Kapitel 36

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„Um ihn ist es schlimmer bestellt. Er ist immer noch bewusstlos. Er hat Fieber und wir können uns nicht erklären, woher er es hat. Es ist reine Vorsichtsmaßnahme" erklärte nun Harriet und deutete auf die beiden Wachen.

„Vorsichtsmaßnahme? Wovor?" fragte ich etwas zu barsch.

„Wir haben ihn gescannt..." erwiderte sie ausweichend.

„Und weiter?" drängte ich.

„Er ist von ANGST. Es könnte sein, dass er nicht immun ist... Dass er krank wird. Dass er sich verwandelt" erklärte sie.

„Wieso nicht immun? Ich dachte, ANGST holt nur immune Kinder?" fragte ich und musste unmerklich schlucken. Ich bin automatisch davon ausgegangen, dass er immun ist.

„Nein. ANGST holt sich auch nicht immune Kinder. Damit sie die Unterschiede zwischen immunen und nicht immunen feststellen und untersuchen können" erklärte nun Vince und seine Stimme klang dabei bedrohlich tief.

„Ich will zu ihm!" erklärte ich mit Nachdruck und stand auf. Ging einfach in Richtung des Zeltes. Sie schienen mir nicht zu folgen. Allerdings könnten die Wachen mich noch aufhalten. Sie hatten Halbautomatikwaffen und erweckten nicht den Eindruck, als hätten sie damit Probleme, diese auch zu benutzen.

Ich lief geradewegs auf den Eingang des Zeltes zu. Doch die Wachen machten keine Anstalten, mich aufhalten zu wollen. Sie musterten mich eindringlich, doch ließen mich passieren. Tief atmete ich mehrmals durch. Was würde mich nun erwarten? Würde er sich wirklich in einen von ihnen verwandeln? In einen Crank?

Ich sah mich im Zelt um. Es standen nur 3 Liegen hier. 2 davon waren unbenutzt und auf der dritten konnte ich seine blonden Haare erkennen. Langsam ging ich auf ihn zu. Er war an den Händen und Füßen gefesselt. Hatte er in der Vergangenheit nicht schon genug gelitten? Mein Blick wanderte höher. Er sah unglaublich blass aus. Schweißperlen zierten seine Stirn. Seine Haare klebten ihm im Gesicht. Eine Infusion hing an seinem Arm. Irgendwie kam mir das Bild seltsam bekannt vor. Wie bei einem Déjà-vu. Nur dass es kein Déjà-vu war. Es war die Realität. Die brutale Realität. Wieder einmal kämpfte er um sein Leben. Wieder einmal war er gefesselt. Es war nicht fair. Er hatte wirklich schon genug durchgemacht.

Ich setzte mich neben der Liege auf einen Stuhl und sah ihn an. Er sah sonst völlig normal aus. Wie immer. Ich glaubte nicht, dass er nicht immun war. Er würde sich nicht verwandeln. Er würde keiner von ihnen werden. Niemals!

Ich zögerte keine Sekunde und befreite ihn von sämtlichen Fesseln. Suchte ein Waschlappen und machte diesen feucht. Erfrischte damit sein Gesicht, anschließend legte ich es ihm zum kühlen auf die Stirn. Ich war so unglaublich froh und erleichtert, dass es den dreien gut ging. Das sie lebten. Dass sie die beschissene Wüste überlebt haben. Nun musste nur noch der Strubbelkopf aufwachen und zu Kräften kommen. Endlich wieder gesund werden, damit wir seine Freunde finden konnten.

„Hey Strubbelkopf. Was machst du denn für Sachen? Hast du nicht langsam genug geschlafen? Du verpasst doch alles, wenn du faul hier herum liegst. Also los, mach die Augen auf. Ich bin in solchen Dingen nicht sehr geduldig und angepisst willst du mich sicher nicht erleben" drohte ich ihm, auch wenn ich wusste, dass es nichts bringen würde. Ich nahm seine Hand in meine und legte meinen Kopf daneben. Mir war so schlecht und mein Kopf dröhnte ohne Ende. Wurde immer schlimmer. Müde schloss ich meine Augen und hielt seine Hand dabei fest umschlossen. Hoffte, er würde meine Anwesenheit bemerken.

