Kapitel 43

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Kaum zu glauben, aber es war schon April - meine Kennenlernphase in der Uni begann nun offiziell. Warum auch immer jetzt wieder alles auf einmal kam, aber es war ja meistens so dass monatelang nichts passierte und dann alles aufeinmal. Zur Erklärung: Gestern wurde Marcos Operation auf Mitte April gesetzt. Ich freute mich zwar ungemein für ihn, das Strahlen in seinem Gesicht war sowas von ansteckend, aber ich sah vor meinem inneren Auge viele Probleme auf uns zukommen, die uns möglicherweise wie ein Zug überrollen könnten. Marco war plötzlich so verbissen darin, in der Hinrunde der nächsten Saison wieder der Alte zu werden, was ich leider noch ziemlich anzweifelte. Außerdem musste ich ihn noch von meinem Ex-Freund Problemchen erzählen und ich bezweifelte, dass ein Duales Studium mir noch viel Luft zum Atem übrig ließ. Mich neben Arbeit und Studium noch um meinen verletzten Freund zu kümmern erschien mir schwierig, schließlich hatte der Tag doch nur 24 Stunden. Wenigstens konnte ich eins der Themen schnellstmöglich aus dem Weg räumen. Schließlich hatte ich in den letzten Wochen gelernt, dass offen sein das Beste war in einer Beziehung.

Es war der Abend vor meinem aller ersten Tag an der Uni. Marco und ich kuschelten gerade auf dem Sofa, als mir das Thema was ich unbedingt vor morgen noch ansprechen musste, wieder einfiel. Mein Kopf lag auf Marcos Schulter, während er seinen Arm um meine Hüfte geschlungen hatte und unsere Beine unter einer warmen Decke vergraben waren. "Marco? Ich muss noch mit dir reden." murmelte ich irgendwann leise. Er stellte sofort den Ton vom Fernseher aus und musterte mich fragend. Ich sagte solange nichts, bis er mir eine Haarsträhne sanft hinters Ohr strich und sein Blick noch fragender wurde, als ohnehin schon: "Ich höre zu." lächelte er unsicher. Ich räusperte mich und drehte mich zu ihm um besser in seine Augen schauen zu können. Marcos Arm wanderte währenddessen von meiner Hüfte auf die Sofalehne, während er mich immer noch erwartungsvoll anschaute. "Ich muss ja morgen schon dahin, also zur Uni und vor vierzehn Tagen als ich mit Sarah ins Solo gegangen bin, da habe ich Tim wieder getroffen, du weißt noch wer das ist oder?","Der aus deinem Freundeskreis aus der Schule damals? Der, der da kellnert?","Ja der und da ist noch etwas, das ich dir noch erzählen müsste." In diesem Moment fielen meinem Freund alle Emotionen aus dem Gesicht. Ich wusste er erwartete jetzt bestimmt etwas schlimmes, obwohl meine Sache die ich ansprechen wollte ja gar nicht so schlimm war oder? Warum musste ich denn in letzter Zeit bloß alles überdramatisieren? "Also es ist nichts schlimmes nur, dass er mein Tutor wird und dazu noch mein Ex-Freund." brabbelte ich schnell hintereinander weg. Marco begann erst, mich irritiert anzugucken bevor er leise zu lachen begann: "Es ist alles gut, schön dass du es mir noch gesagt hast und falls du jetzt denkst, dass es ein schlechter Start für dein Studium ist, dann sage ich dir jetzt eins: du wirst das ganz sicher schaffen, hundertprozentig." lächelte er immer noch und drückte mich behutsam gegen seine Brust, bevor er ganz zärtlich über meinen Rücken streichelte. In mir machte sich ein wunderbares Gefühl, das Gefühl der Erleichterung, breit.

Am nächsten Morgen stand ich ein wenig unsicher vor dem Spiegel in meinem gemeinsamen Schlafzimmer mit Marco. Wochenlang hatte ich mir Gedanken über mein Outfit für diesen Tag gemacht und am Ende ist es dann doch nur eine lockere, zerissene Blue Jeans geworden in die ich ein weißes, enges Langarmshirt herein gesteckt hatte, das einen schulterfreien Ausschnitt besaß. Dazu trug ich meine geliebten weißen Chucks, denn endlich kam der Frühling und natürlich durfte ab jetzt meine heißgeliebte Lederjacke nicht mehr fehlen. Trotzdem war es nichts besonders. Alles war normal. Ich hatte mir gewünscht, dass der Tag genauso normal sein würde. Marco, der gerade aus der Dusche kam, grinste mich an: "Du siehst toll aus Bella" und küsste mich liebevoll. Er wollte mich heute unbedingt selbst dorthin fahren. Ich hatte zwar ein wenig Bedenken, dass er mich möglicherweise umbringen würde, schließlich ist er wochenlang nicht mehr gefahren, aber ich ließ ihm diesen Spaß. "Danke" murmelte ich in den Kuss hinein. "Bist du dir sicher, dass du fahren kannst, Marco?" fragte ich dann doch leise und erntete direkt ein Augenrollen: "Der Arzt hat gesagt es geht wieder bis zur Operation, lass mich doch bitte deine mentale Stütze sein, bis du alleine in dieses kühle Gebäude musst." scherzte er gelassen. Der hatte leicht Reden. Immerhin war es echt nicht so einfach für mich.
Ich ließ mich also auf die riskante Fahrt ein und musste zugeben, dass er trotz allem so gut wie immer fuhr. Marcos Hand lag schützend auf meinem Oberschenkel. Es war doch gut, dass er mich bis zu den letzten Metern begleitete, ich war nämlich doch extrem nervös, obwohl es doch bloß ein dummer Kennenlernen-Tag, wie damals in der Grundschule war. Sarah hatte mir letztens gesagt ich sollte die Uni-Zeit genießen, auch sie hatte leicht Reden. Immerhin war sie schon fertig mit dem ganzen Müll und Stress. Glücklicherweise hatte ich erstmal nur ein Bachelor Studium vor mir. 3 Jahre waren doch ein Witz, oder nicht?

Als der Wagen auf dem großen Parkplatz der ISM Dortmund rollte, wurde mir so schlecht dass ich mich am liebsten übergeben hätte. "Es wird alles gut Bella, hör auf dir darüber den Kopf zu zerbrechen." sagte Marco aufbauend. "Ja ja, ist gar nicht so leicht." krächzte ich leise. "Wenn du heute Abend nach Hause kommst, dann überrasche ich dich." grinste er überzeugt. Ich runzelte fragend die Stirn: "Muss ich Angst davor haben?" Er schüttelte seinen Kopf: "Natürlich nicht, aber du kannst dich darauf freuen." erklärte er stolz. Ich schloss lächelnd meine Augen: "Na gut", murmelte ich während ich die Autotür rechts neben mir aufdrückte: "Bis später.","Halt stop, nicht so schnell!" hechtete Marco plötzlich und griff nach meinem linken Arm. "Was ist denn?" fragte ich nervös. "Du hast vergessen mich zu küssen." schmunzelte er. Grinsend lehnte ich mich wieder ins Auto und gab ihm einen dicken Schmatzer auf die Lippen: "Ich liebe dich" murmelte ich kurz darauf glücklich gegen seine Lieben. "Ich dich auch, du schaffst das" wisperte er zufrieden zurück und legte seine Lippen erneut auf meine. "Hier" strahlte er nachdem wir uns schweren Herzens voneinander lösten. Er hatte mir ohne Vorwarnung etwas in die Hand gedrückt. Als ich langsam und vorsichtig meine Hand wieder öffnete, staunte ich nicht schlecht: "Ist- ist die für mich?" stammelte ich. Die zierliche, silberne Kette die ich in meiner Hand hielt war ein unerwartetes Geschenk von ihm mit dem ich niemals gerechnet hätte. Er nickte überzeugt und legte sie mir noch schnell um. Sie war wunderschön und bestand aus einem klitzekleinem Edelstein der sich in einer Fassung befand, die einer Herzform entsprach. "Womit habe ich das verdient?" staunte ich überrumpelt. Marco lachte amüsiert und schaute mir tief in die Augen: "Ist dein kleiner Glücksbringer. Ich habe ihn gekauft, wo du in München warst vor meiner Verletzung, extra für heute. Damit du weißt, dass ich immer an deiner Seite bin und an dich denke und damit du an mich denkst und überzeugt davon bist, dass du es schaffen wirst." erklärte er mit einem süßen Unterton in seiner Stimme. Mein Herz ging auf, noch nie hatte sich jemand so viele Gedanken um mich gemacht und war dazu noch so romantisch. Ich strahlte ihn überglücklich an: "Danke Marco, die Kette ist unglaublich schön.","Gerne, jetzt aber los. Sonst bist du definitiv zu spät." stellte er hektisch fest. Ich konnte es nicht lassen ihn nochmal zu küssen bevor ich die Tür seines Wagens zuknallte und ihm noch hinterher winkte.
Nachdem ich ein paar Schritte in Richtung Haupteingang der Universität lief, rutschte mir mein Herz förmlich in die Hose. Da war er nun, der neue Lebensabschnitt. Mein erster ganz eigener. Hoffentlich würde ich ihm gerecht werden.

OptimistWo Geschichten leben. Entdecke jetzt