Kapitel 39

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Zwei Mal versuchte ich am nächsten Tag meinen Haustürschlüssel im Türschloss meines Elternhauses um zudrehen, aber ich war so aufgeregt und meine Hände waren so am schwitzen, dass ich immer wieder abrutschte. Schon die Busfahrt hier hin machte mich wuschig, ich hasste Bus fahren, aber ich musste schließlich irgendwann an mein eigenes Auto kommen. Fluchend probierte ich es ein weiteres Mal und schaffte es plötzlich ohne Probleme. Wie war das nochmal, alle guten Dinge sind drei? 
Schnell rieb ich meine nassen Hände an meiner Skinny Jeans trocken und ging hinein. Komisch, wie konnte man bloß so nervös sein, wie ich in diesem Moment. Alles was ich tun musste ist meinen Eltern zu erklären das ich ausziehen würde. Naja, so leicht war das nun auch wieder nicht. Mein Entschluss jedoch stand fest, ich werde mit Sicherheit zu Marco ziehen. Vielleicht nur, bis er wieder gesund ist. Vielleicht aber auch für immer, so wollte er es jedenfalls.
"Hallo!" brüllte ich durch den Hausflur. Es war so leise, dass meine Stimme durch das ganze Haus hallte. 
"Bella Schätzchen." grinste meine Mutter froh, als ich die Küche betrat. Zu meinem Vorteil saßen sie gerade beisammen am Frühstückstisch. "Willst du mit essen?" fragte mein Vater nachdem ich ihn zur Begrüßung umarmte und daraufhin neben ihm platz nahm. "Nein, ich habe eben zusammen mit Marco gefrühstückt." lächelte ich. Die beiden nickten wortlos. "Kommst du wieder? Also willst du ab heute wieder hier schlafen?" fragte mein Vater hoffnungsvoll. Mein Herz rutschte in diesem Moment nicht nur in meine Hose, sondern tatsächlich bis in meine Schuhe. Die beiden schienen sich so sehr auf mich zu freuen und dann kam ich nach Wochen wieder nach Hause, nur um ihnen zu sagen dass ich ausziehen würde? Ich war eine schreckliche Tochter und fühlte mich auch genau so in diesem Moment. Trotzdem hielt ich an meinem Entschluss fest: "Nein, im Gegenteil. Marco hat mich gestern Abend gefragt, ob ich bei ihm einziehen möchte." bei dem Gedanken daran konnte ich einfach nur Strahlen. Meine Mutter sprang quietschend vom Stuhl auf und fiel mir um den Hals: "Bella das freut mich so sehr! Marco ist der perfekte Partner für dich.", dabei strahlte sie mindestens genauso sehr wie ich. Von meiner Mutter wusste ich das sie bei dem Thema Marco völlig hinter mir stand, sie akzeptierte ihn so wie er war und freute sich ehrlich für uns. Das mein Vater unzufrieden seufzte war mir klar, obwohl ich es nicht verstand. Er hatte immer ein so gutes Verhältnis zu Marco gehabt, aber gerade war er eher verzweifelt als zufrieden: "Bis er wieder gesund ist und du mit dem Arbeiten anfängst?" raunte er in einem Tonfall, den ich nicht leiden konnte. Er war so überzeugt von seiner Aussage, dass er beinahe schon fast arrogant, von oben herab klang. Ich hasste das momentane Verhältnis zu meinem Vater, es war eine tägliche Belastung. Für ihn stand Marco anscheinend immer noch zwischen uns. "Nein, für immer." antwortete ich selbstbewusst, aber nicht überheblich. Er runzelte die Stirn und setzte dabei an etwas zu sagen, jedoch warf meine Mutter ihm den bekannten wag-es-nicht-Blick zu. Daraufhin faltete er seine Zeitung zusammen, schnappte sich seine Kaffeetasse und verließ wortlos die Küche. Meine Mutter und ich starrten uns in diesem Moment eine Zeit lang unbeholfen und zugleich überrascht an.
Das konnte doch jetzt nicht sein Ernst sein. Adrenalin rauschte zu diesem Zeitpunkt durch meinen Körper. Ich war umgehend auf hundert-achtzig und ballte sauer meine Fäuste. Na warte, das würde ich nicht auf mir sitzen lassen. Gerade, als ich mich dazu aufmachen wollte meinem Vater zu folgen, kam er wieder und räusperte sich: "Mir ist es egal was du machst. Hauptsache du fängst dein Studium an.". Ich schaute ihn enttäuscht an: "Seit wann ist es dir egal was ich mache?" fragte ich. Meine Augen und die meiner Mutter lagen in diesem Moment auf ihm. "Seit dem du den Plan verfolgst, deinen Lebensunterhalt durch einen Fußballspieler, als Spielerfrau, zu sichern." murmelte er achselzuckend. Ich war baff. Bei allem was mein Vater hätte sagen können, hätte ich diese Worte aus seinem Mund am wenigsten erwartet. Sie waren beleidigend und verletzend, meiner Meinung nach schon fast dreist. Es war ja nicht so, als hätte ich mich an Marcos Hals geschmissen. Eher weniger, denn ich hatte wochenlang nach Ausreden gesucht, mich von meinen Gefühlen abgelenkt und sie verheimlicht bis ich es nicht mehr konnte. Ich war froh, Marco in mein Leben gelassen zu haben. Er hatte schon von Beginn alle meine Zweifel aus dem Weg geräumt und machte mich glücklich. Seine optimistische Art griff auf mich über, sie ergänzte mich perfekt. Marco war perfekt und ich wusste beim besten Willen nicht, was seine Intention war. Jedenfalls ließ ich mir nichts ausreden und auch ganz bestimmt nichts kaputt machen. "Welche Sicherung ist denn bei dir in den letzten Wochen durchgebrannt? Ich dachte wirklich, deine Entschuldigung war ernst gemeint. Mir so etwas zu unterstellen, wenn du genau weißt wie es mir ging und dass ich auf solche Dinge überhaupt nicht achte, finde ich komplett daneben." sagte ich mit fester Stimme und überzeugt von meinem Standpunkt. Meiner Mutter hatte die Gesamtsituation die Sprache verschlagen, ich konnte es ihr ehrlich gesagt auch nicht übel nehmen. Sie versuchte noch zu vermitteln, ich jedoch hatte die Nase voll von dem ganzen und verabschiedete mich von ihr. An meine restlichen sieben Sachen würde ich schon irgendwie dran kommen in den nächsten Tagen. Aber in einem Raum mit meinem Vater zu sein machte mich von Sekunde zu Sekunde aggressiver und somit entschloss ich mich dazu, enttäuscht wieder zu fahren.

Das einzige was ich mitnahm war mein eigenes Auto, im Gegensatz zu Marcos Luxuskarosse war mein kleiner aber feiner Golf eine Wohltat im Straßenverkehr. Gerade als ich losfahren wollte, ertönte mein Smartphone in meiner Handtasche. Ann-Kathrin schrieb mir, ob ich mit ihr zum Arzt fahren würde, weil Mario beim Training war. Ich wunderte mich, dass es ihr immer noch nicht besser ging. Vor ein paar Tagen beim gemeinsamen Frühstück mit meinen beiden Mädels hatte ich nicht mehr lange über ihre Fress-Übelkeits-Aktion nachgedacht. Wie denn auch wenn Marco mich so überrumpelte. Ich grübelte und grübelte. Irgendwie erschienen mir ihre Symptome spanisch. Bis mir gar nicht viele Sekunden später ein Licht aufging. Von wegen Magen-Darm Grippe, wenn die mal nicht schwanger war. Das werde ich zuerst ausschließen, bevor ich sie durch ganz Dortmund kutschieren müsste. 
Nachdem ich also innerlich grinsend einen Schwangerschaftstest besorgte, kam ich gute zwanzig Minuten später bei ihr an und wurde quasi schon an der Tür erwartet: "Da bist du ja, wo warst du so lange?" murmelte sie leise. Blass war sie wirklich und geduscht hatte sie mindestens drei Tage nicht mehr. Noch im Eingangsbereich zog ich das kleine Paket aus meiner Tasche und wedelte damit vor ihrer Nase herum. "Was ist das?" fragte sie verwundert und riss es mir schon fast aus der Hand: "Ein Schwangerschaftstest meine Liebe." antwortete ich simpel. "Bist du bescheuert? Ich bin doch nicht schwanger, nicht jetzt.","Wieso nicht jetzt? Du bist alt genug, finanziell abgesichert und dazu noch verheiratet. Wenn nicht jetzt, wann dann?","Na hoffentlich erst so in 2 Jahren." antwortete sie ignorant und drückte das Päckchen zurück in meine Hand. "Vergiss es Fräulein, wenn du dir so sicher bist dass mach den Test. Ich habe doch nicht so viel Geld für diesen Test auf den Tisch gelegt, damit er in meiner Handtasche versauert. Das ist extra dieser Clearblue Test, mit der Wochenanzeige aus der Werbung.". Ann-Kathrin schüttelte amüsiert ihren Kopf: "Du wohnst auch auf einem anderen Planeten seit dem Marco und du nur noch auf der Couch vergammelt und den Fernseher fast schon mit den Augen aufsaugt, scheiße ist diese komische Werbung dazu auch noch.". Ich zuckte mit den Schultern, bevor ich sie in Richtung Wohnzimmer schob, wo sie recht hatte, hatte sie nun mal recht. Das sollte aber nicht heißen, dass ich es nicht mochte, ich vergötterte diese Abende mit meinem Schatz, aber die Werbung, ja die war wirklich total daneben. "Also" begann ich nachdem ich mich auf die Couch schmiss: "Ich brauche an diesem bescheuerten Morgen erstmal einen Kaffee und du überlegst dir in der Zeit, ob du auf Mario wartest mit dem Test, was ich durchaus unterstützen würde, damit ich mich vor der Naturkatastrophe schützen kann oder ob du ihn mit mir machen willst, aber ich sag dir jetzt schon mal dass ich nicht gut darin bin, die richtige Reaktion zu zeigen." lachte ich. Mürrisch schlich sie in die Küche und kurz darauf hörte ich das Leuten der Kaffeemaschine: "Du glaubst nicht, wie sehr ich mir gerade wünschte dass du an meiner Stelle wärst du Jungspund.","Nein, step by step Ann. Für's Erste reicht mir der Stress den ich gerade habe, weil ich doch bei Marco einziehen werde." antwortete ich ohne darüber nachzudenken. Plötzlich hörte ich ein sich näherndes Trampeln sowie Ann-Kathrins schrilles Quietschen, das sie losließ während sie sich auf mich fallen ließ: "Dann bist du ja so etwas wie meine Nachbarin, wie hammermäßig ist das denn? Du hast mir gar nichts erzählt!". Ich rollte gespielt genervt mit den Augen, jetzt hatte ich zwar den Salat, aber er erschien mir glücklicherweise ganz appetitlich.



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