Als ich das nächste Mal wach wurde, waren meine Kopfschmerzen viel erträglicher. Nur noch ein leichtes Pochen spürte ich in meinen Schläfen, dafür tat mir alles andere weh. Mein Rücken und mein Nacken ganz besonders. Müde öffnete ich meine Augen und sah als erstes Hände, die sich einander hielten. Strubbelkopf! Ruckartig setzte ich mich auf, wovon mir schwindlig wurde. Doch Strubbelkopf seine Augen waren immer noch geschlossen.

„Du solltest keine ruckartigen Bewegungen machen. Dein Kreislauf ist dafür noch zu schwach" vernahm ich eine fremde, weibliche Stimme neben mir und wandte mich ihr zu. Eine Frau mittleren Alters lächelte mich an. Sie hatte braune Augen und mittellange braune Haare. Erweckte auf den ersten Blick einen sympathischen Eindruck. „Hey. Ich bin Mary. Ich habe euch versorgt, als ihr hier angekommen seid. Wie geht es dir?".

„Hey... Tamara... Geht so... Mir tut alles weh..." erklärte ich wahrheitsgemäß.

„Das ist kein Wunder. Du hast fast 24 Stunden sitzend neben ihm geschlafen. Ich hole dir eben was zu Essen und zu trinken" erklärte sie mir und war schon aus dem Zelt verschwunden. Ich konnte es kaum glauben. So lange soll ich geschlafen haben? Zumindest meinem Kopf ging es besser und auch mein Hals brannte nicht mehr so sehr, doch trocken war er immer noch. Dankend nahm ich das Tablett von ihr entgegen und ließ es mir schmecken.

„War er zwischenzeitlich wach?" essend deutete ich auf den Strubbelkopf. Mir fiel auf, dass keiner die Fesseln erneuert hat. War auch gut so. Das würde ich nicht zulassen. Er war nicht gefährlich.

„Ja, zweimal kurz für wenige Minuten. Bis gestern hätte ich gesagt, dass er es nicht schafft. Doch seit du bei ihm bist, geht es ihm stetig besser. Das Fieber sinkt langsam. Er schläft sehr viel ruhiger. Er bekommt langsam wieder Farbe und er kommt allmählich zu sich. Du scheinst ihm sehr gut zu tun. Das ist auch der Grund, warum ich dich nicht geweckt habe" erklärte sie mir und untersuchte ihn ausgiebig. Ich soll ihm guttun? Es soll ihm wegen meiner Anwesenheit besser gehen? Was für ein Schwachsinn. Zweifelnd beobachtete ich sie dabei.

„Du scheinst mir nicht zu glauben?"

„Nein! Warum auch?"

„Bewusstlose Menschen spüren im Unterbewusstsein, wenn Menschen, die sie mögen, bei ihnen sind. Ich glaube auch, dass sie es unbewusst mitbekommen, wenn wir mit ihnen reden. Manchmal reicht die bloße Anwesenheit schon aus, damit es jemandem besser geht" erklärte sie mir. Ich zuckte nur mit den Achseln und stellte das leere Tablett auf dem kleinen Nachttisch neben dem Feldbett ab.

Verstand sowieso nicht, warum ich hier bei ihm saß. Warum es mir so wichtig war, dass er wieder aufwacht. Warum es mir so wichtig war, dass es ihm gut geht. Er ist mir doch völlig egal. Er sollte mir völlig egal sein. Kannte ihn doch kaum. Hatte nicht wirklich viel mit ihm zu tun. Er war nur irgendjemand, der Zufall in mein Leben getreten ist und es bald wieder verlassen wird. Sobald wir seine Freunde gefunden haben. Sobald wir einen sicheren Ort für sie gefunden haben. Dann werden sich unsere Wege trennen. Dann werde ich einen anderen Weg einschlagen und gehen.

Die Lichter in der Dunkelheit (Maze Runner, Newt FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt