Kapitel 73

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"Warte mal Marco!" rief ich meinem übermotivierten Freund noch im Gang hinterher. Heute hatte er solche Lust aufs Training, dass er beinahe zwei rote Ampeln auf dem Hinweg nach Brackel mitgenommen hätte, jedoch musste ich ihn als vorbildliche Fahrerin natürlich daran erinnern, dass er nur noch mit Ach und Krach seinen so heißgeliebten Führerschein besaß. "Ja?" fragte er sanft lächelnd als er sich umdrehte. Ich holte ihn ein und spielte daraufhin verträumt mit seiner Hand: "Kommst du jetzt heute Abend mit zur Party?" fragte ich. Er nickte: "Ja, weil du es bist." und dampfte verschmitzt grinsend ab, nachdem er mir zu zwinkerte. "Hey Bella, hast du heute mal wieder Zeit für die Physio? Wir brauchen mal wieder Unterstützung beim und nach dem Training." grinste Helmut plötzlich. Ich nickte. Meine Unterlagen konnte ich auch noch nach dem Training bearbeiten. Ich zog mir also wieder meine Jacke tief ins Gesicht, da der Herbst heute seines Amtes waltete und machte mich auf den Weg gemeinsam mit ihm auf den Sportplatz.

Mittlerweile waren alle Spieler eingetrottet, die letzten waren wie so oft Mario und Marco die mit höchster Wahrscheinlichkeit mal wieder unnormal herumgetrödelt hatten. Marco zwinkerte mir verschmitzt zu während er sich zu den anderen gesellte. Es vergingen ein paar Minuten, in denen weder Favre, noch Co-Trainer Terzic sich auf dem Platz einfanden. "Helmut, sag Mal meinst du Favre kommt heute auch nochmal oder hat der sich verfahren?" grinste Piszczek frech. Helmut zuckte mit den Achseln, als er gerade zu Reden ansetzte stapften die zwei benannten wichtigen Personen des Vormittags auf dem Platz mit einem breitem Grinsen ins Gesicht. Nach jedem weiteren Schritt konnte man immer besser eine weitere Person, aber im schwarz-gelben Dress, erkennen. Sie war groß und dunkelhaarig. Plötzlich als es Mats war, der hinter den Trainern zum Vorschein kam, klappte mir die Kinnlade herunter und genauso die aller anderen Anwesenden. "Der verlorene Sohn!" scherzte Mario, der sich als erster fasste, ausgelassen und umarmte meinen Cousin. "Sagst gerade du Mario!" bemerkte Julian Augen rollend, erntete aber direkt einen bösen Blick von ihm. Marco lachte: "Du hast es mit keinem Wort erwähnt Bro!" und klopfte ihm bei einer Umarmung strahlend auf die Schulter. Vor meinem inneren Auge erschien die verstaubte Mappe von Mats die letztens auf meinem Schreibtisch lag und ich konsequent zur Seite gelegt hatte. Jetzt machte alles Sinn, warum Mats so oft mit nach Brackel wollte. Da musste ich Nobby ja mal anhauen wie sie diesen Transfer geschafft haben. Das konnte doch echt nicht Wahr sein. Mats stand nun vor mir und schaute mich mit tanzenden Augenbrauen an. Ich begann zu lachen: "Ich glaube es nicht. Das muss ein Traum sein." scherzte ich bevor Mats mich glücklich in seine Arme zog. Direkt war ich gespannt, wie Bayern sich diese Saison machte. Schließlich war Mats eine Schlüsselfigur in deren Mannschaft.
"Bella! Wollen wir nach dem ich mit dem Duschen fertig bin gemeinsam Essen gehen? Ich muss unbedingt noch mit dir über etwas reden." fragte Marco mich nach der Trainingseinheit. Stirnrunzelnd musterte ich meinen verschwitzten Freund: "Klar, aber nicht so schick oder? Sonst muss ich mich noch umziehen gehen." bat ich und schaute an mir herunter. Den abgerockten grauen Kapuzenpullover den ich zu meiner ausgewaschenen blauen Lieblingsjeans trug konnte ich unmöglich in einem dieser schicki-micki Restaurants anziehen. "Ne, wie wär's mit dem Vapiano?" schlug er vor. Ich nickte. Nachdem ich mich verabschiedete ging ich innerlich durch mein Zeitfenster. Wir konnten gemütlich essen gehen, bevor ich zu Veras Party musste. Marco konnte leider nicht mit wegen dem Spiel gegen Augsburg morgen, aber ich würde auch alleine meinen Spaß haben und solange er mich fuhr war ja alles paletti für mich.

Das was ich am Vapiano hasste, war diese Kantinenatmosphäre. Ich meine, natürlich war es sehr lecker, auch besser als MC Doof und sah ganz schick aus, aber wenn man gemeinsam essen gehen wollte war es schon erstmal ungemütlich. Zumindest bei Marco und mir, denn während er mit dem gemütlichen Vibrationsalarm am Tisch auf seine Pizza wartete, musste ich dem Koch dabei zusehen wie er seine Nudeln machte. Das verstand ich noch nie, was sollte mir das bringen? Seine Kochkünste bewundern, die mir bewusst machten, dass ich bei weitem nicht mal halb so gut war? Aber egal. Marco hatte wenigstens auch noch nicht sein essen. Dazu sah er ziemlich gelangweilt aus, als er am Tisch durch sein Handy scrollte, mit seinem Pullover tief ins Gesicht gezogen. Plötzlich stand er auf und besorgte sich seine Pizza. "Entschuldigen sie, ihre Nudeln sind fertig." grinste der Koch und riss mich unsanft aus meinen Gedanken. Ich bedankte mich, griff nach meiner Cola light und machte mich auf zum Tisch. Mir lief beim Anblick meines Essens das Wasser im Mund zusammen, immerhin hatte ich einen Bärenhunger und den ganzen Tag noch nichts richtiges gehabt. "Worüber wolltest du denn jetzt mit mir reden?" fragte ich neugierig. Ich hatte mir schon Gedanken dazu gemacht und war mich quasi sicher es ging endlich um Hochzeitsvorbereitungen oder zumindest um etwas ähnliches. Aber als Marco sich nervös den Nacken rieb, wusste ich es konnte nichts mit der Hochzeit zutun haben. Irgendwie war er total unruhig und beinahe ängstlich. Das fiel mir erst jetzt auf. Erwartungsvoll schaute ich ihn in die Augen. Er räusperte sich laut: "Ich weiß nicht genau, wie ich es sagen soll." murmelte er. "Sag es doch einfach." grinste ich: "So schlimm wird es schon nicht sein." ergänzte ich noch dazu, in der Hoffnung ihn beruhigen zu können. "Also" seufzte er und nahm sich unglaublich lange Zeit beim Einatmen oder es kam mir nur so vor. Ich war mir sicher man konnte einige Fragezeichen über meinem Kopf schweben sehen in diesem Augenblick. "In Liverpool, da.. naja also da habe ich ein Angebot bekommen, dorthin zu wechseln. Jürgen hat es mir zuerst gesagt, um mich vorzuwarnen. Ich- ehrlich gesagt- überlege ich ernsthaft, ob ich nicht wechseln sollte, bevor meine Karriere einfach so endet und ich zu alt bin.". Ich war sprachlos und ratlos zugleich in diesem Moment. Zum zweiten Mal an diesem Tag rutschte meine Kinnlade ungewollt nach unten. Mein Kopf rauchte, um das Gesagte möglichst schnell verarbeiten und auch begreifen zu können. Im wahrsten Sinne des Wortes war ich baff. Das konnte er doch nicht ernst meinen. Zu allem Übel fiel mir auch noch die Gabel herunter, welche mit einem lauten Scheppern auf dem Boden aufprallte. Aber ich sah Marco einfach nur erbarmungslos in die Augen und fühlte mich einfach erschlagen und war auch irgendwo in mir drinnen enttäuscht, schließlich war Dortmund mein Zuhause, so einfach konnte ich hier nun mal nicht weg. Nicht jetzt.

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