Kapitel 69

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Nun hieß es, warten. Warten auf etwas, dass hoffentlich bald geschehen würde. Warten auf Besserung seines Zustandes. Warten auf eine ungewisse Zukunft. Warten auf etwas, dass vielleicht nie passieren wird.

Ich löste mich von Gally und setzte mich neben Thomas aufs Bett, strich dem Strubbelkopf ein paar verirrte Haarsträhnen aus dem Gesicht. Die anderen ließen uns alleine, doch ich hatte nur Augen für Newt. Betrachtete ihn mir Argusaugen. Nichts wollte ich mir entgehen lassen, sollte irgendwas passieren.

„Was glaubst du, wie lange das dauern kann...?" fragte mich Thomas leise, doch ich zuckte nur mit den Achseln. Es könnte Stunden dauern. Tage oder sogar Wochen. Niemand wusste das. Niemand konnte uns da Auskunft geben. Niemand konnte uns da helfen.

Die Stunden zogen ins Land, doch es tat sich gar nichts. Unermüdlich strich ich ihm durch seine Haare, während Thomas seine Hand hielt. Die anderen hatten sich in der Zwischenzeit zu uns gesellt und uns mit Essen versorgt.

„Halte durch Strubbelkopf! Kämpfe! Ich weiß, dass du das schaffst!" flüsterte ich ihm immer wieder leise zu und lehnte meine Stirn an seine, während weitere Stunden ins Land zogen.

*Perspektivenwechsel*

Mein Licht. Es war so wunderschön. Schöner als alles, was ich bisher gesehen habe. Naja, fast alles. Nichts kommt an sie heran. Die Dunkelheit verzog sich langsam und machte dem warmen Licht immer mehr Platz.

Doch je mehr die Dunkelheit verschwand, umso stärker spürte ich etwas anderes. Schmerzen. Unerträgliche Schmerzen. Wie tausende Nadelstiche in meinem gesamten Körper fühlte es sich an. Als ob etwas meinen Körper in Millionen Stücke zerriss. Fühlte sich so sterben an? Anders konnte ich mir die Schmerzen nicht erklären. Sie brachten mich sprichwörtlich um. Der Tot selber konnte nicht schlimmer sein. Ich wollte schreien. Ich versuchte zu schreien. Doch kein Ton kam über meine Lippen. Kein Laut verließ meine Kehle.

„Halte durch Strubbelkopf" Kämpfe! Ich weiß, dass du das schaffst!" leise hallten die Worte in meinem Kopf. Nur schwer zu verstehen. Die Schmerzen übertönten alles andere, doch ich versuchte mich auf diese engelsgleiche Stimme zu konzentrieren. Auf dieses wunderschöne Mädchen, der die Stimme gehörte. Mir schien es, als wenn ich ihre Hände spüren konnte. Sanfte Hände, die mich liebevoll streichelten. Oder bildete ich es mir nur ein?

*Perspektivenwechsel*

Er kämpft. Ich konnte es fühlen. Er kämpft. Ich konnte es spüren. Er kämpft. Mittlerweile sah man es ihm an. Sein Gesicht glühte förmlich, doch Fieber hatte er keines. Immer wieder zierten feine, glänzende Scheißperlen sein Gesicht. Unermüdlich wischte ich ihm diese mit einem feuchten Tuch ab und kühlte zugleich seine Stirn.

Unruhig wälzt er sich hin und her. So unruhig und heftig, dass wir ihn immer wieder festhalten mussten, damit er sich nicht zusätzlich verletzte.

Manchmal nuschelte er unverständliches Zeug vor sich hin. So undeutlich, dass es niemand verstand. Auf nachfragen unserseits bekamen wir keine Antwort. Mussten geduldig abwarten, doch das war leichter gesagt, als getan. Immer wieder schlichen sich Zweifel in unsere Gedanken, ob wir das richtige getan hatten. Doch ich versuchte mit aller Macht diese Gedanken zu verdrängen. Ich wollte glauben. Ich musste glauben, dass er es schafft. Ich betete innerlich. Flehte Gott um sein Leben an. Redete dem blonden die ganze Zeit gut zu. Das er kämpfen muss. Das er durchhalten muss. Das er es schaffen wird. Das wir alle hier sind. Das wir hier sind, wenn er seine Augen aufschlägt.

„Bin gleich wieder da" erklärte ich leise und verließ den Raum. Ging den langen Flur entlang und verließ die Baracke. Es wurde schon wieder hell, stellte ich gerade fest. Mehrmals atmete ich tief die frische Luft in meine Lungen, versuchte so die Müdigkeit zu vertreiben. Ich könnte schlafen gehen, doch vermutlich würde ich eh kein Auge zubekommen. Ich zündete mir eine Kippe an und blies den Qualm gegen Himmel. Lehnte mich an die Hauswand und schaute in den Himmel hinauf.

„Warst du bei der Hauptzentrale mit bei? Wo Gally uns aufgelesen hat?" wurde ich da von Thomas aus meinen Gedanken gerissen. Er schien mir gefolgt zu sein.

„Ja..."

„Warum hast du dich da nicht zu erkennen gegeben?"

„Das ist eine gute Frage. Ich war ehrlich geschockt, als ihr vor mir gestanden habt. Ich dachte die ganze Zeit, ihr wärt in Sicherheit. Ich dachte, es geht euch gut, dort wo ihr seid. Ich dachte, ich würde ihn nie wiedersehen..." erklärte ich leise.

„Wir waren in Sicherheit. Alles andere soll dir Newt selber erzählen" erwiderte er und lehnte sich ebenfalls an die Hauswand. „Was hast du mit Gally zu schaffen?".

„Was meinst du?"

„Ihr scheint euch gut zu verstehen" seine Stimme verdunkelte sich etwas und deutlich konnte ich heraushören, dass er Gally nicht mochte. Das es ihm nicht passte.

„Wir waren zusammen beim rechten Arm und mit der Zeit sind wir sehr gute Freunde geworden" erklärte ich ihm.

„Freunde? Mit Gally?" fragte er ungläubig nach.

„Ja! Hast du ein Problem damit? Dann sag es!" fauchte ich ihn an. Hatte keine Lust auf Streit oder Diskussion. Erschlagen hob er abwehrend die Hände, doch ich ließ ihn einfach stehen. Ging wieder hinein zu den anderen. Minho und Bratpfanne saßen nun bei Newt auf dem Bett und passten auf ihn auf. Gally saß auf dem Bett und lehnte sich an die Wand hinter sich. Ich setzte mich auf seinen Schoß und kuschelte mich an ihn. Er legte seine Arme um mich und drückte mich sanft an sich. Hielt mich einfach fest und brachte mir damit meine innere Ruhe zurück. Kraft und Hoffnung, die ich so dringend brauchte.

„Alles gut Engel?" flüsterte er leise an meinem Ohr, während Thomas wieder zu uns stieß. Mir einen Blick zuwarf, den ich nicht deuten konnte und sich dann auf einen Stuhl niederließ.

„Jetzt ja... Warum kann Thomas dich nicht leiden? Woher kennt ihr euch?" fragte ich genauso leise zurück, damit niemand uns hören konnte. Augenblicklich spannte er sich an und wirkte mit einmal weit weg.

„Ich... Können wir bitte das Thema lassen..." seltsam bedrückt klang seine Stimme.

„Okay"

„Verstehe mich nicht falsch. Ich werde es dir erzählen. Doch nicht heute... Nicht morgen..." traurig sah er mich an und ich glaubte, in seinem Blick Angst zu erkennen. Angst vor mir? Angst vor meiner Reaktion?

„Das ist okay, Grünauge. Ich bin da. Immer!" hauchte ich ihm lächelnd zu und drückte ihm einen sanften Kuss auf seine Stirn. Dann legte ich meinen Kopf auf seine Schulter und sah zu Newt herüber. Für den Moment lag er ruhig im Bett, doch wer weiß, wie lange das so bleiben würde. Gally deckte uns etwas zu und während er sanft meinen Rücken entlang strich, fielen mir irgendwann erschöpft meine Augen zu. 

Die Lichter in der Dunkelheit (Maze Runner, Newt FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt