Kapitel 19

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Wir waren schon seit Stunden unterwegs. Die Sonne müsste bald aufgehen. Lucy und Newt schliefen tief und fest. Paul überkam auch langsam die Müdigkeit, immer wieder gähnte er herzhaft.

„Wir sollten bald Pause machen. Wir müssen auch schlafen" meinte er gerade.

„Das halte ich für keine gute Idee. Wir müssen unseren Vorsprung ausnutzen und vergrößern. Sobald die Sonne rauskommt, halten wir an. Dann spannen wir ein bis zwei Decken über den offenen Jeep. Dann sind wir etwas vor der Sonne geschützt. Ich fahre dann weiter und du ruhst dich aus" meinte ich überlegend. Nach einer kleinen Diskussion gab er sich geschlagen, dafür musste ich ihm Versprechen, bis dahin noch zu schlafen. Zumindest versuchen wollte ich es.

Mein Blick glitt herab zu Newt. Er hatte sich mittlerweile auf die Seite gedreht und sein Gesicht zeigte in meine Richtung. Es war gut, dass er so gut schlafen konnte. Schlafen war immer noch die Beste Medizin für ihn. Es gab Situationen, da sah er wie ein Kind aus. So auch in diesem Augenblick. Jung und unschuldig. Zerbrechlich und verletzlich. In solchen Momenten spürte ich einen unglaublich großen Drang, ihn zu beschützen. Ich kannte sowas nicht von mir und es machte mir Angst. Brachte mich aus der Fassung. Man wurde unvorsichtig, wenn man sich um andere kümmert. Man verlor sein eigentliches Ziel aus den Augen. Man verlor sich selber dabei, wenn man nicht aufpasste. Ich wollte für niemanden Sorgen. Ich wollte niemanden an mich heranlassen. Ich wollte für mich alleine sein. Mich um niemanden kümmern müssen. Niemals. Und mit diesen Gedanken holte auch mich der Schlaf ein.

Wenige Stunden später wurde ich durch leises Stöhnen wach. Es war schon hell und die Sonne ließ uns ihre ganze Kraft spüren.

„Sorry. Ich wollte dich nicht wecken" murmelte Newt schuldbewusst und sah zu mir hoch.

„Kein Problem Strubbelkopf. Du hast Schmerzen, oder?" erkundigte ich mich und trank was.

„Ja... Das Hämatom am Rücken..." erwiderte er leise. Ich bat Paul darum, dass er anhielt.

"Ich schaue mir das an" meinte ich kühl zu ihm und half ihm beim Aufsetzen. Es blieb mir nicht verbogen, dass er sich dabei auf die Lippen biss. Als er mit dem Rücken zu mir saß, zog ich ihm die Jacke aus und schob sein Shirt nach oben. Sein Hämatom, was von dem Baseballschläger kommt, den er für Lucy einkassiert hatte, sah nicht gut aus. Es war mittlerweile dunkelrot-blau gefärbt und auch etwas geschwollen.

„Am besten, du beißt irgendwo drauf. Ich muss dich abtasten. Das wird wehtun" erklärte ich ihm. Tief atmete er durch, dann biss er in das rote Halstuch. Ich fing an seinem oberen Rücken an, ihn abzutasten. Weit weg von dem Hämatom. Vielleicht hat er sich bei der Flucht was an den Rippen zugezogen. Erst zum Schluss tastete ich vorsichtig das Hämatom ab. Scharf zog er die Luft ein und vergaß das Atmen.

„Deine Rippen scheinen nichts abbekommen zu haben. Das Hämatom breitet sich wahrscheinlich etwas aus und drückt die umliegenden Gewebsschichten zusammen. Das wird noch etliche Tage bis Wochen weh tun. Ich werde eine Arnikasalbe auftragen, diese ist schmerzlindernd und wirkt abschwellend" erklärte ich und suchte die Salbe heraus. Anschließend verrieb ich diese auf seiner Verletzung und zog sein Shirt wieder herunter.

„Dankeschön" hauchte er leise, nachdem er das Halstuch ausgespuckt hat. Vorsichtig lehnte er sich an den Sitz. Nickend sprang ich vom Jeep herunter und suchte zwei Decken raus. Mit Paul seiner Hilfe spannte ich diese über den offenen Jeep und band sie mit Seilen an den Stangen fest. Es würde nicht ewig halten, aber für die nächste Zeit würde es uns vor der Sonne schützen und etwas Schatten spenden. Das war hier draußen überlebenswichtig.

„Ich habe Hunger" meldete sich nun Lucy zu Wort. Paul reichte ihr selbstgebackenes Brot und gab auch uns anderen etwas davon. Sie zog zwar eine Schnute, weil es nur trockenes Brot gab, aber das war am verderblichsten und musste als erstes weg.

Nachdem wir uns gestärkt hatten, setzte sich Paul nach hinten zu Newt und ich fuhr nun. Es dauerte nur wenige Minuten, dann war Paul eingeschlafen. Ich sah zu den Bergen, die vor uns lagen. Sie wirkten hunderte Kilometer weit weg und egal, wie weit wir fuhren, es schien, als wenn diese sich immer weiter entfernten.

Ich sah auf die Tankanzeige. Sie war kurz über viertel voll. 3 Kanister standen hinten auf der kleinen Ladefläche mit insgesamt 60l Benzin. Mehr konnte ich in der kurzen Zeit nicht besorgen, sonst wäre es aufgefallen. Wenn nichts Ungeplantes dazwischenkommt, würden wir damit noch bis ungefähr morgen hinkommen. Könnten uns so einen sehr großen Vorsprung verschaffen. Sie wussten nicht, in welche Richtung sie suchen müssen. Hatten absolut keinen Anhaltspunkt, wo wir hinwollten. Und wenn wir Glück hatten, würde die Wüste unsere Spuren rechtzeitig verschwinden lassen.

„Ist es noch weit?" fragte Lucy mich.

„Siehst du die Berge dahinten? Dort wollen wir hin" erklärte ich ihr.

„Boah. Das ist ja noch voll weit" seufzte sie. Sie war es nicht gewohnt, dass sie so lange sitzen muss. Im Lagerhaus ist sie immer unterwegs gewesen. Wirklich stillsitzen kann sie glaube ich gar nicht.

„Das schaffen wir schon" versuchte ich sie aufzumuntern, doch ihr Blick verriet mir, dass es nicht klappte. Ich sah in den Rückspiegel zu Newt.

„Hast du eine ungefähre Ahnung, wo genau in den Bergen?"

„Nein... nicht wirklich" entschuldigte er sich.

„Klasse. Wir suchen sprichwörtlich eine Nadel im Heuhaufen" genervt sah ich wieder nach vorne.

„Sei nicht böse auf ihn. Er hat nichts gemacht" warf Lucy nun ein.

„Ich bin nicht böse" brummte ich vor mich hin.

„Du bist immer so genervt!" erklärte sie mir vorwurfsvoll.

„Halte dir die Ohren zu. Dann hörst du das nicht" wandte ich mich genervt an den kleinen Lockenkopf neben mir, bevor ich mich wieder auf die Wüste konzentrierte.

„Ich mag aber deine Stimme!"

„Warum?"

„Weiß nicht" zuckte sie mit den Achseln. „Sie beruhigt mich immer" versuchte sie sich zu erklären.

„Sie meint bestimmt, dass du eine angenehme Stimme hast. Beruhigend. Sicher. Aufmerksam. Ehrlich" mischte sich nun Newt von hinten mit ein.

„Ja! Wenn sie mir was vorsingt, dann kann ich mich weit wegträumen. Dorthin, wo es keine bösen Menschen gibt. Und dann kann ich schnell einschlafen" wandte sich Lucy an den hinter ihr sitzenden Strubbelkopf. Ich wollte nicht hören, was sie da für ein Scheiß über meine Stimme erzählten und schaltete ab. Versuchte sie zu ignorieren und hing meinen eigenen Gedanken nach.

Seit Stunden fuhr ich nun schon und die Berge schienen sich nach wie vor weiter zu entfernen. War es nur eine Fata Morgana? Gab es sie in Wirklichkeit gar nicht? Fuhren wir einer Illusion hinterher? Einem Traum? Dann würde ich ausflippen. Mein einziger Anhaltspunkt auf seine Freunde waren die Berge. Die beschissenen Berge, die vor uns davon zu rennen schienen. Weiter und weiter weg. Als wollten sie uns nicht haben. Als wollten sie uns keinen Schutz bieten.

Mittlerweile musste es früher Abend sein, wenn ich nach dem Stand der Sonne ging. Ich war müde und erschöpft. Ausgelaugt. Die Hitze machte uns zu schaffen. Die Klamotten klebten an unseren Körpern fest. 

Die Lichter in der Dunkelheit (Maze Runner, Newt FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt