Kapitel 32

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Die restliche Nacht verlief ruhig. Ich schlief durch. Er schlief durch. Er wurde nicht wach, weil er fror und er hatte, zumindest offensichtlich, keinen Alptraum. Vielleicht hatte er dies dem Umstand zu verdanken, dass er durch den langen Fußmarsch in der heißen Wüste völlig erschöpft war. Anders konnte ich es mir nicht erklären.

Als ich wach wurde, brannte die Sonne schon heiß auf uns herab, obwohl sie noch nicht hoch am Himmel stand. In dem Schlafsack und unter den Decken war es heiß. Einfach nur heiß. Und der warme Körper, der dicht an mich gekuschelt lag und schlief, machte es nicht gerade angenehmer. Doch ich beschwerte mich nicht. Blieb ruhig liegen, um ihm noch ein paar Minuten Ruhe zu gönnen.

Ich ließ meinen Blick wandern. Lucy schien ebenfalls noch zu schlafen. Nur ein paar schwarze Locken schauten aus dem Schlafsack heraus. Ich wünschte, es wäre nicht mehr so weit, wie es aussieht. Das alles wollte ich ihr nicht antun. Ich wollte sie nur in Sicherheit wissen. Doch hier in dieser beschissenen Wüste war sie nicht in Sicherheit. Hier war sie in Gefahr. Die Hitze. Zu wenig Flüssigkeit. Die Anstrengung. Janson und ANGST. Der Boss und seine Männer. Sie würden uns mit Sicherheit suchen und jagen.

Mein Blick wanderte weiter zu Paul. Er war wach und erwiderte meinen Blick. Als ich sah, dass er etwas sagen wollte, kam ich ihm zuvor. Wollte jetzt nichts von gestern hören. Ich war immer noch wütend auf ihn. Wütend über das, was er gesagt hat. Wütend über das, was er von mir verlangt hat. Wütend über das, was er mir unterstellt hat.

„Wir sollten weiter" erklärte ich nur und wandte mich dem Strubbelkopf zu. Rüttelte ihn sachte, bis er verschlafen seine Augen öffnete. Den Blick auf seine unergründlich tiefbraunen Augen frei gab. Augen, die mich, unerklärlicherweise, fesselten. Mich förmlich in ihren Bann zogen. Ich durfte das nicht zulassen. „Wie geht es dir?" fragte ich stattdessen und strich ihm, unbewusst, ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht.

„Etwas besser. Durstig" erwiderte er leise und setzte sich langsam auf. Aus den Augenwinkeln vernahm ich Paul seine Augen, die immer größer wurden, als er sah, dass ich nur Unterwäsche anhatte. Schnell setzte ich mich auf und zog mir mein Top über. Anschließend zog ich mir etwas umständlich im Schlafsack meine Hose an.

„Hier. Trink was" befahl ich dem Strubbelkopf und reichte ihm das Wasser. Auch ich trank etwas, dann kramte ich Kekse aus dem Rucksack und ließ die Packung reihum wandern. Paul weckte Lucy und fing schon einmal an, alles zusammen zu packen, während ich dem Strubbelkopf verarztete und ihm beim Anziehen half. Nur kurz darauf waren wir schon wieder unterwegs. Unterwegs auf eine unbekannte Reise.

Die nächsten 2 Tage verliefen ziemlich gleich. Tagsüber liefen wir soweit uns unsere Füße und Kräfte trugen, nachts errichteten wir notdürftig ein kleines Lager und schliefen.

Paul lief mit Lucy vorne und ich mit dem Strubbelkopf hinterher. Stützte ihn, wann immer es nötig war. Und es kam immer öfter vor. Er war am Ende mit seinen Kräften und doch biss er die Zähne zusammen. Versuchte sich tapfer Schritt für Schritt vorwärts zu kämpfen. Versuchte mit uns Schritt zu halten, doch das klappte kaum noch. Er wurde immer langsamer. Sank immer wieder auf die Knie. Drohte immer wieder die Dünen herunterzurutschen. Mittlerweile stützte ich ihn durchgehend. Hielt ihn fest, damit er nicht stürzte. Es kostete mich sämtliche noch vorhandene Kraft, doch es war das einzige, was ich für ihn tun konnte. Paul blickte sich ständig nach uns um, lief langsamer, wenn er merkte, dass wir Probleme hatten, hinterherzukommen. Ich war ihm dankbar dafür, auch wenn ich mir das selber nur ungerne eingestand.

Wir hatten seit dem Streit kein Wort mehr miteinander geredet. Ich war weiterhin wütend auf ihn und ich würde nicht auf ihn zugehen. Da war ich Stur. Lucy schaute mich zwischendurch traurig an. Ich wusste, dass ihr die Stimmung nicht behagte, doch ich war nicht bereit, daran etwas zu ändern.

Lucy selbst lief soweit sie konnte. Manchmal trug Paul sie, dann ruhte sie sich etwas aus und schlief. Doch sobald sie wieder wach war, lief sie selber weiter. Vermutlich ist sie das tapferste vierjährige Mädchen, dass diese Welt zu bieten hat.

Mittlerweile wurde es Abend. Seit 3 Tagen wanderten wir nun schon durch die unendliche Wüste. Sand. Überall nur Sand. So weit das Auge reicht. Vorhin ist mir schon aufgefallen, dass das Wasser langsam knapp wird. Ich trank seitdem weniger. Lucy und Strubbelkopf brauchten es dringender als ich. Wenn wir es gut rationieren, kommen wir vielleicht noch 2 Tage damit hin. 2 Tage. Das war viel zu wenig. Bis dahin würden wir es niemals in die Berge schaffen. Es war ausweglos. Ich hatte uns in eine ausweglose Situation gebracht und ich konnte nichts dagegen tun. Ich hasste das Gefühl der Machtlosigkeit. Das Gefühl, nichts tun zu können. Das Gefühl, dass ich sie in den Tot trieb...

Vor uns lag eine größere Düne. Sie war höher als die meisten anderen. Es wird ein Kampf, diese hochzukommen, doch wir mussten es versuchen. Außen herumlaufen wäre ein sehr großer Umweg und würde uns vermutlich nur zu viel Zeit kosten. Strubbelkopf sein Blick wanderte die Düne hoch und dann zu mir. Die Erschöpfung war ihm deutlich anzusehen. Seine Haare klebten ihm im Gesicht. Schweiß ran an seinem Körper herab. Die dreckige Kleidung klebte an seinem Körper fest.

„Wir schaffen das" versuchte ich ihn aufzubauen und umgriff seine Hüfte fest, damit er mir beim Anstieg nicht entglitt. „Halte dich einfach gut fest" nickend hielt er sich an mir fest. Zusammen machten wir uns an den Anstieg. Immer wieder rutschten wir ein paar Meter herunter oder landeten auf unseren Knien. Doch wir hielten einander fest, so fest wir konnten.

Plötzlich tauchte vor uns ein großer Schatten auf. Erschrocken sah ich hoch und blickte in Paul seine schwarzen Augen. Ohne ein Wort zu sagen, stützte er Newt auf dessen freie Seite und zu dritt meisterten wir den Anstieg und den Abstieg auf der anderen Seite, wo Lucy unten auf uns wartete. Ich nickte Paul zum Dank zu. Erschöpft und keuchend ließen wir uns in den Sand fallen.

„Ich will nicht mehr weiter... Mir tut alles weh... Ich hasse es" jammerte Lucy leise und ich konnte sie sehr gut verstehen. Es gab keine Stelle in meinem Körper, die nicht schmerzte und brannte. Normalerweise würden wir jetzt noch weitergehen. Aber wir konnten alle nicht mehr.

„Wir errichten hier unser Lager" meinte Paul in diesem Moment und fing schon an. Ich rappelte mich auf und half ihm. Anschließend stärkten wir uns etwas und kuschelten uns in die Schlafsäcke. Mittlerweile teilten sich Paul und Lucy einen Schlafsack, um sich gegenseitig zu wärmen. Und Newt und ich teilten uns einen Schlafsack. Ich zog ihn wieder in meine Arme und es dauerte nur wenige Minuten, bis er eingeschlafen war. Die Erschöpfung hatte auch etwas Gutes. Er schlief durch. Keine quälenden Träume, die ihn aufschrecken ließen. Zumindest glaubte ich, dass es an der Erschöpfung lag. 

Die Lichter in der Dunkelheit (Maze Runner, Newt FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt