Ich glaube, so gerädert wie an diesem Morgen, fühlte ich mich noch nie. Seufzend stand ich vor dem Spiegel im Bad, entfernte die Schminkreste von gestern aus meinem Gesicht und versuchte irgendwie meine halb verfilzten Haare zu kämmen. Mein Antlitz glich irgendwie einer Vogelscheuche. "Boah, Bella fühlst du dich auch so beschissen?" ertönte Ann-Kathrins raue Stimme aus dem Hörer, während ich meine Zähne putzte: "Ja, mega" grummelte ich. Daraufhin spuckte ich die Zahnpasta aus und setzte ich auf die Kante unserer Eckbadewanne. "Gestern hat Marco immer voll niedlich zu dir rüber geschielt, als du auf dem Beifahrersitz eingeschlafen bist." fing sie plötzlich an. "Ne Ann, nicht jetzt bitte." flehte ich und rieb mir die Schläfen. Für dieses Thema dröhnte mein Schädel eindeutig zu sehr. "Wollte es nur angemerkt haben. Hat er dich gestern ins Bett getragen?","Bist du bescheuert? Zum Glück nicht! Er hat mich aber netterweise rein gebracht." gab ich dann doch zu. "Mario ruft mich, der will Frühstücken. Gut, dass du heute frei hast. Nimm ne Aspirin hat mir auch geholfen. Ich melde mich später!","Stimmt, danke mache ich! Dann bis später.".
"Hast du dich gestern Abend noch übergeben?" fragte mich Mats am Frühstückstisch nach einer für mich ehr angenehmen Stille. Eigentlich war es auch schon nach 16 Uhr. Meine Eltern waren schon den ganzen Tag unterwegs und klapperten irgendwelche Möbelhäuser ab. Ich runzelte meine Stirn bei dieser unsensiblen Frage: "Mats ich esse gerade!". Er musste Grinsen: "Ich wusste gar nicht, dass du so eine Partymaus sein kannst.","Tja, du warst ja auch noch nie mit mir feiern und natürlich habe ich nicht gekotzt, ich trinke mit Stil.","Jaja und eben drum, war mal ganz spannend.". Ich lächelte und beschloss doch wieder in mein Brötchen zu beißen. Wie jeden Morgen befand sich dort einiges an Nutella drauf. Genauso wie ich es liebte. "Wie kannst du bitte bei so viel Nutella, so schlank sein.". Ich zuckte mit den Achseln. Er war ja schon wie meine Mutter. Sie ekelte mein Nutellafetisch auch schon an. Mein Gewicht war noch nie etwas worüber ich mir sorgen machen musste. Ich hatte schon immer gerne Sport in meinem Leben gemacht und ging auch noch jetzt regelmäßig mit meiner Mutter laufen. Auch wenn, ein Brötchen mit Nutella musste man sich doch mal gönnen können oder? "Spielst du noch Fußball?","Hab nach meinem Abitur aufgehört.","Wieso?". Schon wieder zuckte ich mit den Schultern. Über dieses Thema wollte ich am liebsten nie wieder reden. Zumal ich glücklicherweise durch den plötzlichen Druck meiner Eltern doch noch irgendwie die Kurve kriegte. Seitdem fühlte sich mein Leben ganz anders an, so viel Freude am Leben und Spaß wie in den letzten Wochen hatte ich noch nie. Ich hatte das Gefühl, mein Leben würde erst jetzt richtig losgehen und dafür war ich mehr als bereit. "Mats, ich finde dass wir uns wieder vertragen sollten." sagte ich plötzlich entschlossen. Die Erinnerung an den Abschluss dieser Zeit schlich sich wieder in meine Gedanken ein, genauso wie das Gespräch zwischen Ann-Kathrin und mir vor wenigen Tagen. Mats guckte mich verdattert an: "Jetzt echt?" seine Augen strahlten und er begann zu grinsen. "Ja schließlich kann ich es nicht länger verantworten, dass deine Frau mit Ludwig noch länger zuhause alleine sitzt." scherzte ich. Diese Angewohnheit hatte ich schon immer. "Endlich!" strahlte Mats und stand auf um mich zu umarmen. Mit meiner rechten Hand tätschelte ich seinen Rücken. "Ist schon gut." lachte ich. Erleichterung machte sich in mir breit.
