Leben gerettet. Ich konnte es nicht glauben, dass er noch lebte. Das er noch hier war. Und erst recht konnte ich nicht glauben, was er eben getan hat. Zum ersten Mal spürte ich sowas wie Respekt vor ihm. Nur kurz, aber es war da

Ich sah ihn mir genauer an und er sah schrecklich aus. Schrecklich mitgenommen. Er hatte nur eine Boxershorts an. Sein Körper war übersäht mit Kratzern und Schnittwunden. Brandblasen und Prellungen. Seine Lippen waren aufgeplatzt. Seine Augen umrandete ein tiefes blau, welches durch gelb und lila noch mehr gezeichnet wurde. Überall klebte trockenes Blut. Aus einigen Wunden lief frisches Blut heraus. Am Rücken waren rote Striemen zu erkennen. Er sah schrecklich aus.

Mein Blick wanderte zu Lucy, schaute sie mir genau an, doch auf den ersten Blick konnte ich keine Verletzungen erkennen.

„Danke, dass du ihr das Leben gerettet hast" wandte ich mich nun wieder ihm zu. Er nickte nur, anscheinend fiel ihm das Sprechen schwer. „Glaubst du, du kannst laufen? Wir müssen hier raus. Auf der Krankenstation kann ich dir helfen. Ist schon ein kleines Stück, aber ich helfe dir" erklärte ich ihm und bekam wieder ein Nicken. Ich wusste, es würde ihm alles abverlangen und die Schmerzen werden entsetzlich sein, aber ich wollte sie nicht alleine hierlassen, während ich Hilfe holte. Ich setzte Lucy neben ihn und sammelte seine Sachen ein, die in einer Ecke zusammengeknüllt lagen. Vorsichtig half ich ihm beim Anziehen. Tapfer versuchte er mitzuhelfen, doch musste es immer wieder keuchend aufgeben.

Nachdem er angezogen war, half ich ihm vorsichtig auf die Beine. Zitternd stand er sehr schwach und lehnte sich haltsuchend an die Wand. Ich nahm Lucy auf den Arm, die sich an mir festklammerte und griff ihn stützend unter seinen Arm. Legte diesen auf meine Schulter und umfasste seinen schmächtigen Körper. Stöhnend biss er die Zähne fest aufeinander.

„Auf der Krankenstation bekommt du gleich was gegen die Schmerzen. Dann wird es ein wenig erträglicher..." versuchte ich ihn aufzubauen. Langsam liefen wir den Flur entlang auf die Treppen zu. Er war wirklich groß, knappe 2 Köpfe größer als ich, aber er war für einen Mann relativ leicht. Hatte die letzten Tage sicher nichts zu Essen oder Trinken bekommen. Ob der Boss davon wusste? Von dem Strubbelkopf und von Lucy auch?

Auf der Treppe mussten wir immer wieder Pausen machen. Er war unglaublich schwach und konnte sich kaum auf den Beinen halten. Mittlerweile lastete immer mehr von seinem Gewicht auf meinen Schultern und Lucy trug ich ja auch noch. Der Schweiß lief mir an den Schläfen herab und mein Shirt klebte am Rücken fest. Auf der vorletzten Etage haben ihn endgültig die Kräfte verlassen. Er ließ sich einfach fallen und nur mit Mühe konnte ich verhindern, dass er die Treppe herunterfiel. Ich hielt ihn fest und setzte Lucy ab, anschließend lehnte ich ihn gegen das eiserne Treppengeländer und setzte mich stützend neben ihn. Er sah mich an und schüttelte seinen Kopf. Ich verstand, dass er nicht mehr konnte.

„Ich weiß..." nun wandte ich mich an Lucy. „Ich brauche deine Hilfe. Ich weiß, es ist hier dunkel und du hast Angst. Aber siehst du den Lichtschimmer eine Etage über dir?" ich deutete darauf und sie schaute hoch. Nickte mir tapfer zu. „Dort oben ist die Tür. Da stehen 2 Wachen vor. Kannst du sie bitte holen? Sag ihnen, Tamara schickt dich. Schaffst du das?" trotz der Dunkelheit konnte ich ihr Schlucken erkennen. Noch einmal nickte sie, dann ging sie langsam die Treppe hoch.

„Sie...mutig" keuchte der Strubbelkopf neben mir und ich konnte nur zustimmend nicken. Kurz darauf kamen die beiden Wachen mit Lucy im Schlepptau herunter. Ich bat sie, den Strubbelkopf auf die Krankenstation zu tragen und den Boss zu mir zu schicken. Nach kurzem Zögern taten sie dies. Ich nahm Lucy auf den Arm und machte mich auf die Suche nach Paul. Diesen fand ich im großen Gemeinschaftsraum, wo er auf einer der Bänke saß. Ich setzte Lucy ab und sie lief ihm, laut seinen Namen rufend, entgegen. Überschwänglich, sichtlich erleichtert, schloss er sie fest in seine Arme und sagte ihr immer wieder, wie lieb er sie hat. Das er nun besser aufpassen würde. Beide weinten. Ich ließ sie alleine und ging hoch ins Krankenzimmer, wo der Strubbelkopf schon auf der Liege lag. Gerade wollten sie ihn wieder fesseln.

Die Lichter in der Dunkelheit (Maze Runner, Newt FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt