Kapitel 37

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Notgedrungen ließ ich mich etwas später von Mary untersuchen, doch mir schien nichts weiter zu fehlen. Nur das ich mich noch ein paar Tage schonen sollte. War vielleicht nicht die schlechteste Idee. War auf den Beinen noch ziemlich wackelig und froh, wenn ich sitzen konnte. Nachdem die Untersuchung abgeschlossen war, nahm ich wieder neben der Liege meinen Platz ein. Was sollte ich auch sonst tun?

„Ich habe gehört, dir geht es langsam wieder besser?" vernahm ich neben mir eine tiefe Stimme und nickte Vince lediglich zu. Er nahm sich einen Stuhl und setzte sich zu mir. Sah die gelösten Fesseln an, dann Newt und dann mich.

„Er stellt keine Gefahr da!" erklärte ich ihm knurrend. Ich würde nicht zulassen, dass er wieder gefesselt wird. Die Wachen vor dem Zelt waren schlimm genug. Ich habe ihn doch nicht aus dem letzten Loch herausgeholt, damit es hier von vorne losging.

„Ganz ruhig. Wir wollen euch nichts Böses. Es war wirklich nur eine Vorsichtsmaßnahme. Wenn du mir das sagst, dann glaube ich dir das" erwiderte er ganz ruhig. Zweifelnd sah ich ihn an. Wir kannten uns nicht. Warum sollte er mir glauben?

„Ihr erweckt alle nicht den Eindruck, als wenn ihr uns überfallen wolltet oder ähnliches. Es erweckt eher den Eindruck, als wenn ihr auf der Flucht wart. Wo kommt ihr her?" erkundigte er sich und sah mich aufmerksam an. Was sollte ich ihm jetzt erzählen? Die Wahrheit? Würde er uns dann an ANGST verraten? Heutzutage konnte man niemandem vertrauen. Mein Blick fiel auf Newt.

„Wir waren lediglich auf der Durchreise" erklärte ich mit fester Stimme. Wer weiß, was Paul und Lucy ihm oder den anderen erzählt hatten.

„Hattet ihr ein bestimmtes Ziel?"

„Nun... Wir suchen jemanden"

„Eure Suche werdet ihr erst einmal pausieren müssen. Es wird eine Weile dauern, bis er wieder fit ist. Sollte er aufwachen" grübelte er.

„Er wird aufwachen!" erklärte ich mehr als deutlich. Ich hatte nicht den geringsten Zweifel daran. Zu oft hatte er mir in den letzten 4 Wochen, seit wir ihn gefunden hatten, seinen Überlebenswillen gezeigt. Sein Kampfwille war unendlich groß. Größer, als ich es bisher bei irgendjemand anderem gesehen hatte. Irgendwie imponierte mir das.

„Bestimmt... Was habt ihr mit ANGST zu tun? Wir haben euch alle vier gescannt, doch nur er kommt von ANGST. Es gab in letzter Zeit vermehrt Gerüchte, dass einigen Jugendlichen die Flucht von dort gelungen ist. Kannst du mir mehr darüber sagen?" fragend sah er mich an.

„Die Gerüchte habe ich auch gehört. Wer seid ihr? Warum lebt ihr hier in den Bergen? Ist doch sicherlich nicht der sicherste Ort" drehte ich nun den Spieß um und stellte ihm Fragen. Vielleicht war er von ANGST. Er stellte mir eindeutig zu viele Fragen und so ganz geheuer war mir das nicht. Mary stellte sich nun zu Vince. Kurz wechselten sie einen Blick miteinander, dann sahen beide mich an.

„Hast du je was vom „Rechten Arm" gehört?" erkundigte sich Mary bei mir und ich schüttelte den Kopf. „Ich habe früher als Ärztin für ANGST gearbeitet. Bis ich realisiert habe, was sie dort tun. Was sie anrichten. Was sie Kindern antun. Ich habe mich abgesetzt und bin seitdem hier. Unterstütze Vince bei seiner Arbeit gegen ANGST. Natürlich wollen wir auch, dass ein Heilmittel gefunden wird. Doch nicht so. Nicht auf diese brutale Art und Weise. ANGST muss gestoppt werden. Ava Paige und Janson müssen gestoppt werden. Und dafür wollen wir sorgen".

„Sorry, aber das klingt verdammt unrealistisch. Ihr seid doch viel zu wenig, um so einen großen Konzern wie ANGST zu Fall zu bringen" erwiderte ich skeptisch.

„Wir sind nicht die einzigen. Wir haben Mitglieder in allein verbliebenen Städten. Haben Verbündete, die uns in diesem Kampf unterstützen. Wir haben Jugendliche hier, denen die Flucht gelungen ist. Harriet und Sonya. Beide waren in einem der Labyrinthe, wo sie jahrelang eingesperrt und beobachtet wurden. Ihnen Qualen und Schmerzen zugefügt wurden, um ihre Gehirne zu untersuchen. Sie sind hier. Sie haben sich dem Kampf angeschlossen und es werden mehr folgen" erklärte nun Vince. Von diesen Labyrinthen hatte Paul mir schon erzählt. Und der Strubbelkopf hatte Lucy gegenüber auch etwas davon erwähnt. Ob sie zusammen in einem Labyrinth waren? Ob sie sich kannten?

Plötzlich kehrte draußen Unruhe ein und Vince und Mary verließen schnell das Zelt, um nach dem Rechten zu sehen. Ich blieb beim Strubbelkopf und strich ihm ein paar Haarsträhnen aus seiner Stirn. Vielleicht waren wir seinen Freunden ja näher, als wir dachten? Seine Augenlider fingen zu zucken an und blinzelnd öffnete er leise stöhnend seine Augen. Hektisch sah er sich um.

„Hey Strubbelkopf. Ganz ruhig. Es ist alles gut. Ich bin hier. Nicht aufregen. Das Spiel kennst du doch schon" versuchte ich ihn zu beruhigen und er sah mich an. Unbewusst lächelte ich ihn leicht an. Augenblicklich wurde er etwas ruhiger. „Wie geht es dir? Hast du Schmerzen?" erkundigte ich mich und hielt ihm ein Glas Wasser hin. Stützte seinen Kopf am Nacken. Gierig trank er das Glas leer. Verschluckte sich mehrmals und musste heftig Husten. „Ganz langsam. Es ist genug da". Nickend ließ er sich nach hinten fallen, als das Glas leer war und schaute sich im Zelt um. Ich erzählte ihm, was passiert war und was Vince und Mary mir eben erzählt hatten.

„Die Namen sagen mir nichts... Wir waren nur Jungs im Labyrinth, mit Ausnahme von Teresa. Sie war das einzige Mädchen und kam als letzte zu uns" erzählte er sehr langsam und stockend. Deutlich konnte ich die Enttäuschung in seiner Stimme erkennen. Das wäre ja auch zu schön gewesen.

„Gib die Hoffnung nicht auf. Wir werden sie finden. Aber nun musst du dich auf dich konzentrieren. Du musst wieder zu Kräften kommen und dich schonen. Das Spiel kennst du ja nun auch schon zur Genüge" grinste ich ihn schief an und entlockte so auch ihm ein kurzes Grinsen.

„Bleibst du bei mir...Tammy...?" hauchte er leise, fast tonlos und sah mich bittend an. Unmerklich musste ich schlucken. Wieder nannte er mich Tammy. Seine Augen. Unergründlich tief und dunkel war das Braun darin. Fesselnd und anziehend. Zu einer Antwort war ich nicht fähig. So nickte ich lediglich und rutschte mit meinem Stuhl etwas näher an das Feldbett heran. „Danke..." hauchte er leise und nahm einfach meine Hand in seine. Nur wenige Augenblicke später waren seine Augen wieder geschlossen. Doch er war nicht mehr bewusstlos. Er schlief. Er schlief sich gesund. Und das war gut.

Die Lichter in der Dunkelheit (Maze Runner, Newt FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt