Kapitel 42

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Ich beobachtete den Strubbelkopf, wie er zügig die Felsen herunterkletterte. Wie er eilig auf sie zu rannte. Wie er den dunkelhaarigen in seine Arme zog und sich an diesem wie ein Ertrinkender festhielt. Wie der besagte, sichtlich überrascht, ebenfalls seine Arme um Newt schlang und diesen fest an sich drückte.

Ich verstand nicht, was sie sagten und ob sie überhaupt etwas sagten. Doch das musste ich gar nicht. Ich wusste auch so, dass dies seine so sehr vermissten Freunde waren. Das sie wieder vereint waren. Das sie ihn gefunden hatten. Das sie sich wieder hatten.

Nacheinander umarmten sie sich alle fest und lange. Als er ein Mädchen mit langen braunen Haaren umarmte, zog sich mein Herz schmerzhaft zusammen. Schnell drehte ich meinen Kopf weg. Ich wollte das nicht sehen. Es passte mir nicht. Meine Reaktion darauf passte mir ebenfalls nicht.

Ich blieb auf dem Felsen sitzen. Rutschte nach hinten an die harte Felswand heran und zog meine Beine an den Oberkörper heran. Legte meine Arme drumherum und stützte mein Kinn auf meine Knie ab. Was sollte ich nun tun? Er hatte seine Freunde gefunden, somit war meine Aufgabe im eigentlichen Sinne erfüllt. Sollte ich mitfahren zum sicheren Hafen? Sollte ich mitfahren in eine unbestimmte Zukunft? Gab es überhaupt irgendwo einen sicheren Ort zum Leben? Ich bezweifelte es. Und wenn doch, was sollte ich da? Ich würde da nicht hineinpassen. Es wäre nicht meine Welt.

„Hey Tammy. Hörst du mich?" erschrocken zuckte ich zusammen, als jemand mit seiner Hand vor meinem Gesicht wedelte. „Nun hast du zu viel gegrübelt" schmunzelte mich der Strubbelkopf an und in seinen Augen lag ein seltsamer Glanz, der mir bisher verborgen blieb. Glücklich sah er aus. Ich zuckte nur mit den Achseln. „Kommst du mit runter? Du sitzt schon den ganzen Tag hier oben. Du musst was essen und trinken. Außerdem wollen sie gleich ein Lagerfeuer anzünden und ich möchte dir meine Freunde vorstellen" erklärte er mir und hielt mir lächelnd seine Hand hin. Erstaunt sah ich mich um. Tatsächlich. Es dämmerte schon und wie auf Kommando meldete sich mein Magen. Ich nahm seine Hand und ließ mir hochhelfen. Ich folgte ihm den Felsen herunter und unten hielt er mir wieder seine Hand hin. War er wieder einmal kuschelbedürftig? Doch ich ergriff sie und er führte mich über den Platz zu der Gruppe Jugendliche, die heute Vormittag angekommen sind. Ich schätzte sie alle auf ungefähr 16-18 Jahre.

Nacheinander stellte er mir jeden einzelnen vor. Brenda und Jorge schüttelten, ohne groß die Miene zu verziehen, meine Hand. Aris, er war wohl mit Harriet und Sonya in einem Labyrinth gewesen, lächelte mich schüchtern an. Minho, ein Asiate mit beachtlichen Muskeln am Oberkörper, beäugte mich misstrauisch. Bratpfanne, der seinen Spitzname seinem Beruf als Koch auf der Lichtung verdankte, lächelte mich freundlich an, während er meine Hand schüttelte, Teresa, dass Mädchen mit den langen braunen Haaren, welches Newt umarmt hatte, schüttelte ebenfalls lächelnd meine Hand. Doch das Lächeln erreichte ihre Augen nicht. Es wirkte falsch und ließ mich misstrauisch werden. Thomas, er lächelte mich ehrlich an und zog mich ohne Vorwarnung in seine Arme.

„Hey Tamara. Danke, dass du ihn uns gesund wiedergebracht hast. Das du dich so gut um ihn gekümmert hast" meinte er leise zu mir, während er mich drückte. Zögerlich erwiderte ich die Umarmung, während ich zu Newt schielte. Er schaute verlegen zu Boden.

„Nichts zu danken" erwiderte ich lediglich und löste mich von Thomas, als schon Lucy angerannt kam. Natürlich hatte sie sie schon längst in ihr kleines und doch viel zu großes Herz geschlossen. Lachend nahm sie Thomas und Brendas Hand und zog sie mit zu dem Lagerfeuer, welches gerade entfacht wurde. Alle ließen sich am wärmendem Feuer nieder, nur ich setzte mich etwas abseits auf einem Felsvorsprung, auf dem ich die letzten Tage schon öfters gesessen hatte. Nah genug, um ihr Lachen zu hören. Nah genug, um einzelne Gesprächsfetzen aufzuschnappen.

Strubbelkopf, er wirkte gelöst und glücklich. Er lachte viel und sein strahlendes Lachen erreichte seine Augen. Im flackerndem Licht des Feuers leuchteten sie hell, wie die Sterne am Himmel.

„Sie ist süß" vernahm ich die Stimme von Bratpfanne.

„Wer?" fragte Thomas und schaute sich um.

„Tamara natürlich. Sie ist echt heiß" grinste Bratpfanne nun. Mit aufgerissenen Augen starrte Newt Bratpfanne an.

„Ich traue ihr nicht" erwiderte Minho trocken.

„Du traust doch niemandem" lachte Thomas, was auch die anderen lachen ließ. „Wo ist eigentlich Teresa?".

„Da oben" Bratpfanne deutete auf einen Felsen weiter oben am Berg, wo man Teresa stehen sah. Thomas stand auf und machte sich auf dem Weg zu ihr, während sich jemand neben mich setzte. Erschrocken zuckte ich zusammen.

„Du wirst uns nicht begleiten, oder?" fing Mary ohne Umschweife an. Fragend sah ich sie an, wie sie darauf kam. „Du erweckst nicht den Eindruck, als wenn du besonders scharf darauf wärst, zum sicheren Hafen zu fahren. Alle sitzen aufgeregt und freudig am Feuer. Sind voller Vorfreude. Doch du sitzt nachdenklich hier alleine und wenn Newt dich nicht geholt hätte, würdest du vermutlich immer noch oben auf dem Berg sitzen" erklärte sie. Ich zuckte lediglich mit den Achseln. Was sollte ich auch darauf erwidern? „Du solltest es ihm sagen" fuhr sie fort.

„Wozu?"

„Er mag dich und du magst ihn. Das brauchst du auch nicht abstreiten. Ich sehe es doch. Sowas ist selten geworden in der heutigen Zeit und sehr kostbar. Du solltest es nicht einfach wegwerfen. Versuche es doch wenigstens und wenn es dir nicht zusagt, kannst du immer noch gehen" erklärte sie weiter und ließ mich wieder alleine mit meinen Gedanken. Was würde das ändern? Gar nichts. Und doch sagte mir mein Herz, dass ich es nicht tun sollte. Wogegen mein Kopf die ganze Zeit sagt, geh. Ich versuchte Herz und Kopf zu ignorieren und beschloss, ein wenig spazieren zu gehen. Weg von dem Lagerfeuer und den fröhlichen Menschen.

Ich war nur wenige Minuten weit weg, als ich ein seltsames Brummen hörte. Ich spitzte meine Ohren, das schwere Brummen wurde lauter. Es kam immer näher und da sah ich es schon. 2 Hubschrauber und ein Berk flogen geradewegs aufs Camp zu. Scheiße. Das verhieß nichts Gutes. So schnell ich konnte, rannte ich zurück, als ich sah, wie die Hubschrauber auf das Camp schossen. Schreie hallten durch die Nacht. Schreie voller Panik und Angst. Newt!

Die Lichter in der Dunkelheit (Maze Runner, Newt FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt