Kapitel 41

2.5K 75 4
                                    

Es vergingen ein paar Wochen. Wochen in denen Marcos Frustration wuchs, die Operation die er so sehnlichst erwartete rückte immer weiter in die Ferne, da unerwartete Komplikationen auftraten. Mittlerweile waren alle meine wichtigen Sachen in seinem Haus verstaut und ich fühlte mich endlich angekommen dort, wo ich war. Meine Mutter und ich trafen uns natürlich regelmäßig während mein Vater sich immer noch in Schweigen hüllte. Täglich rief ich Mats an, um mich bei ihm auszuheulen. Derweil konnte man mittlerweile  Ann-Kathrins Bauch schon gut erahnen, denn sie war schon fast drei Monate schwanger. Kein Wunder, dass es bei ihr erst im zweiten Monat herauskam, dass sie einen Braten in der Röhre hatte so dürr wie sie war. Seitdem ploppte ihr Bauch aber förmlich auf. Natürlich konnte sie alles lange nicht realisieren und verbrachte sehr viel Zeit mit Mario, um die Schwangerschaft richtig zu genießen und ein Gefühl dafür zu bekommen.
Derweil verbrachten Sarah und ich momentan sehr viel Zeit miteinander, sie half mir meine Sachen bei Marco unterzubringen und Deko für die einstige Jungesellenbude kauften wir auch. Jetzt sah es hier super gemütlich aus. Glücklicherweise hatte Marco kein Problem damit und war froh, dass ich bei ihm war.

Trotz allem wuchs die Frustration auch in mir. Langsam aber sicher fiel mir nämlich die Decke auf den Kopf. Auch wenn bald schon mein Studium beginnen würde, musste ich langsam aber sicher irgendetwas anderes tun als Joggen zu gehen und Marco zu pflegen. Der Arme tat mir so leid, wenigstens konnte ich ihn heute dazu überreden, mit mir nach Brackel zu kommen weil ich unbedingt meinen Laptop aus meinem Büro brauchte und so konnte Marco mal seine Freunde wiedersehen und nicht immer nur Mario der mittlerweile wegen Ann-Kathrin auch immer seltener kam. Jule, Schmelle, Roman und André konnten natürlich auch nicht zwischen ihrem eigenen Leben und oftmals zwei Mal Training am Tag noch jeden Tag bei Marco antanzen. Ich merkte, wie nervös er neben mir auf dem Beifahrersitz herum rutschte. "Das wird bestimmt super!" versuchte ich zaghaft ihn aufzuheitern. Er nickte ein wenig ängstlich: "Ja bestimmt. Ich freue mich eigentlich auch darauf." grinste er. Ich musste Lächeln. Wie gerne würde ich selbst meinen großen Kicker wieder auf dem Platz sein Bestes geben sehen. Jedoch wird das noch etwas länger dauern. Das er die ganze Rückrunde ausfallen wird, war hundert prozentig klar. Vielleicht wäre er ja schon wieder, wenn er Glück hatte, in der Hinrunde der nächsten Saison fit. 

Angekommen auf dem Trainingsgelände ging mein eigenes Herz auf. Komischerweise, denn hätte mir das jemand im letzten Herbst erzählt, hätte ich der Person definitiv einen Vogel gezeigt. Marco, der inzwischen eine kompliziertere, aber stabilere Schiene um sein Bein tragen musste, damit er nicht immer auf Krücken herum krackseln würde, hielt seine Hand erwartungsvoll auf, in die ich dann direkt seine Autoschlüssel legte. "Hä? Was willst du mir damit sagen?" lachte er amüsiert. Mein Blick sprach Bände, ich hatte keinen blassen Schimmer, was er mir damit sagen wollte. "Ich wollte deine Hand nehmen, Bella!" kicherte er Kopfschüttelnd. "Achso" strahlte ich: "Das bin ich gar nicht mehr gewöhnt." daraufhin legte ich meine Hand in seine, nachdem er den Autoschlüssel in seine Hosentasche verfrachtete. Mein Herz schlug Purzelbäume, denn so etwas konnten wir schon lange nicht mehr machen, ich fragte mich wann er das letzte mal meine Hand mit seiner großen, starken umschloss. Es musste auf dem Weihnachtsmarkt beim Schlittschuhlaufen gewesen sein. Jedenfalls war es lange her, dazu eher selten und machte mich ungeheuer glücklich.
Als wir direkt in der Eingangshalle auf einen freudigen Schmelle trafen, begann Marco fröhlich zu Grinsen: "Mensch Marco, du lebst ja noch!" freute er sich und die beiden umarmten sich brüderlich. Auch ich begrüßte Marcel mit einer Umarmung. "Schön, dass ihr euch auch mal wieder Blicken lasst.","Irgendwann muss ich mich hier ja mal wieder Blicken lassen, ansonsten vergesst ihr noch wer ich bin." zwinkerte Marco. "Ich wollte gerade zum Training, wollt ihr mitkommen?" fragte Marcel dann in unsere kleine Runde. Beide schauten mich erwartungsvoll an: "Geht schon mal vor, ich hole noch schnell meinen Laptop und schaue, ob mein Büro noch steht." grinste ich.

Natürlich stand mein Büro noch. Es sah genauso aus wie vorher auch. Nachdem ich mir meinen Laptop unter den Arm klemmte hielt ich für ein paar Sekunden lang inne und lehnte mich an die Schreibtischplatte hinter mir. Ich konnte manchmal nicht fassen, was mich im Frühjahr hier erwarten würde und freute mich schon total darauf. Plötzlich riss mich ein peinlich berührtes Räuspern aus meinen Gedanken. Als ich hoch blickte, stand Roman wie aus dem Nichts kommend vor mir: "Schön dich zu sehen." grinste er verlegen. Nachdem ich meinen herunter geklappten Mund wieder unter Kontrolle gebracht hatte, begann auch ich zu Lächeln: "Gleichfalls." und zog ihn in eine freundschaftlich Umarmung. "Ich habe dich nicht mehr gesehen, seit dem du nach München gegangen bist." erzählte er als er sich auch gegen die Tischplatte lehnte. "Stimmt, war echt schön da.","Du bist direkt wieder gekommen als Marco sich verletzt hat, oder?","Ja natürlich, ich habe mir total die Vorwürfe gemacht. Vielleicht hätte ich irgendetwas verhindern können. Mir hätte er sicherlich von seinen Schmerzen erzählt." Romans tiefbraune Rehaugen durchbohrten meine förmlich. Erst jetzt bemerkte ich, wie groß und attraktiv sie eigentlich waren. Auch sein Bart war wie immer perfekt gestutzt, genauso wie ich es in Erinnerung hatte. Plötzlich legte er seinen riesigen Arm um meine Schultern und drücke mich tröstend gegen seinen durchtrainierten Oberkörper: "Du kennst doch Marco, er versucht immer völlig fit zu bleiben. Ob du anwesend gewesen wärst oder nicht hätte keinen großen Unterschied gemacht, glaub mir. Der will einfach so sehr und oft wie möglich spielen. Ich kenne keinen, der so vom Pech verfolgt wird, wie er. Abgesehen in Sachen Liebe natürlich." den letzten Teil murmelte er nur noch so vor sich hin, doch ich hörte ihn trotzdem. Ich merkte, wie Blut in meine Wangen schoss und ich umgehend errötete. Lange überlegte ich, ob ich meinen Kopf auf seine Schulter legen sollte und entschied mich spontan dafür, weil es anders echt unbequem war. Ich bemerkte wie er in sich hinein lächelte. Nachdem dann Stille eintrat und wir einige Sekunden so verharrten kam mir die ganze Situation schon fast gruselig vor, also sprang ich euphorisch auf: "Los jetzt, du musst zum Training mein Lieber!" und schob ihn vor mir her. Meinen Laptop packte ich zum Schluss wieder unter meinen Arm, bevor ich mein Büro wieder abschloss und mich auf dem Weg zum Trainingsplatz machte.

"Da bist du ja wieder" grinste Marco, der am Rand des Feldes stand. Er war in einer dicken, schwarzen Winterjacke eingepackt, trug eine enge, dunkle Jeans und wie immer weiße Sneaker, ich glaube es konnte so kalt werden wie am Nordpol und er würde sie trotzdem tragen. Direkt zog er mich in seine Arme und drückte mir einen zufriedenen Kuss auf die Lippen. Ich strahlte ihn überglücklich an, vergaß sogar wie viele Leute um uns herum standen. Man merkte, dass es die richtige Entscheidung war hierher zu fahren, denn Marco blühte förmlich auf. Innerlich klopfte ich mir selbst auf die Schulter. "Oh, oh das sieht so aus als würde es gleich zuhause noch heiß her gehen!" rief Mario, der in diesem Moment im schnellen Tempo an uns vorbei lief. Ich drehte mich direkt in seine Richtung, da ergriff Marco die Chance und schlang von hinten seine Arme um mich: "Alles was ich höre ist Neid, Herr Götze!" rief Marco plötzlich so laut er konnte zurück und presste unsere Körper eng aneinander. Ich lehnte meinen Kopf Augen verdrehend gegen Marcos Brust. Zum Glück war mein Vater nicht in der Nähe, der wäre höchstwahrscheinlich im Dreieck gesprungen. Und ich? Ich wäre mit Sicherheit im Erdboden versunken.

OptimistWo Geschichten leben. Entdecke jetzt