Kapitel 51

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"Und was hast du jetzt vor?" fragte ich meinen Cousin während ich mir mein Frühstücksmüsli Löffel für Löffel in den Mund stopfte. Er schaute von seiner Zeitung auf und warf mir einen kritischen Blick zu: "Keine Ahnung" seufzte er: "Paartherapie?","Paartherapie?" prustete ich schockiert, beinahe wäre mein Müsli über den ganzen Tisch verteilt gewesen. Ein wenig angeekelt schaute Mats mich an, die Milch triefte sogar aus meiner Nase. Er zog kritisch eine seiner Augenbrauen hoch: "Musst du nicht langsam mal nach Brackel?" fragte er. "Willst du mich los werden?" erwiderte ich irritiert, während ich zur Spüle lief um mein Gesicht zu säubern. "Vielleicht" schmunzelte er. Ich schüttelte grinsend meinen Kopf: "Ne ich will noch nicht dahin, sonst muss ich noch das Biest bei seinem heiligen Einzeltraining beobachten.","Ihr bräuchtet mal eine Paartherapie, ihr redet seit eurer Auseinandersetzung ja kaum noch miteinander.","Er hat gesagt ich soll mich aus seinem Leben heraushalten und genau das mache ich jetzt auch." murmelte ich achselzuckend und widmete mich wieder meinem leckeren Müsli. "So harsch hat er es nicht formuliert, er hat gesagt du sollst dich aus seinem Training heraushalten.","Mats, sein Leben besteht aber nur noch aus Training." konterte ich Augen verdrehend. Er nickte: "Du hast ja recht, aber...","Aber was? Jetzt sag nicht ich soll ihn unterstützen genau das habe ich die ganze Zeit gemacht und so wurde mir letztendlich gedankt. Ne, auf den kann ich gerade echt verzichten. Aber sag mal, was erhoffst du dir denn von deiner tollen Paartherapie?","Ich weiß nicht genau. Vielleicht, dass wir herausfinden warum sie mich betrogen hat? Das macht man doch nicht einfach so.","Du veräppelst mich doch oder?" fragte ich verblüfft. So kannte ich meinen selbstbewussten Cousin gar nicht. "Nein, wieso auch?" antwortete er mit gerunzelter Stirn. "Schätzchen, du hast zwar nie ganz deine Schule beendet aber so viel Grips in der Birne hätte ich dir wohl zugetraut. An dem Ganzen bist nicht du Schuld! Cathy ist einfach hinterhältig, wer weiß wie oft sie es mittlerweile mit dem Kerl getrieben hat, seit dem du hier bist oder auch schon davor! Und du bist bei uns und weinst dir wie ein Schlosshund die Augen aus." stellte ich ernst und voller Aufregung klar. Mats' trauriger Blick darauf brachte mich auf den Boden der Tatsachen zurück. Mein Blick wurde sanfter, ich stand von meinem Stuhl auf und umarmte meinem herzzerreißend süßen Cousin von hinten in dem ich meine Arme um seine starken Schultern schlang: "Tut mir leid, aber das musste raus. Du bist stark und viel zu toll für sie. Du trägst keine Schuld und du bist auch um Gotteswillen kein Versager. Mach das richtige und trenn dich von ihr. Auch wenn du dafür noch Zeit brauchst, du bist hier immer willkommen. Ludwig natürlich auch." riet ich ihm und gab ihm einen liebevollen Kuss auf die Wange. "Und du verträgst dich spätestens heute Abend mit Marco!" hörte ich ihn hinter mir her rufen, während ich die Haustür zu zog. Wenn das bloß so einfach wäre, dachte ich mir. Es hatte ja niemand etwas falsch gemacht. Wir beide waren bloß wie immer stur und ich würde ganz sicher nicht als erstes bei ihm ankommen. Auch wenn er übermorgen Geburtstag hat.

"Bella warte mal!" hörte ich in Brackel plötzlich hysterisch hinter mir. "Ja?" fragte ich irritiert. Helmut holte mich in schnellen Schritten ein. "Wenn es um Marco geht dann wende dich bitte direkt an ihn, ich bin keine Vermittlung und soll mich aus seinem Training heraushalten, hat er mir gesagt." griff ich vorweg. Zumindest dachte ich, dass der Kollege meines Vaters darüber mit mir reden wollte. Das ich damit mehr als nur falsch lag, konnte ich ja schlecht wissen. "Darum geht es nicht!" sagte er außer Atem und schüttelte verneinend mit seinen Händen. Meine Stirn runzelte sich bereits von alleine, als ich darüber nachdachte was er mir sonst sagen wollte. Hatte ich irgendeinen Termin vergessen? Irgendetwas falsch gemacht? Sollte ich Nobby suchen? Oder zu Zorc? "Was ist denn los?" fragte ich vorsichtig und schluckte ordentlich. Ich wurde das Gefühl nicht los, dass mich bereits etwas schlimmeres erwarten würde als ich dachte. Helmuts Blick war einfach mehr als durchschaubar in diesem Moment. "Dein Vater liegt im Krankenhaus er ist vor einer knappen Stunde vor Schwäche umgekippt. Ich hatte schon seit ein paar Wochen das Gefühl, dass es ihm nicht geht. Ich denke, das solltest du wissen. Schließlich standet ihr euch eigentlich immer sehr nahe. Einer von euch muss langsam aber sicher seinen Schweinehund überwinden. Sonst bereust du es vielleicht irgendwann weil es zu spät ist." Bei seinen Worten begann es heftig in meinem Magen vor Sorgen zu ziehen und stechen. Was hatte mein Vater denn nur? Ich konnte bloß nicken, da rannten meine Füße schon wie von selbst los in die Richtung der Sportplätze. Als ich dort ankam, ging ich außer Atem in die Hocke und stützte mich mit meinen Händen auf meinen Knien ab. Vor lauter Sorge wurde mir Speiübel - ich übergab mich plötzlich vor der ganzen Mannschaft plus Personal am Spielfeldrand. Ich machte mir mehr als nur Gedanken, ich bekam derbe Schuldgefühle und hatte Angst es sei etwas richtig schlimmes. Wie war das? Ich hatte genug von Streit, Angst, Krankenhäuser, Trauer? Ich hatte das Gefühl, mir wurde nun doch alles zu viel. War es vielleicht schon zu spät, um mit meinem Vater alles zu klären?
"Oh Gott Bella, was ist denn los?" fragte Mario mich besorgt, der schon bevor ich mich übergeben musste auf mich zu gerannt kam. Fürsorglich streichelte er meinen Rücken: "Diesen Blick kurz vor Dammbruch habe ich bei Ann-Kathrin die letzten 6 Monate schon miterleben müssen, genauso wie das Erbrechen, also mach dir nichts draus und tue dir bloß keinen Zwang an." flüsterte er leise während er meinen Rücken weiterhin tätschelte. Wie auf Ansage musste ich mich ein weiteres Mal übergeben. "Wo ist Marco?" fragte ich danach schwach. Mein ganzer Körper zitterte extrem, das Zwicken hörte jedoch glücklicherweise langsam aber sicher auf. Ich traute mich gar nicht, aufzuschauen und in die angeekelten Gesichter der anderen Jungs zu sehen. Mario packte mich an den Schultern und brachte mich so sanft er konnte dazu, dass ich mich auf den Boden setzte. "Jule, hol mal bitte schnell Marco von dem anderen Platz!" brüllte dieser plötzlich. Jedoch hörte sich das Brüllen in meinen Ohren eher abgestumpft an, beinahe wie betäubt. Ohne das Mario nochmal nachfragen musste begann ich mit schwacher, zittriger Stimme, ihm von meinen Sorgen zu erzählen: "Mein Vater liegt im Krankenhaus wegen einem Schwächeanfall, Helmut meinte aber, es ist wahrscheinlich etwas Schlimmeres als das. Ich habe sau Angst Mario.","Mach dir erstmal keine Sorgen, Marco wird sofort kommen und ihr werdet gemeinsam ins Krankenhaus zu ihm fahren und dann wirst du sehen, dass es ihm bestimmt besser geht als du oder Helmut denkst.", erklärte er fürsorglich mit seiner beruhigenden Art. In diesem Moment war es mir egal, dass ich zuerst bei Marco angekrochen kam. Ich brauchte ihn jetzt. Er war meine Stütze, der Einzige der es schaffen würde mich zu besänftigen und meine Tränen zu trocknen. Gleichzeitig sehnte ich mich danach, in seinen starken Armen gewogen zu werden und seinen Geruch tief einatmen zu können. Dieser Mann war es einfach, er war meiner. Da war es doch wohl schnurzpiep egal, dass ich nachgeben musste. Für ihn, da war ich mir sicher, würde ich immer nachgeben. Denn er war es wert.
"Bella!" rief Marco aufgebracht, als er im schnellen Schritt auf mich zu rannte un Julian so gut er konnte hinter ihm her hechtete. "Schatz, was ich denn los?" fragte er besorgt, als er sich zu mir herunter hockte. Seine warme Hand strich sanft durch mein blasses, kaltes Gesicht. "Michael ist im Krankenhaus." erklärte Mario, als er bemerkte wie ich mit den Worte rang. Ich nickte heftig. Nachdem mein Blondschopf mir hoch half, konnte ich mich endlich wieder in seine warmen arme kuscheln und seinen Geruch genießen. Sein Körper wärmte mich gleichzeitig. Die Welt sah gleich schon ein wenig besser aus. Julian reichte mir netterweise sein Wasser, der Geschmack im Mund war ja kaum auszuhalten. Ich trank es in einem Ruck aus. "Ich habe Angst, Marco." krächzte ich besorgt. Er schüttelte seinen Kopf vehement: "Das brauchst du nicht, ich bin ja jetzt da und wir fahren sofort ins Krankenhaus.","Willst du nicht erst duschen?" fragte ich schniefend. Marco lächelte amüsiert, strich mir die einzelnen Tränen aus dem Gesicht und küsste meine Stirn: "Nein, ich habe noch gar nicht angefangen mit dem Training. Ich hatte den ganzen Tag schon ein schreckliches Bauchgefühl." erklärte er. Daraufhin bedankte er sich bei seinen besten Freunden und nahm meine Hand. Zum Glück hatte ich in meinem Büro in dem Notfallpaket rund um das Notfalloutfit auch noch eine Zahnbürste gepackt, die heute schon direkt ihre Verwendung fand.

Obwohl das ekelige Zwicken nicht aufhörte in meinem Magen riss ich mich stark zusammen, um mich kein drittes Mal übergeben zu müssen, vor allem nicht in Marcos Auto. "Wollen wir noch kurz bei einer Apotheke vorbeifahren?" fragte Marco mich, als er bemerkte wie ich mir unzufrieden den Bauch hielt. Ich schüttelte wortlos den Kopf. "Vielleicht wäre das aber ganz gut. Beruhigungstabletten und Magenentspannungsmittel braucht du mit Sicherheit. Ich habe dich noch noch nie so aufgelöst gesehen. Nicht, dass du hinterher die ganze Nacht über der Kloschüssel hängst." erklärte er besorgt und streichelte liebevoll mein Knie. Schon wieder schüttelte ich wortlos meinen Kopf. "Dann sage ich denen im Krankenhaus, die sollen dich durchchecken lassen. Ich mache mir echt Sorgen Schatz." Marco ließ nicht locker. Ich stöhnte genervt auf und murmelte leise: "Na dann lieber zur Apotheke, bevor ich mich durchchecken lassen muss." Marco zögerte nicht lange und beschloss sich für eine scharfe Linkskurve, da er ansonsten die nahelegentste Apotheke verpasste und ließ es sich nicht zweimal sagen. Nach diesem heftigen Manöver riss ich die Beifahrertür auf dem Parkplatz der besagten Apotheke auf. Da war es, das dritte Mal.

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