Danach entschied ich mich, doch nochmal nach Brackel zu fahren. Der Alkohol müsste inzwischen doch abgebaut sein, oder?
Nachdem ich mir also eine Dusche genehmigte, zog ich mir eine graue Jeans an mit einem großen lockeren weißen Strickpullover und schlüpfte unten vor der Garderobe in meine weißen Chucks. "Diese Kombi werde ich nie verstehen." lachte Mats amüsiert. "Musst du ja nicht tragen." konterte ich gelassen. "Du, ich fahre nochmal kurz nach Brackel.","Aber mit dem Bus, oder?","Ne, das dauert ja Jahre. Ich nehme mein Auto, wieso auch nicht?" fragte ich irritiert. "Nicht dein Ernst oder? Mit Restalkohol zu fahren ist nicht nur gefährlich, sondern auch dumm.","Quatsch, es ist doch alles wieder paletti. Keine Sorge, Papi." lachte ich ihn aus und knuffte seine Wange, bevor ich durch die Haustür verschwand und Mats kopfschüttelnd die Tür hinter mir schloss.Ohne, dass ich mir großartige Gedanken machte stieg ich in mein Auto und nahm die gute halbe Stunde auf mich. Ein paar Kilometer, bevor ich abbiegen musste, bemerkte ich ein Polizeiauto hinter mir und musste an Mats Worte denken. Prüfend schaute ich auf meinen Tacho, um mich zu vergewissern, dass meine Geschwindigkeit passend war. Nervös wanderte mein Blick immer wieder in den Rückspiegel. Ich betete in diesem Moment nur, dass die Polizei mich nicht anhalten würde. Wäre ein Eintrag wegen Alkohol am Steuer wohl schlimm für meinen Studienplatz? Ich schüttelte den Kopf. Natürlich wäre er das. Mit meiner rechten Hand angelte ich vorsichtshalber ein Kaugummi aus meiner Handtasche und stopfte mir es direkt in den Mund. Wie dem auch sei, natürlich musste ich rechts heran fahren und anhalten. "Guten Tag, allgemeine Verkehrskontrolle. Ich bräuchte bitte einmal ihren Führerschein und die Fahrzeugpapiere bitte." ertönte die Stimme eines Beamten, nachdem ich meine Scheibe herunterfuhr. Ich nickte, kramte die Sachen heraus und versuchte mir nichts anmerken zu lassen. In diesem Moment wurde mir ganz heiß. "Frau Dietrich, richtig?" lächelte der Polizist während er meine Papiere kontrollierte. "Ja." antwortete ich nervös, mit einem aufgesetzten Lächeln. "Gut, alles ist in Ordnung. Sie sollten aber möglichst bald ihre Reifen wechseln. Der Winter kommt schneller als man denkt.". Erleichtert atmete ich auf, nahm meine Papiere wieder an, bedankte und verabschiedete mich und fuhr danach schnell auf das Trainingsgelände. "Alter Falter." murmelte ich als ich das Auto vom weitem abschloss. Das wird mir wohl für immer eine Lehre bleiben. Noch nie hatte ich hier jemals die Polizei Streife fahren sehen und ausgerechnet heute musste es passieren. Drinnen machte ich mir zur Beruhigung einen Tee und nahm diesen mit hoch in mein Büro.
Erst nachdem ich meinen Laptop startete bemerkte ich den Blumenstrauß in einer Vase auf meinem Schreibtisch. Verziert war er mit einer kleinen Karte auf der "Herzlich Willkommen :)" drauf stand. Ein wenig verwundert begann ich zu grübeln. Wer könnte mir sowas denn schenken? Watzke oder Nobby würden wohl kaum einen Smiley hinter die Nachricht schreiben. Ich beschloss einfach morgen, sobald alle wieder da sein würden, nachzuforschen wer mein heimlicher Willkomensheißer war. Schließlich war ich ja gut erzogen und musste mich dafür bedanken.
Nach einer Stunde hörte ich Türen knallen im Gebäude und machte mich auf den Weg nach unten. Neugierig schob ich meinen Kopf durch die Tür des Raums, indem Fitnessanalysen einiger Spieler gemacht wurden. Als ich wider erwarten nicht Helmut im Raum vorfand, sondern Marco rutschte mein Herz in die Hose. Das konnte doch nicht wahr sein. Immer musste ich ihn treffen. Ich machte ein paar Schritte vorwärts durch die Tür. Nicht, dass es ohnehin schon peinlich war, dass ich mir in diesem Moment ausdenken musste was ich sagen könnte um Schadensbegrenzung zu betreiben, nein Marco musste sich auch während er Fahrrad fuhr oberkörperfrei und angeschlossen an einer Maschine dort die Beine abstrampeln. Ich erinnerte mich an seine Worte vor ein paar Wochen. Er wäre nicht dünn, sondern muskulös. Ich biss mir auf die Unterlippe. Zugegeben dünn war er schon, aber trotzdem muskulös und sah in diesem Moment nicht gerade schlecht aus. Seine verschwitzten Haare fielen ihm ins Gesicht und durch seine Kopfhörer dröhnte laute Musik, welche ich zweifellos als Deutschrap identifizieren konnte. Ein kleines Lächeln huschte mir über die Lippen. Gerade als ich einfach wieder gehen wollte, fiel die Tür ins Schloss und Marco zuckte zusammen: "Bella? Du hier? Es ist doch Feiertag." fragte er plötzlich irritiert und holte die Ohrstöpsel derweil aus seinen Ohren. "Ja, die Arbeit schläft nicht." log ich. Schließlich konnte ich jetzt doch unmöglich zugeben, dass ich seit neustem immer akute Langeweile verspürte, sobald ich alleine war. Für ihn schien es kein Problem darzustellen, dass er halbnackt gegenüber von mir stand. "Seit wann darfst du deinen Fuß belasten","Seit heute. Helmut hat mich angerufen. Ab morgen darf ich vielleicht schon wieder mit trainieren." strahlte Marco und zog sich einen Pullover über den Kopf. Danach grinste er mich verschmitzt an. Was sollte das denn? Sollte ich es jetzt schade finden, dass ich mir seinen gut aussehenden, durchtrainierten Körper nicht mehr anschauen konnte? "Hört sich gut an. Ich muss dann auch mal wieder-","Warte Bella, bist du etwa mit dem Auto?","Ja, wieso?" fragte ich scheinheilig. "Das kannst du dir wohl denken. Dein Verhalten ist absolut fahrlässig.","Gründe doch zusammen mit Mats einen wir-erziehen-Isabella-Verband, er hat nämlich das gleiche gesagt." schmunzelte ich. Den Vorfall mit der Polizei verschwieg ich. Marco schüttelte lächelnd den Kopf. Als ich schon beinahe den Raum verlassen hatte, drehte ich mich nochmal um: "Marco, du solltest nicht solche vorbildlichen Töne spucken. Du bist fast Vorbestraft wegen fahrlässigen Verhaltens." lachte ich laut. Er stimmte mit ein: "Obwohl du wohl recht hast, du bist ganz schön fies!","Kennst mich ja. So, viel Spaß du alter Knacker. Ich düse jetzt ab." lachte ich und winkte. "Hä?","Weißt du das denn nicht? Klar, deine Verletzungen sind auch ein Grund für die Fitnessanalyse, aber in den Unterlagen steht die werden ab Anfang 30 regelmäßig gemacht." erklärte ich kichernd, zwinkerte ihm zu und dampfte schnell ab.
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Optimist
FanfictionNachdem die heute 20 jährige Dortmunderin Isabella ihre Schule beendete, fiel sie für einige Zeit in ein tiefes Loch. Sie war umgeben von schlechten Gedanken, Stress und Kummer. Ihre Eltern konnten diesen Zustand nicht mehr unterstützen und so gerie...