Kapitel 24

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Am nächsten Morgen schien die Wintersonne durch das bodentiefe Fenster in Marcos Schlafzimmer so stark in mein Gesicht, dass ich davon ganz langsam wach wurde. Meine Lippen formten sich sofort zu einem Grinsen, als ich Marco neben mir bemerkte, der mit dem Rücken zu mir gewandt seelenruhig schlief. Sein Brustkorb hob und sank sich in regelmäßigen Abständen.
Ich setzte mich ein wenig auf, um richtig wach werden zu können. Meine Hände rieben wie von selbst meine Augen für einige Sekunden. Nachdem ich mich streckte, stand ich auf und schloss die Vorhänge richtig, damit Marco nicht auch davon wach werden würde. Gestern wurde es bei den Jungs noch ziemlich spät und das obwohl sie heute gegen Bremen spielen mussten. Ich war schon lange vor Marco im Bett, merkte aber wie er gegen halb 3 neben mir unter die Decke schlüpfte. Im Bad duschte ich schnell und zog mir frische Sachen an. Daraufhin begab ich mich, nachdem ich mir die Haare föhnte, in die Wohnküche.
Während der Kaffee gleichmäßig in meine Tasse floss, begann ich die abgelaufenen Sachen aus Marcos Kühlschrank zu entsorgen und schrieb mir Dinge auf einen kleinen Notizzettel, die unbedingt gekauft werden mussten. Ein paar Minuten später war ich dann schon auf dem weg zum nächsten Supermarkt, um schnell alles zu besorgen.
Ich wollte mich damit bei Marco revanchieren, schließlich war es nicht selbstverständlich mich einfach so für ein paar Tage aufzunehmen. Ich war mir zwar sicher, dass er es mehr als gerne machte, jedoch wollte ich nicht, dass er dachte ich nutze ihn aus. Oder war das was ganz normales in einer Beziehung, den Anderen einfach so bei sich "aufzunehmen" in der Not? Meine Bilanz von Beziehungen in meinen Leben fiel nämlich ehrlich gesagt ziemlich nüchtern aus. Klar hatte ich hier und da mal einen Freund, aber nie etwas so ernstes und so wichtiges wie mit Marco. Der, mit dem ich am längsten zusammen war bis jetzt, war tatsächlich Tim. Ich hatte es bis jetzt weder Ann-Kathrin, noch Mario oder Marco erzählt obwohl sie ihn alle schon mal im Solo gesehen hatten und Ann-Kathrin auf sowas schon spekuliert hatte. Wir waren fast drei Jahre zusammen, bis kurz vor meinem Abitur. Ich wusste, er machte sich sobald er mich sah ziemliche Gedanken darüber, dass mein Versagen ihm zu Schulden sein könnte. Daran hatte ich tatsächlich aber noch nie gedacht, ich war aber auch nicht der Typ Mensch, der sein Versagen anderen in die Schuhe schob. Ich hatte aber auch bis jetzt nie mit Tim darüber geredet. Das alles war alleine meine Schuld, obwohl mir es so wichtig war gut abzuschneiden. Ich hatte es einfach auf die leichte Schulter genommen und mein Traum Ärztin zu werden platzte an dem Tag, als ich mein schlechtes Zeugnis in den Händen hielt. Wenn ich jetzt so darüber nachdachte, konnte ich mir überhaupt nicht mehr vorstellen Ärztin zu werden. Ich war froh darüber, durch diesen komischen Umweg meinen Weg gefunden zu haben, nicht nur berufsmäßig sondern auch privat.

Nachdem ich alles fertig eingeräumt hatte, was nicht leicht war, da ich einige Plätze für gewisse Sachen einfach nicht fand und ziemlich suchen musste, deckte ich den Tisch mit frischen Brötchen, Kaffee und sogar Eiern. Schließlich wollte ich Marco vor dem Abschlusstraining noch was gutes tun.

"Aufwachen Schatz!" sagte ich leise und strich ihm sanft durch die Haare, nachdem ich die Vorhänge im Schlafzimmer wieder öffnete und mich vor Marcos Bettseite hockte. Er hatte sich in den letzten zwei Stunden kaum bewegt. Marco brummte irgendwas, dass ich kaum verstehen konnte. "Komm, es ist schon nach elf Uhr." grinste ich und küsste seine Wange. Er riss die Augen auf: "Elf?","Ja, aber keine Sorge du hast noch genug Zeit." lächelte ich. Sein Blick wurde sanft als wir uns in die Augen schauten. "Mach du dich in Ruhe fertig, der Frühstückstisch ist schon gedeckt. Ich warte auf dich.".
Es dauerte keine 10 Minuten, da stapfte Marco frisch geduscht und angezogen in die Wohnküche. Seine Augen wurden groß: "Hast du da alles geholt?" war seine verdatterte Reaktion. Er eilte umgehend zu den Küchenschränken und öffnete die verschiedensten: "Wie viel hast du eingekauft? Und warum? Und wie viel Geld muss ich dir zurück geben?" fragte er schon fast hysterisch. Ich stand vom Tisch auf und legte grinsend meine Arme um seinen Hals: "Jetzt beruhig dich mal Sherlock, natürlich habe ich das alles eingekauft oder meinst du ich habe bei den Nachbarn Eiertausch gespielt? Weil so wie du kann man hier ja nicht vernünftig Leben und ich wollte dir eine Freude machen, also nimm die Geste an und setzt dich an den Tisch, sonst wird dein Kaffee kalt und die Eier auch!" befahl ich. Er grinste glücklich: "Du bist die Beste, danke!" und legte seine Lippen intensiv auf meine. Ich hatte das Gefühl, unsere Beziehung gewann von Tag zu Tag mehr an Wert. Das machte mich unglaublich glücklich, denn das Kribbeln in meinem Bauch tat mir mehr als gut und seine Anwesenheit machte mich glücklicher denn je. Er war immer so positiv und gelassen, was der perfekte Ausgleich zu meiner Unruhigen Art war. "Zu Befehl Frau Dietrich!" scherzte Marco.

Das Spiel beobachteten Ann-Kathrin, Sarah, Anna, Jenny und ich später gemeinsam von der Tribüne.
"Du meldest dich gar nicht mehr, seitdem du mit Marco zusammen bist." grinste Ann in der Halbzeitpause mit wackelnden Augenbrauen. "Wir mussten erstmal die Zeit zusammen genießen." lächelte ich, mit dem gleichen Blick. "Super, dass ihr jetzt endlich offiziell zusammen seid!" grinste Jenny fröhlich. Sie war eine sehr sympathische und gefestigte Frau. "Also Julian kam gestern nicht mehr auf sein Leben klar, nachdem du da in Marcos T-Shirt vor ihnen standest." lachte Sarah neben mir lauthals. "Ich konnte ja nicht ahnen, dass die drei Chaoten zum Frühstück kommen." lachte ich mit. Meine Wangen nahmen ein dezentes Rot an. Ann-Kathrin und Jenny schmunzelten: "Ich glaube, das ist jeder von uns schon passiert. Diese Kerle sind manchmal unberechenbar." lachte Ann-Kathrin.
Bis jetzt stand es noch null zu null. Obwohl die Jungs viel mehr Ballbesitz und Torchancen hatten, wollte das Runde einfach nicht das Eckige treffen. Hoffentlich würde sich das in der zweiten Halbzeit ändern. "Sag mal, was zieht ihr an zur Weihnachtsfeier?", fragte ich nach ein paar Sekunden Stille. "Ich habe mir ein schwarzes, enges Kleid besorgt." antwortete Ann mit einem Achselzucken. "Ich habe noch einen dunkelblauen Jumpsuit." sagte Sarah freudig. Ich seufzte: "Ich habe echt keine Ahnung, was ich anziehen soll.","Das Gefühl kenne ich, stell dich unbedingt schon mal darauf ein." seufzte Jenny mitfühlend. Ann-Kathrin schien derweil einige Sekunden über etwas nachzudenken: "Bist du eigentlich bescheuert? Du siehst auch den Wald vor lauter Bäumen nicht. Wir haben doch vor ein paar Wochen extra das rote Wickelkleid gekauft mit den langen Ballonärmeln, die durchsichtig sind." stellte Ann-Kathrin fest. "Wenn ich dich nicht hätte Ann, dann wüsste ich nicht was ich machen sollte." grinste ich dankbar. Sie warf mir einen stolzen Luftkuss zu.

In der zweiten Hälfte ging der BVB nach nur drei weiteren Minuten in Führung, durch ein Tor von Marco und der Vorlage von Mario. Ann-Kahtrin und ich lagen uns jubelnd in den Armen und das ganze Stadion flippte aus. Marco und Mario freuten sich ungemein und schon stürmten Delaney und Sancho auf die beiden zu, um mit ihnen zu feiern. Ich hätte schwören können, dass Marco hoch geguckt hatte und seine Augen die Tribüne abscannten, auf der die anderen Spielerfrauen immer saßen und seit heute auch ich. Meine Augen glänzten und ich strahlte wie ein Honigkuchenpferd. Marco erreichte seine Hochform und die Herbstmeisterschaft war so gut wie sicher. Ich freute mich so sehr für ihn, weil ich wusste wie seine kleinen Wehwehchen in schlauchten und ich hoffte gleichzeitig, dass er mit diesen oder gar größeren Verletzungen in dieser Saison nicht mehr kämpfen müsste. Manchmal vergaß ich einfach, was Marco für ein top Fußballspieler war. Ich sah ihn einfach nicht als diesen an, sondern liebte seinen einzigartigen Charakter.

Nach dem Spiel fiel ich Marco in die Arme und gab ihm einen dicken Kuss. Das sein durchschwitztes Trikot meinen Mantel durchnässte, ignorierte ich gerne: "Glückwunsch.","Danke!" grinste er bescheiden und küsste mich nochmal voller Euphorie.
Plötzlich tauchte mein Vater hinter ihm auf und ich ließ überrascht von Marco ab. "Glückwunsch Marco! Ich würde sagen du bist wieder in Bestform!" lächelte er. Sie klatschten sich ab. Marco nickte: "Ich hoffe doch!" und legte seinen Arm um meine Taille. Mein Vater wendete sich direkt zu mir: "Bella, es tut mir leid was ich gestern gesagt habe. Du hast recht, es ist überhaupt nicht wichtig wie der Altersunterschied zwischen euch ist oder was auch immer mich da geritten hat. Marco macht dich glücklich und das habe ich zu akzeptieren und ich freue mich für euch. Ich bin froh, dass du so jemanden wie Marco an deiner Seite hast, Kleine." erklärte er und lächelte unsicher. Ich umarmte meinen Vater liebevoll: "Danke Papa, du bist der Beste.". Ich war stolz auf mich, dass ich nicht eingeknickt war, bis er sich entschuldigte und auch war ich darauf stolz, dass ich den Zweifeln meines Vaters keinen Raum in meinen Gedanken ließ. Marco war der Einzige für mich und nichts auf der Welt könnte das noch ändern. Trotzdem waren da noch einige Hintergedanken bezüglich der Ehrlichkeit meines Vaters. Wodurch hatte sich so plötzlich seine Meinung geändert? Er war nie eine Sprunghafte Person.

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